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Der LIGAstheniker: RB Leipzig ist Fortschritt auf der Überholspur

Thilo Komma-Pöllath

Update 24/10/2017 um 12:08 GMT+2 Uhr

LIGAstheniker Thilo Komma-Pöllath sieht bei RB Leipzig Fortschritt auf der Überholspur und warnt den FC Bayern München vor dem Pokalduell mit den "Roten Bullen": Leipzig habe das Momentum auf seiner Seite, während sich der FCB weiter auf der Suche nach sich selbst befinde. Leipzigs steile Lernkurven lassen einen Titel 2018 immer realistischer werden.

RB Leipzig: Timo Werner und Jean-Kevin Augustin

Fotocredit: Getty Images

Gladbachs Sportdirektor Max Eberl hat am Wochenende ein Interview gegeben, das ich allein schon deshalb beachtenswert fand, weil er darin über den tagesaktuellen Beckenrand gesprungen ist und erklärt hat, was die Bundesliga vor allem ist: eine Ausbildungsliga.
"Talente aus aller Fußballwelt können sich bei uns gut entwickeln, da haben wir uns in England oder Frankreich einen Namen gemacht", so Eberl.
Der Blick auf die Tabelle nach dem neunten Spieltag scheint das zu bestätigen: hinter den deutschen Blue Chips-Klubs Dortmund und Bayern kommen als unmittelbare Verfolger die Ausbildungsklubs Leipzig und Hoffenheim, die wissen, wie man Talent und Geld für die Zukunft investiert.
Insofern könnte die diesjährige Saison beispielgebend für das neue Selbstverständnis der Liga sein: der Kampf um die Tabellenspitze als Kulturkampf zwischen Altvorderen und Neulingen, zwischen Tradition und Neureichen verbunden mit der Frage: Welcher Ansatz ist titelfähig? Eine erste richtungsgebende Antwort wird es an diesem Mittwoch geben, wenn Leipzig im Pokal die Bayern empfängt. Sollte Bayern verlieren, wird danach keiner von Sensation faseln.

RB ist Teil der Erneuerung der Liga

RB Leipzig steht seit zwei Jahren im Zentrum einer Debatte, in der nicht wenige den Untergang des europäischen Fußballabendlandes vermuten. Bei genauer Betrachtung könnte RB aber auch ein wichtiger Teil der Erneuerung der Liga sein.
Kein anderer Klub hat bisher in so kurzer Zeit sportliche Lösungen geliefert wie Leipzig. In Bezug auf Spielkultur, Talentpflege, institutionalisierter Nachhaltigkeit mit dem Nachwuchsleistungszentrum, sportliche Erfolge - Leipzig ist Fortschritt auf der Überholspur.
Im Vergleich fällt der sportliche Stillstand der (ebenfalls hochpotenten) Arrivierten wie HSV, Wolfsburg oder Leverkusen besonders deutlich auf und: ab. Die Frage ist auch, ob Fans und Liga auf Dauer Klubs im Oberhaus tolerieren wollen, deren Innovationsgrad gegen Null tendiert. Und es liegt auf der Hand, dass diese Klubs auch deswegen so gerne gegen die Mateschitz-Erfindung polemisieren, weil Leipzig den Finger in die Wunde der Altklubs legt. Schaut Euch selbst an: kein Fortschritt, nirgends.

Von wegen Leipzig ist entschlüsselt!

Was oder besser, wie macht es RB? "Entschlüsselt" hieß es gebetsmühlenartig in den Kommentarspalten zu Saisonbeginn, weil Leipzig nicht ganz so furios in die Liga gestartet war wie im Jahr zuvor. Darunter auch zwei Niederlagen. Die Ligakonkurrenten hätten Hasenhüttls System durchschaut und dechiffriert, der Zauber sei verflogen.
Heute, nach Spieltag 9, kann man sagen: Von wegen entschlüsselt! Gelernt hat vor allem Leipzig selbst, aus der Euphorie der letzten Saison seine Learnings im Spielsystem zu implementieren. Alles andere kann getrost als Selbstberuhigung aufgeschreckter und um Orientierung ringender Altklubs abgetan werden.
Die letzten Tage waren dafür Beispiel genug: Das Leipzig 2017/18 kann Champions League, Arbeitssiege, Rotation fast genauso gut wie der große FC Bayern. Beim mühsamen 1:0 gegen den VfB standen fünf neue im Kader (im Übrigen genau wie bei den Bayern in Hamburg beim ebenfalls mühsamen 1:0).

Leipzigs steile Lernkurven

Oder nehmen wir das berauschende 3:2 gegen Porto in der Champions League vor einer Woche als unmittelbare Antwort auf die Überforderung aus dem Istanbul-Spiel. Die Häme war groß für die Mannschaft und insbesondere Timo Werner, die im lautesten Stadion der Welt ihren Ohren nicht trauten und aus dem Gleichgewicht gerieten.
Der sportliche Tinnitus dauerte nur ein Spiel, die Reaktion gegen Porto war ein beeindruckendes Beispiel für die steile Lernkurve der Leipziger. So kraftvoll, so selbstbewusst, so spielerisch wäre der BVB bei Nikosia gerne aufgetreten. Leipzig wird die K.o.-Phase wohl erreichen, Dortmund sicher nicht mehr.

Das Paradigmenspiel: Leipzig gegen Bayern

Am Mittwoch also die Bayern im Pokal. RB hat das Momentum auf seiner Seite. Die Bayern sind trotz dreier Siege unter Jupp Heynckes auf der Suche nach sich selbst. Das mag gegen schwächere Gegner wie Freiburg oder Celtic genügen, gegen Leipzig müssen die Heynckes-Bayern belegen, dass ihre Lernkurve ähnlich steil nach oben zeigt wie beim ostdeutschen Talentklub.
Wenn nicht, ist in München wieder mal der Teufel los. Und Leipzig muss sich fragen lassen, ob die Utopie von Titelgewinnen nicht schon 2018 Realität werden kann.

Zur Person Thilo Komma-Pöllath:

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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