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Sigi-Heinrich-Blog zum TSV 1860: Der Absturz ist auch eine große Chance

Sigi Heinrich

Update 06/06/2017 um 22:55 GMT+2 Uhr

Eurosport-Experte Sigi Heinrich bloggt über den sportlichen Absturz des TSV 1860 München sieht die aktuelle Situation aber auch als Chance für eine bessere Zukunft. Der Abstieg aus der 2. Bundesliga direkt in die Regionalliga sorgte für ein wahres Erdbeben bei den leidgeplagten Löwen-Fans. Ohne den jordanischen Investor Hasan Ismaik wäre aber ein kompletter Neustart möglich.

1860 München

Fotocredit: Imago

Ein Rückblick aus gegebenem Anlass: Wir waren zu viert. Kumpels. Fußballfans. Und wir spielten alle in unserer Heimat in verschiedenen Vereinen, gingen zusammen in die Schule und hatten natürlich alle einen Lieblingsverein. Drei waren standfeste Löwenfans. Einer (ich) war für die Bayern. Schon immer.
Und so legten wir ein besonderes Prozedere fest, das allen gerecht werden sollte. Dreimal hintereinander zu den Blauen, danach einmal zu den Roten. Ich habe mich also geopfert, um den Zusammenhalt der Gruppe nicht zu gefährden.
In der Erinnerung ist mir geblieben, dass es bei den Löwen immer irgendwie emotionaler zuging. Intensiver. Da konnte man schon etwas neidisch werden. Die Bayern kamen nie so tief in mein Herz, wie das bei meinen Freunden wohl offensichtlich mit ihren Sechzigern der Fall war.

Mit Charme ins Unglück

War das schon der Anfang vom Ende? Siegten am Ende die kühl kalkulierenden Bayern in ganzer Linie über die gefühlsduselnden Löwen? Die Fakten sprechen natürlich eine deutliche Sprache. Die modernen Bayern gingen ihren Weg, der Arbeiterclub aus Giesing schmort jetzt in der vierten Liga.
Die einen haben gerade ihr neues Nachwuchszentrum aus der Taufe gehoben, ein schuldenfreies Stadion und ihre Anlage an der Säbenerstraße Jahr für Jahr optimiert. Derweil war auf der anderen Straßenseite, nur ein paar Freistöße weiter, das gemütliche Löwenstüberl immer noch das Herz des Vereins.
Charmant, zweifellos aber leider schon lange nicht mehr zeitgemäß.

Der rettende Engel ist der Anfang vom Ende

Als 1860 München vor einigen Jahren mal an der Schwelle gar zum Aufstieg in die erste Liga war, habe ich den Blauen die Daumen gedrückt (ich hatte schließlich mehr Spiele von ihnen gesehen als von meinen Bayern). Die alte Rivalität auf höchstem Niveau schien plötzlich wieder möglich zu sein.
Es hat nicht geklappt. Die Löwen blieben zweitklassig und stolperten Jahr für Jahr immer tiefer in der Tabelle. Dass ausgerechnet die Löwen, die so nah an ihren Fans sind wie wenig andere Vereine in Deutschland, dann als erste Mannschaft in Deutschland einen Investor aus Jordanien ins Boot holten, entpuppt sich jetzt als fataler Fehler.
Hasan Ismaik war stets ein Fremdkörper im Getriebe aber sein Geld hat den Betrieb geschmiert, denn damals war vor allem die finanzielle Not mal wieder groß, weil es 1860 München nie geschafft hat, vernünftig zu wirtschaften. Immer nur wurden Löcher gestopft, wurden Präsidenten gewählt, die Hilfe anboten aus ihrer privaten Schatulle. Hemdsärmlichkeit war Trumpf, nicht seriöses Arbeiten.

Kontinuität als Fremdwort

In den letzten sechs Jahren verschlissen die Löwen fünf Präsidenten, zehn Trainer und elf Sportdirektoren. Das ist Wahnsinn. Ständige Personalwechsel, keine Konzepte, unverständliche Spielerverkäufe, krasse Fehleinkäufe auf der anderen Seite und immer nur Hinweise auf die ruhmreiche Vergangenheit führten letztlich zum sportlichen Exodus. Der HSV könnte als ähnliches Beispiel geführt werden und ist letztlich nur durch viel Glück immer noch in der Bundesliga, wenngleich deshalb nicht gleich erstklassig.
Jetzt vermeldet der Investor Hasan Ismaik, der die Löwen nun nach dem Abstieg finanziell im Regen stehen ließ und nicht erfüllbare Forderungen (Aushebelung der 50+1-Regel) dafür als Grund angab, dass er treu zu den Fans steht und zum Verein. Der Jordanier hat für all diese Meldungen eine eigene Presseagentur unter Vertrag. Vermutlich kennt er nicht einmal alle Inhalte seiner wirren Botschaften.

Die große Chance der Normalität

Die Löwen haben jetzt in der größen Not die größte Chance ihrer Vereinsgeschichte. Weg mit dem Investor. Wieder zurück in die Normalität. Einfach nur erst einmal wieder ein normaler Fußballverein werden. Wenn es möglich ist, zurückkehren ins Grünwalder Stadion und geduldig die Zukunft planen.
Die Löwen werden in der vierten Liga Zuschauerrekorde erreichen. Da bin ich sicher. Die Fans sind leidgeprüft aber auch leiderfahren. Sie werden dem Verein treu zur Seite stehen. Einmal Löwe, immer Löwe.
Es wäre schön, wenn die Renaissance gelänge. Ich werde auf jeden Fall auch mal wieder ein Ticket bei den Blauen kaufen. Sie brauchen jetzt jede Unterstützung.
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