Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Philipp Lahm wieder Rechtsverteidiger beim FC Bayern: Die Idee und die Folgen

Johannes Mittermeier

Update 03/07/2015 um 22:14 GMT+2 Uhr

Es war eine der ersten Amtshandlungen von Pep Guardiola. Als der Katalane im Sommer 2013 neuer Trainer des FC Bayern München wurde, beorderte er Rechtsverteidiger Philipp Lahm ins defensive Mittelfeld. Seitdem blieb es dabei – auch, weil Lahm besonderen Gefallen an der Rolle fand. Jetzt kündigte Pep die Rolle rückwärts an. Es gibt ein Paradebeispiel, wie und warum das Ganze funktionieren kann.

Neue alte Position: Philipp Lahm

Fotocredit: Imago

Das Prototyp-Spiel des Prototyp-Spielers war Münchens magische Nacht. "Philipp hat uns heute den Arjen gemacht", staunte Manuel Neuer nach einer Partie, die man nicht alle Tage erlebt, selbst beim FC Bayern nicht. Und obwohl bei der 6:1-Gala im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Porto jeder im Mittelpunkt stand, nur Philipp Lahm nicht, war der FCB-Kapitän vielleicht der Beste von allen. Denn Lahm machte nicht allein "den Arjen", wie Neuer korrekt feststellte. Lahm machte nahezu alles, er bekleidete vier verschiedene Positionen. Polyvalenz, ein Modewort des modernen Fußballs, personifizierte der 31-Jährige an diesem Abend nah an der Perfektion.
Viele Jahre war Philipp Lahm ein Mann für die defensive Außenposition, erst links, später auf der rechten Seite, beide Male Weltklasse. Pep Guardiola erkannte gar verschenktes Potential. Kaum hatte er die Münchner übernommen, beorderte er seinen Spielführer dorthin, wo die Netzwerkstränge eines Fußballspiels zusammenführen: in die Zentrale. Guardiola sah, dass es gut war. Prompt bezeichnete er Lahm als "intelligentesten Spieler", den er je trainiert habe.
picture

Überragend gegen Porto: Philipp Lahm führte die Bayern ins Halbfinale

Fotocredit: AFP

"…dann muss er rechts hinten spielen"
Als dann im April 2015 gegen Porto eine 1:3-Hinspielniederlage aufgeholt werden musste, zog der Katalane einen taktischen Joker. Lahm begann nicht in seinem Kerngeschäft, sondern beackerte in Abwesenheit von Arjen Robben die rechte (offensive) Außenbahn. Das dritte Tor der Bayern bereitete einer seiner Flankenläufe vor, an der Kombination des fünften Treffers war er beteiligt. Als Porto einen Stürmer brachte, rückte Lahm ins Mittelfeld, ohne in Angriffssituationen den Posten auf dem Flügel zu vernachlässigen. Das Spielende erlebte er als klassischer Rechtsverteidiger. "Wir haben heute so oft umgestellt, es gab fast keine Position, auf der ich nicht spielte", sagte Lahm hinterher.
Trotz seiner famosen Leistung blieb die Außenbahn eine Ausnahme. Im Frühjahr wiederholte der 31-Jährige via "kicker", was ohnehin jeder wusste: "Dass ich lieber im Mittelfeld spiele." Punkt. Ausrufezeichen!
Gestern der Pep-Hammer: "Wenn wir keinen anderen haben, muss er rechts hinten spielen. Das ist kein Problem für ihn." Punkt. Ausrufezeichen!
Guardiola gewährt Einblicke
Tatsächlich sind Alternativen rar gesät. Mitchell Weiser ist zu Hertha BSC gewechselt, Sebastian Rode wäre eine Option, allerdings eher aus der Not geboren. So durfte sich Rafinha in Lahms ehemaligem Herrschaftsbereich etablieren, der Brasilianer lieferte ordentliche Auftritte ab. Ein Zukauf, etwa des gehandelten Matteo Darmian, sei laut Guardiola nicht geplant.
Lahms Versetzung hätte eine Kettenreaktion zur Folge. Zunächst wäre die Abwehrreihe mit einem Profi bestückt, der, ausreichende Form und Fitness vorausgesetzt, internationale Spitzenklasse verkörpert. Zum Zweiten, noch bemerkenswerter, würde das Überangebot im Mittelfeld reduziert; aktuell hat Bayern 17 Akteure für maximal sechs Positionen. "Wir wollen verschiedene Systeme spielen, und das System ist die Fitness von Ribéry, Robben, Thiago und Martinez", gewährt Guardiola einen Einblick in seine Pläne.
Hauen und Stechen
Ohne das Mittelfeld-Puzzleteil Lahm würden sich die Einsatzchancen für Bastian Schweinsteiger nicht unwesentlich erhöhen - das könnte im nervösen Binnenklima vieles beeinflussen, bis hin zu seiner Zukunftsentscheidung. Interessant auch, wie sich Martinez, der faktisch die komplette Vorsaison aufgrund eines Kreuzbandrisses verpasste, ins Teamgefüge eingliedern kann. "Ich habe ihn sehr vermisst", gesteht Pep, "er war im Tripeljahr überragend. Javi kann in der Dreierkette spielen und im zentralen Mittelfeld. Ich bin sehr froh, dass er wieder da ist."
picture

Viele Bewerber für wenige Plätze: Im Bayern-Mittelfeld herrscht Gedränge

Fotocredit: Imago

So wie Guardiola über alle froh ist, die er zwischen Abwehr und Angriff aufstellen kann. "Ich liebe Mittelfeldspieler. Xabi Alsonso kann noch ein Jahr auf Topniveau spielen, Pierre-Emile Höjbjerg wird auf jeden Fall hier sein." Und so weiter und so weiter: Thiago ist fix eingeplant, David Alaba genauso, vielleicht jedoch auf links außen. Dann müsste Juan Bernat zittern, Thomas Müller muss es schon, er musste es eigentlich immer und setzte sich bisher doch durch. Aber eine Garantie ist das nicht. Arjen Robben brennt, Ribéry ist das große gesundheitliche Fragezeichen. Für Mario Götze dürfte es im dritten Münchner Jahr nicht einfacher werden, für Neuling Joshua Kimmich erst recht nicht. Und dann wäre ja noch Douglas Costa, dieser 30-Millionen-Transfer aus der Ukraine…
Das 6:1 gegen Porto war denkwürdig genug. Womöglich lieferte es zudem einen Fingerzeig, wie der FC Bayern mit dem reaktivierten Flügelspieler Philipp Lahm funktionieren könnte. Es gibt schlechtere Perspektiven.
Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung