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FC Bayern eröffnet Nachwuchs-Campus: Wo die Bayern-Utopie noch hakt

Florian Bogner

Update 21/08/2017 um 18:59 GMT+2 Uhr

Der FC Bayern München eröffnet feierlich seinen "FC Bayern Campus". Das 70 Millionen Euro teure Nachwuchsleistungszentrum soll neue Talente ins Profi-Team befördern, doch es gibt noch einige Baustellen. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft derzeit noch ein großes Loch, das sich nicht allein durch ein 30 Hektar großes Prestigeobjekt zupflastern lässt.

FC Bayern Campus

Fotocredit: Imago

Bevor Youngster in Shorts und T-Shirts übernehmen, gehörte der Montag den Anzugträgern.
Großer Bahnhof in München Nord, Festakt für den neuen "FC Bayern Campus", das 70-Millionen-Projekt an der Ingolstädter Straße. Bürgermeister, Staatsminister, Ministerpräsident, alle da. Nachwuchsleistungszentrum nennt sich das, was der FC Bayern dort auf 30 Hektar hat entstehen lassen.
Ja, durchaus bombastisch ist die Anlage: Wohnheim mit 35 Appartements, Athletik- und Reha-Bereich, Büroräume, Arztpraxis, Besucher-Bistro, 2500-Mann-Stadion, sechs Naturrasenplätze, ein Kunstrasenplatz, Dreifachturnhalle, Beachvolleyballfelder, sogar ein Felix-Magath-Hügel, alles da.
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Trainingshügel auf dem FC Bayern Campus

Fotocredit: Imago

"Der Rasen hier ist essbar, wird von Alfons Schuhbeck persönlich zubereitet", scherzte Kabarettist Bruno Jonas beim Festakt. Die Bayern-Architekten Karl Hopfner, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge lachten stolz. Und überhaupt: 70 Millionen, das sei ja "nicht einmal ein halber Neymar", wie es Münchens OB Dieter Reiter ausdrückte. Gelächter.

FC Bayern Campus mit dem gewissen Etwas

Sie haben an vieles gedacht, der Campus hat durchaus das "gewisse Etwas". Am Eingang zur Spieler-Akademie prangern die Attribute "Leistungsbereitschaft, Respekt, Mut, Teamgeist, Leidenschaft und Wille", im Ausstellungsraum des "Campus-Labs" sollen mal alle Trikots der Spieler hängen, die es geschafft haben.
Das von Holger Badstuber hängt schon dort. Selbst die Adresse hat einen Clou: Ingolstädter Straße 272 - der 27. Februar 1900 ist das Gründungsdatum des Klubs.
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FC Bayern Campus

Fotocredit: Getty Images

Von einigen Flecken aus sieht man sogar gut rüber zur Allianz Arena, so zum Beispiel im gläsernen Übergang zum Mini-Stadion. Das soll Träume wecken.
So wie Uli Hoeneß, der als Festredner gleich die großen Zusammenhänge bemühte:
Möglicherweise ist der Campus die Antwort auf das, was derzeit an Transferwahnsinn und Gehaltsexplosion draußen passiert. Ich bin überzeugt, dass wir hier die richtige Antwort auf die Entwicklung im internationalen Fußball geben können.
Entschuldigung, Herr Präsident. Aber geht's auch eine Nummer kleiner?

Zwischen Wunschdenken und Pipinsried

Denn exemplarisch für die Realität steht der FC Pipinsried. Der feierte am Samstag einen sensationellen 1:0-Auswärtssieg beim FC Bayern München II, wo die Nachwuchsarbeit des Rekordmeisters nun mal anfängt oder aufhört, je nachdem von welchem Ende man draufblickt.
Der Aufsteiger in die Regionalliga Bayern aus dem 600 Seelen-Kaff hinter Dachau krönte mit dem nicht erwarteten Dreier bei den Bayern-Amateuren eine Neun-Punkte-Woche. Und der Coach des Gegners schäumte.
Seine Jungs mit dem "Mia san Mia" im Trikot-Kragen seien "nicht bereit gewesen, zusammenzuarbeiten", kritisierte Bayern-Trainer Tim Walter und grummelte weiter von "zu viele Ich-AGs auf dem Platz", "schlechter Kontervermeidung" und dem "größten Problem, der Spieleröffnung".
Das Ziel - Aufstieg in die 3. Liga - ist angesichts des TSV 1860 München als Konkurrenten eh schon schwer zu erreichen, da sind solche Niederlagen nicht gerade förderlich.
Walter war im Sommer auf den glücklosen Heiko Vogel gefolgt, der Erik ten Hag beerbt hatte, den Nachfolger von Mehmet Scholl, welcher es wiederum besser als Andries Jonker machen sollte.
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Horst Seehofer, Uli Hoeneß, Dieter Reiter

Fotocredit: Getty Images

Sie alle scheiterten daran, Bayern II aus der Regionalliga wieder in die Drittklassigkeit zu führen, übrigens verursacht durch den Abstieg eines gewissen Hermann Gerlands 2010/11, jetzt mit Jochen Sauer hauptverantwortlich für das neue Nachwuchsleistungszentrum.

Bayern II braucht den Aufstieg in Liga drei

Denn das Problem des Bayern-Nachwuchses ist auch eins der Wettkampfhärte, der Spielpraxis auf allerhöchstem Niveau oder zumindest knapp drunter.
"Die Möglichkeit, es bei uns zu schaffen, ist schwieriger geworden, weil man den jungen Leuten weniger Zeit gibt als früher. Es wird unsere Aufgabe sein, Mittel und Wege zu finden, dass man sie ein Jahr ausleiht oder über eine zweite starke Mannschaft zum Spielen bringt", sagt Hoeneß:
Deshalb sind wir so heiß drauf, dass wir möglichst schnell die U23 in die 3. Liga bringen, damit der Unterschied zwischen erster und zweiter Mannschaft nicht mehr so groß ist.
Die U23 zieht allerdings nicht um in den Campus, sondern bleibt an der Säbener Straße, am Nabel der Profis. Eine Grundsatzentscheidung. Am Campus trainieren U9 bis U19 sowie das Bundesliga-Team der Frauen.
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FC Bayern Campus

Fotocredit: Getty Images

Der Trick mit den "Local Playern"

Dass es in nächster Zeit also noch gar nichts werden kann mit neuen Müllers, Alabas und Badstubers, ist absehbar. Zur Wahrheit des Bayern-Nachwuchses gehört nämlich auch, dass Fabian Benko (19) vergangene Saison als einziger junger Nachwuchsspieler in einem Profi-Pflichtspiel eingesetzt wurde und das nur ein einziges Mal im DFB-Pokal.
Er und Niklas Dorsch rutschten 2016 auch nur in den Profi-Kader, um auf die von der UEFA geforderten vier "Local Player" zu kommen. Einsatzchancen haben sie unter Carlo Ancelotti so gut wie keine, das gilt auch für den jüngst berufenen Felix Götze (19).
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FC Bayern Campus

Fotocredit: Imago

Nur geringfügig anders sieht das bei Christian Früchtl (17) und Marco Friedl (19) aus; Früchtl könnte sicher irgendwann mal die Zukunft nach Manuel Neuer im Bayern-Tor gehören und Alaba-Kumpel Friedl darf in Abwesenheit des verletzten Juan Bernat immerhin links hinten dessen Backup geben.
Beim 0:1 gegen Pipinsried fielen beide jedoch nicht gerade positiv auf. Hoeneß gibt auch zu, dass Bayern "vom Ergebnis her in den letzten drei, vier Jahren nicht so gut gearbeitet" habe:
Wir haben das vernachlässigt. Andere Klubs haben da Gas gegeben und uns überholt.

U17 ist amtierender Deutscher Meister

Und so korrigieren sie den Kurs jetzt, nicht nur mit dem Edel-Campus. Mehr Fürsorge für die Youngster von oben nach unten ist angesagt, seit Hoeneß als Freigänger im alten Nachwuchshaus an der Säbener Straße nach dem Rechten sah.
Erste Erfolge stellten sich auch schon ein: Die U17 wurde im Sommer Meister, die U19 Vize-Meister, im Signal Iduna Park erst im Elfmeterschießen von Borussia Dortmund bezwungen.
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FC Bayern Campus

Fotocredit: Imago

Spätestens da reifte in Hoeneß ein neuer Gedanke, eine radikalere Einstellung, untermauert durch den Irrsinn dieses Sommers. "Man muss nicht hunderte Millionen ausgeben, um gute Spieler zu kriegen", sagte er am Sonntag wieder, als die Bayern eine Fan-Elf mit 8:1 bezwangen.
Am Montag ergänzte er:
Wir wollen so manches ausgleichen durch geschicktes Taktieren und die Ausbildung von Talenten.
Man plane aber auch Transfers bei 16-, 17-Jährigen, da werde der FC Bayern "Geld in die Hand nehmen".

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Ziel sei es, "neue David Alabas und Toni Kroos' auszubilden. Aber nicht ausschließlich: Es sollen auch vernünftige Menschen ausgebildet werden. Der Campus soll zu einem Markenzeichen des FC Bayern werden. Die hier ausgebildeten Spieler sollen das 'Mia san Mia' des FC Bayern nach außen tragen."
"Idealerweise kriegst du jedes Jahr einen Spieler für die Profiabteilung. Das ist der Wunschgedanke", sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge neulich. Man werde auch "was Scouting und Ausbildung betrifft noch mal ein bis zwei Schippen oben drauflegen".
Zuletzt ließ man allerdings Kaderplaner und Mastermind Michael Reschke zum VfB Stuttgart gehen, holte stattdessen mit Hasan Salihamidzic einen Novizen als Sportdirektor.
Anspruch und Wirklichkeit passen beim FC Bayern aktuell eben nicht immer zusammen.

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