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BVB: Trauriger Thomas Tuchel plant schon den nächsten Angriff auf den FC Bayern

Florian Bogner

Publiziert 22/05/2016 um 23:47 GMT+2 Uhr

Borussia Dortmund macht mit der bitteren Niederlage im DFB-Pokal-Finale gegen den FC Bayern München (3:4 n.E.) ein trauriges Triple perfekt. Doch statt in Mitleid zu baden, geht Trainer Thomas Tuchel sofort zur schonungslosen Analyse über und eifert damit weiter seinem Vorbild Pep Guardiola nach. Der BVB-Anspruch für 2017 steht: Titel, bitte. Gerne mit mehr Kader-Qualität.

BVB-Trainer Thomas Tuchel nach dem verlorenen Pokalfinale

Fotocredit: AFP

Aus Berlin berichtet Florian Bogner
Stylischer, dafür weniger steif. Lockerer, dafür nicht so lustig. Mit der “Schwarzgelben Nacht” lieferte Borussia Dortmund in der “Station Berlin” in der Nacht zum Sonntag erneut eine gelungene Gegenveranstaltung zur routinierten Pokalparty des FC Bayern München ab.
In feinen Anzügen trudelten gegen 1.45 Uhr die BVB-Spieler ein, verabschiedeten sich von den oberen 500 der Dortmunder Fangemeine und auch von Kapitän Mats Hummels, dem die obligatorische Abschieds-Fotocollage überreicht und warme Worte von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gewidmet wurden.
Nur der Ehrengast war nicht gekommen: Der goldene DFB-Pokal ging zu den Bayern, der BVB stand in Berlin nach dem 3:4 im Elfmeterschießen zum dritten Mal in Folge mit leeren Händen da.

Vier Jahre, vier verlorene Endspiele

Es ist schon bizarr. Seit Marco Reus Borusse ist, hat Dortmund keinen Titel mehr gewonnen (außer DFL-Supercups), jedes Jahr ein Finale verloren, drei von vier Mal gegen Bayern: 2013 in der Champions League, 2014 und 2016 in Berlin. 2015 verlor man gegen Wolfsburg. Final-Trauma.
“Immer so nah am Pokal vorbeizugehen, ist jedes Mal ein Stich ins Herz. Wir hätten in den vergangenen Jahren ein, zwei Titel mehr mitnehmen können”, sagte der Bald-Bayer Hummels niedergeschlagen, der den finalen Akt seiner BVB-Karriere als “Scheiß-Ende” bezeichnete.
Statt sich jedoch selbst zu bemitleiden oder die Schuld, wie einige Spieler, bei Schiedsrichter Marco Fritz zu suchen (der gegen Franck Ribéry auf eine Rote Karte verzichtet hatte), trat ein enttäuschter und trauriger Thomas Tuchel die Flucht nach vorne an und suchte die Schuld - und vor allem - Verbesserungspotenziale allein bei Schwarzgelb.

Trainer Tuchel strafft sich

So übernahm der 42-Jährige die Verantwortung für die Elfmeterschützen-Auswahl und damit für die vergebenen Elfmeter von Sven Bender und Sokratis. Gleichsam kritisierte er die qualitativ nur durchschnittliche Leistung seiner Mannschaft und straffte sich, wie er es selbst gerne ausdrückt, so für die kommende Saison.
“Uns hat es über eine lange Zeit in der ersten Halbzeit an Mut, Selbstvertrauen, Überzeugung und Schärfe gemangelt”, sagte der Trainer in seiner schonungslosen Pleiten-Analyse:
Bayern hatte viele einfache Ballverluste, aber wir haben schlampig gekontert und vieles, vieles liegen lassen, was möglich gewesen wäre.

Tuchel bemängelt: zu wenig Selbstvertrauen

Direkt nach Abpfiff hatte er die Nähe zu den Spielern gesucht, den aufgrund seiner Finalbilanz bemitleidenswerten Reus in den Arm genommen. Bald drauf sah man ihn aber schon in die Analyse vertieft, eifrig diskutierte Tuchel das Erlebte unter anderem mit Vereinslegende und Stadionsprecher Norbert Dickel auf der BVB-Bank.
Und trotz vielen Beteuerungen, wie großartig sein Team gekämpft habe, ging Tuchel sehr kritisch mit ihm ins Gericht.
“Klar kann man sagen, dass wir aufopferungsvoll, giftig und extrem leidenschaftlich verteidigt haben. Aber wir haben taktisch nicht sauber genug verteidigt, um früher höhere Balleroberungen zu haben und es Bayern schwer zu machen, überhaupt in unsere Hälfte zu bekommen”, bemängelte er. Es war ihm, der Selbstbewusstsein eingefordert hatte, “zu verhalten”, wie seine Mannschaft aufgetreten war:
Den Bayern richtig weh zu tun, ist uns nicht gelungen. In Sachen Handlungsschnelligkeit, Wachheit, Überzeugung und Ausstrahlung hat uns was gefehlt.

Basis passt, entscheidende Qualität fehlt

Wenngleich er auch lobende Worte hatte. “Den Hunger, die Mentalität, das Herz und die Leidenschaft kann man uns nicht absprechen. Das war alles da, das ist auch die Basis unseres Spiels.”
Aber eben nur: die Basis. Zu wenig für Titel, für einen Sieg gegen ein Team, das sich selbst zu den Top drei in Europa zählt.
Doch Tuchel strebt beim BVB nach dem Maximum, eifert, wenn man so will, seinem geistigen Vater Guardiola nach, dem Mastermind des Ballbesitzfußballs.

Tuchel will Bayern Aufgaben stellen

Zu dem gehört auch, immer den größtmöglichen Erfolg haben zu wollen. Immer akribisch zu sein, nie nachzulassen. Und so legte auch Tuchel in der schwarzen Stunde den Finger weiter tief in die Wunde.
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Das vorerst letzte Duell: Thomas Tuchel und Pep Guardiola

Fotocredit: AFP

“Mir fallen auf Anhieb zahlreiche Situationen ein, die wir qualitativ besser spielen können, was wichtig gewesen wäre, um Bayern München damit auch zu beeindrucken: mit Ballbesitz, mit Weghalten, mit Zurückdrängen in die eigene Hälfte - ihnen einfach Aufgaben zu geben, die sie nicht gewohnt sind”, sagte er:
Da ist die meiste Luft nach oben. Denn wir können nicht noch emotionaler und mit noch mehr Leidenschaft spielen.

Angriff auf Bayern mit fünf Neuen?

Heißt: mehr Qualität, bitte. Mit Hummels und wahrscheinlich auch Ilkay Gündogan (Richtung Guardiola bzw. Manchester City) verlassen den BVB zwei wichtige Stützen, zudem gibt es erweitertes Interesse an Henrich Mchitarjan und Pierre-Emerick Aubameyang, die der BVB aber unter keinen Umständen gehen lassen will.
Auf der anderen Seite darf Tuchel einkaufen gehen, vier bis fünf Neuzugänge gelten als wahrscheinlich. Die Entwicklung unter dem Ex-Mainzer stimmt, mit seiner Debütsaison hat er Kredit bei der BVB-Führung bekommen, den er nun ausspielen darf.
Trotz aller Trauer gaben die BVB-Verantwortlichen das Signal aus, die Bayern 2016/17 wieder herausfordern zu wollen. “Wir müssen nächste Saison neu angreifen, nicht nur im Pokal, auch im Brot-und-Butter-Geschäft Bundesliga sowie in der Champions League”, sagte Präsident Reinhard Rauball. “Wir werden alles dafür tun, dass wir nächste Saison wieder ein Finale spielen“, meinte Torwart Roman Bürki.

Tuchels Botschaft: Wir kommen wieder…

“Wenn man aus etwas Mut für die Saison ziehen kann, dann heute. Wir können Berlin hocherhobenen Hauptes verlassen”, sagte Watzke. Und Tuchel schloss mit den Worten:
Es gibt noch viel Luft nach oben. Das war mein erstes Finale mit der Mannschaft. Es ist ein Prozess. Wenn du auf die Bühne gehst, dann begibst du dich mit dem Wissen da rein, dass es schiefgehen kann. Damit umzugehen ist nicht das ganz große Problem. Einer wird verlieren, das ist die Natur des Sports. Aber wir werden wieder bereit sein für einen langen Weg, um am Ende hoffentlich wieder in Berlin zu sein.
Um wieder eine Schwarzgelbe Nacht zu feiern. Mit Ehrengast.
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