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Der LIGAstheniker: Von Schwalben und Drecksäcken - Fairplay im Fußball? Vergiss es!

Thilo Komma-Pöllath

Update 05/12/2016 um 16:04 GMT+1 Uhr

Eurosport-Blogger Thilo Komma-Pöllath nimmt sich in seinem Blog "Der LIGAstheniker" Timo Werner und Ralf Rangnick von RB Leipzig vor und deren vergebene Chance, das Image des Vereins mit einem Schlag zu verbessern: Von Schwalben und Drecksäcken - Fairplay im Fußball? Vergiss es!

RB Leipzig: Timo Werner und Ralf Rangnick

Fotocredit: Imago

Gerade weil sich die Bundesliga hierzulande so tierisch ernst nimmt, ist sie an manchen Spieltagen so irre komisch.
Wirft man etwa nach diesem 13. einen Blick auf die Fairplay-Tabelle, eine offizielle DFL-Wertung, dann stellt man fest, dass die Bayern zumindest hier noch Spitzenreiter sind. Die Bayern spielen den technisch saubersten Ball, der das fiese Foulspiel selten nötig hat.
Nach diesem 13. Spieltag kann man getrost die Abschaffung dieser Tabelle einfordern, die ein verquastes Feigenblatt einer Disziplin darstellt, die mehr absichtliche Foulspielarten kennt als jede andere Mannschaftssport. Von der Schwalbe bis zum Zeitspiel, vom taktischen Foul bis zur Tätlichkeit. Fairplay im Fußball? Vergiss es!

Verpasste Chance für Rangnick

Nicht dass wir uns falsch verstehen. Das sage nicht ich, sondern führende Ligavertreter: Aus aktuellem Anlass der Sportdirektor von Tabellenführer Leipzig. Meine Güte, was hatte der Rangnick nach der unsäglichen Schwalbe von Timo Werner für eine einmalige Chance, dem verhassten Retortenklub mit einem einzigen Satz ein besseres Image zu verpassen, wie es selbst die teuerste Werbekampagne nicht hinbekommen hätte. Er hätte nur das aussprechen müssen, was alle dachten. Das kommentieren müssen, was alle gesehen hatten.
Er hätte sagen müssen: "Ich erwarte von unseren Spielern, dass sie ein Spiel mit ehrlichen Mitteln gewinnen wollen. Eine Schwalbe ist die schlimmste Form des Foulspiels, weil das Foul komplett erfunden, die gemeinsame Verabredung zum Wettstreit mit gleichen Mitteln aufgekündigt wird. So eine Schwalbe, die das Spiel mitentschieden hat, dürfen gerade wir uns als Aufsteiger, mit unserer komplizierten Historie, nicht erlauben. Wir wollen die Zuschauer mit großartigem Fußball und einem echten Gefühl begeistern, nicht mit falschem Spiel. Das sind wir als Verantwortliche unseren jungen Spielern schon allein wegen unserer Vorbildwirkung schuldig."

Fairplay? Überwertet!

So oder so ähnlich hätte Rangnick nach dem Spiel eine Ehrenrettung versuchen können.
Stattdessen maßregelt er den Reporter, man solle Fairplay doch jetzt nicht überbewerten. "Bei allem Fairnessgedanken irgendwie noch die Kirche im Dorf lassen", so hat er sich wörtlich ausgedrückt. Im Laufe des Wochenendes hat er dann noch ergänzt, es war kein Elfmeter, aber eine Schwalbe eben auch nicht. Mit dem Videobeweis könnte man sich solche unwürdigen Schwurbeleien sparen.
Hätte nur noch gefehlt, dass er Werner für den nächsten Tag trainingsfrei gibt, sozusagen als Weihnachtsgratifikation für den Mitarbeiter des Monats. Soviel Borniertheit bei der Punktejagd ist jeder Fairplay-Idee unwürdig.

Von Schweigeminute zur Schwalbe in 21 Sekunden

Dabei, und das sollte man doch zumindest im Blick haben, war dieser 13. Spieltag ja kein ganz alltäglicher für die Liga. Um nicht zu sagen, ein sehr sensibler, der die Untiefen des eigenen Personals am Wegesrand hell beleuchtete.
"Football Leaks" hatte gerade enthüllt, was einige der größten Fußballstars mit ihrem Geld wohl so tun, wenn sie es nicht versteuern wollen. Auch ein berühmter Deutscher war darunter. In der Liga liefen derweil alle 18 Teams selbstverständlich mit Trauerflor auf, weil in Brasilien wenige Tage zuvor eine ganze Fußballmannschaft mit dem Flugzeug abgestürzt war. Eine Fußballmannschaft, von denen die allermeisten noch nie zuvor gehört haben dürften.
Bei Timo Werner dauerte die verordnete Betroffenheit zwischen Schweigeminute und Schwalbe genau 21 Sekunden, dann war er wieder zum Unterschleif bereit.
Und auch das passte ins Bild: Hoffenheims Trainer Nagelsmann war ganz glücklich, dass er nach dem Spiel gegen Köln in einem TV-Interview das Wort "Drecksack" unterbringen konnte, ohne abgeschaltet zu werden. Adressat war Sandro Wagner, der die originäre Verbalinjurie als Rasenseligsprechung nehmen durfte, so stolz wie Nagelsmann dabei aus der Wäsche schaute. Wollte sagen: Wir sind hier nicht beim Kindergeburtstag. Der Wagner kann jeden blutig treten, der bei drei nicht auf'm Baum ist. Stellt euch mal nicht so an!

Tabelle für Drecksäcke

Ob eine Fairplay-Tabelle für Schwalben und Drecksäcke das richtige Biotop ist?
Schon jetzt freu' ich mich auf die Champions League am Dienstag und Mittwoch. Wenn direkt vor Anpfiff der Spiele in ganz Europa wieder die Anti-Rassismus-Kampagne der UEFA ausgestrahlt wird und die Steuerspezialisten Cristiano Ronaldo (mutmaßlich) und Lionel Messi ihre Tugendhaftigkeit ins Schaufenster stellen. Und kaum läuft das Spiel, die Drecksäcke auf dem Rasen wieder jeden Spinner als "schwarze Sau" beschimpfen. Der Fußball als bigotte Parallelgesellschaft ist so viel besser als jede "Heute Show".
Irre komisch!

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