Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Neue Regeln: Warum die Topteams plötzlich so überlegen sind

VonMotorsport-Total.com

Publiziert 01/05/2017 um 22:30 GMT+2 Uhr

Im Jahr der Reglement-Revolution sind die Topteams plötzlich drückend überlegen: Wir analysieren, ob das schon immer so war und was die Gründe dafür sind.

Valtteri Bottas (Mercedes), Sebastian Vettel (Ferrari) - GP of Russia 2017

Fotocredit: Getty Images

Eigentlich wollte die FIA mit dem neuen Reglement für mehr Spannung sorgen. Doch in den ersten vier Saisonrennen hat sich ein klares Bild gezeigt: Zwischen den Topteams und dem Mittelfeld klafft eine enorme Lücke. Und als wahre Topteams darf man bislang in dieser Saison nur Mercedes und Ferrari bezeichnen, denn der RB13 mit Renault-Antrieb lag meist rund eine Sekunde pro Runde hinter den zwei besten Boliden, in Sotschi waren es sogar 1,7 Sekunden pro Runde.
Für Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, dessen Silberpfeile man mit den neuen Regeln eigentlich schwächen wollte, ist all das kein Wunder. "Wenn man das Reglement beibehält, dann hat man mehr konkurrenzfähige Autos, weil die Entwicklungskurve abflacht und die Teams ganz automatisch zusammenrücken", erklärt der Österreicher auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com'. So haben wir jetzt aber zwei Teams, die vor allen anderen liegen, und hinter uns klafft eine riesige Lücke."
Die Verantwortung sieht er bei den Mercedes-Gegnern, die unbedingt neue Regeln wollten, um die Mercedes-Dominanz zu beenden: "Ich bin kein großer Fan davon, alle zwei, drei Jahre neue Regeln zu bringen, nur weil jemand die Karten neu mischen will, aber die Mehrheit hat so entschieden."

Auch das Timing spielte den Topteams in die Hände

Doch geht es wirklich nur um die Entwicklung? Und haben nicht die großen Teams auch bei einem stabilen Reglement einen Vorteil, weil sie bessere Simulationseinrichtungen besitzen und somit besser an den Details feilen können, während sonst ein genialer Kopf mit einem Geistesblitz den Unterschied machen kann?
Toro-Rosso-Pilot Carlos Sainz deutet an, dass das dieses Jahr auch wegen des Timings nicht der Fall war. "Dieses Jahr spielen Budget und Weiterentwicklung eine enorme Rolle", erklärt der Spanier, dessen Team mit deutlich weniger Geld als die Topteams auskommen muss. "Außerdem wurde das Reglement sehr spät beschlossen, wovon die großen Teams profitieren."
Der Grund: Sie hatten im Vorjahr die Kapazitäten, um die Entwicklung parallel voranzutreiben und die Doppelbelastung somit besser zu stemmen. "Die Großen haben einfach größere Ressourcen", argumentiert der legendäre Ex-Williams-Technikchef Patrick Head gegenüber dem 'Guardian'. "Sie sind in der Lage, das aktuelle Auto zu entwickeln, während sie parallel bereits am Design für das neue Auto arbeiten. Wenn man 750 Mitarbeiter hat, während sagen wir mal Force India mit 300 auskommen muss, dann kann man als großes Team natürlich mehr machen. Jede Idee, dass sich das Feld also zusammenschiebt, ist Blödsinn."

Blick in die Vergangenheit: Reiche Teams im Vorteil

Das beweist auch ein Blick in den Vergangenheit: Als die Boliden 1998 schmäler gemacht wurden und Rillenreifen eingeführt wurden, setzte mit McLaren-Mercedes ein Team mit enormen Ressourcen zum Siegeszug an. Nur Ferrari - ebenfalls mit einem Spitzen-Budget gesegnet - konnte halbwegs mithalten. Abgesehen von Damon Hills Jordan-Überraschungssieg in Belgien bei Regen entschieden diese beiden Teams alle Rennen für sich. Im Jahr davor hatte es noch vier Teams gegeben, die Rennen gewannen.
Auch die Reglement-Revolution 2009 sorgte am Ende nicht dafür, dass sich das Feld zusammenschob, auch wenn auf den ersten Blick die Underdogs vorne waren. Doch Brawns Erfolg war auf den Doppeldiffusor und Hondas Millionen zurückzuführen und außerdem nicht von großer Dauer und Red Bull investierte damals Unsummen in das Formel-1-Projekt. Die beiden Teams dominierten die Saison, obwohl auch die verdrängten Titelrivalen McLaren und Ferrari je ein Rennen gewannen. Im Jahr davor entschieden mit McLaren, Ferrari, BMW-Sauber, Renault und Toro Rosso sogar fünf Teams Rennen für sich.
Für Williams-Technikchef Paddy Lowe war 2009 eine atypische Reglement-Revolution. "Und zwar, weil es diesen Doppeldiffusor-Effekt gab", erklärt der Brite. "Außerdem hatten zwei Teams im Jahr davor bis zum Schluss gegeneinander gekämpft." Aber auch für ihn ist es "eine Tatsache, dass sich das Feld auseinanderzieht, wenn die Regeln geändert werden. Wenn das Reglement dann etwas stabiler und älter wird, dann schiebt sich alles zusammen."

Williams-Technikchef Lowe: Aufholen ist möglich

Davon profitierte 2014 vor allem sein Ex-Team Mercedes. Ähnlich wie bei Red Bull bei der vorangegangenen Reglement-Revolution hieß es auch damals, dass Mercedes enorme finanzielle Mittel freigibt, um die Spitzenposition in der Formel 1 an sich zu reißen. Und genau das war dann auch der Fall. Im Jahr der Einführung der Turbo-Motoren entschieden die Silberpfeile abgesehen von Red Bull alle Rennen für sich. 2013 hatte es Siege von Red Bull, Mercedes, Lotus und Ferrari gegeben. Und auch das Jahr 2012 sollte diesbezüglich nicht unerwähnt bleiben, als es in den ersten sieben Saisonrennen sieben verschiedene Sieger gab.
Doch wie lange wird es nun dauern, bis die Konkurrenz den Rückstand auf die Spitze aufgeholt hat? "Der Abstand ist etwas größer als erwartet oder erhofft", gibt Williams-Technikchef Lowe zu. Er traut sich keine Prognose zu, glaubt aber, dass es möglich ist. "Es ist schon eine große Lücke, die wir da schließen müssen. Das kann einem Angst machen, aber ich finde es spannend", nimmt er die Herausforderung an. "Wie finden wir zwei Sekunden? Großartig! Ich meine, das Potenzial ist offensichtlich vorhanden, weil alle mit den gleichen Regeln arbeiten.
Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Ähnliche Themen
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung