Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

FC Bayern - BVB: Letztes Spiel für Pep Guardiola - was fehlen wird und was nicht

Florian Bogner

Update 20/05/2016 um 20:42 GMT+2 Uhr

Pep Guardiola verlässt am Samstagabend mit dem DFB-Pokal-Finale zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund die deutsche Fußballbühne. Double zum Abschluss - und dann schnell weg. Geht da eine Ikone, oder doch nur ein Getriebener? Respekt war da, Liebe nie: Was nach Guardiola fehlen wird - und was nicht.

Pep Guardiola gewann mit dem FC Bayern drei Meisterschaften

Fotocredit: AFP

Aus Berlin berichtet Florian Bogner
Er hat sich rar gemacht in seinen letzten Tagen. Pep Guardiola, der Welttrainer, die Ikone, würde am liebsten ganz gerne leise durch die Hintertüre des FC Bayern München abtreten. Titelfeiern, Scheinwerferlicht? Mag er nicht. Auf dem Meisterbalkon schwieg er lieber. Alles gesagt? Es scheint so.
Doch einmal muss noch sein. Pokalfinale gegen Borussia Dortmund in Berlin (am Samstag ab 20 Uhr im Liveticker auf Eurosport.de), große Bühne, Goldregen. Double zum Abschluss?
Es ist das letzte Hurra. Auch wenn sich Ottmar Hitzfeld, der Gottvater aller Ex-Bayern-Trainer, eine Pep-Rückkehr zum Klub irgendwann vorstellen kann, ist es Guardiolas vorerst letztes Spiel als Bayern-Coach, wahrscheinlich das letzte für immer.
Was bleibt? “Wenn er weg ist, werden seine Erfolge von der Öffentlichkeit mehr gewürdigt als bis jetzt”, vermutete Hitzfeld im “Münchner Merkur”, denn, jaja:
Man merkt oft erst, was man hatte, wenn man es nicht mehr hat.

Pep Guardiola mag den DFB-Pokal

Einmal haben ihn die Bayern noch. Gegen den BVB, ein würdiges Ende. “Berlin ist ein schönes Finale, ich habe das 2014 erlebt”, hat Guardiola im Vorfeld gesagt, sich sonst zurückgehalten.
Guardiola mag den Pokal mit seinen K.o.-Einzelspielen, er kann ihn zum zweiten Mal gewinnen. Seine DFB-Pokal-Bilanz: erdrückend, dominant; keine Niederlage nach 90 oder 120 Minuten, 15 Siege bei nur einer Schlappe, im Halbfinale gegen den BVB vergangene Saison, das mit den Elfmeterrutschern von Philipp Lahm und Xabi Alonso.
Ein letzter Sieg - und Guardiola geht mit sieben Titeln in drei Jahren, eine beeindruckende Bilanz. Vom Punkteschnitt (2,52 nach 102 Spielen) her ist er ohnehin der erfolgreichste Trainer, den die Bundesliga je erlebt hat.
Und doch: blieb da immer eine argwöhnische Distanz zwischen ihm und der Öffentlichkeit. Respektiert ja, geliebt nein - nicht mal von den Bayern-Fans.
Was fehlen wird - und was nicht:

WAS FEHLEN WIRD

1) Pep, der Taktik-Gott
Auch, wenn jetzt vor dem Pokalfinale lieber über Bierduschen gesprochen wurde - dank Guardiola spricht man in Deutschland auch wieder ein wenig mehr über fußballtaktische Dinge. Für Guardiola sind Titel nur Nummern; für deutsche Fußballfans haben jedoch Zahlenfolgen wie 4-3-3, 4-1-4-1 oder 4-2-4 an Bedeutung gewonnen.
Guardiolas Wirken machte nicht nur die Fans schlauer, auch die Kollegen: Thomas Tuchel, Markus Weinzierl und Co. bot er Woche für Woche Lehrstunden an, steigerte so indirekt das Niveau der anderen, was diese teilweise auch zugaben.
Nicht nur für Hitzfeld habe Guardiola “einen Fußball spielen lassen, den man so vielleicht noch nie gesehen hat”. Er habe, so Hitzfeld, “Unglaubliches geleistet” und “der Bundesliga enorm viel gebracht”. Bundestrainer Joachim Löw, der schon 2010 aus Guardiolas Taktiken ableitete, lobte via “SZ”:
Bayern ist in puncto Dominanz, Spielstärke, Raumaufteilung vorbildlich, das ist seine Handschrift. Er hat dem FC Bayern, der Bundesliga seinen Stempel aufgedrückt. Ich bedauere, dass er Deutschland verlässt.
2) Pep, der Perfektionist
Seine Spieler mögen hier und da mit den Augen gerollt haben, wenn er wieder eine Einheit unterbrach - doch Guardiolas Akribie, sein Hang zum Perfektionismus sorgte dafür, dass sie nach dem Triple-Gewinn 2013 nicht locker lassen konnten.
picture

Pep Guardiola hält beim FC Bayern München sehr große Stücke auf David Alaba

Fotocredit: Imago

Spieler wie Javi Martínez, Jérôme Boateng oder David Alaba gaben zu, durch Guardiola den Fußball völlig neu erlernt zu haben, vor allem ihr nach vorne gerichtetes Defensivspiel enorm verbessert zu haben. Auch Robert Lewandowski, der 2014 dazu kam, meinte diese Woche:
Ich habe sehr viel gelernt in den zwei Jahren. Ich bin ein besserer Spieler als vor meiner Bayern-Zeit.
Löw erwähnte am Freitag lobend, wie Guardiola “Spieler in der täglichen Arbeit besser gemacht hat, weil er den FC Bayern insgesamt noch mal auf ein anderes Fußballniveau gehoben hat”.
Christoph Daum meinte kürzlich bei Eurosport in “kicker.TV – Der Talk“, dass er sich wünsche, dass mehr Trainer die Spieler auf diese Art triezen würden. Daum:
Was von Pep bleiben wird: seine Akribie, seine Detailversessenheit und dass er die Spieler auch genervt und nicht nur Wohlfühlatmosphäre geschafft hat.
Denn: Wo Reibung ist, da entsteht auch Energie.
3) Pep, die Stil-Ikone
Das Äußere mit den Maßanzügen, den Krawatten unterm Pulli, den gewienerten Schuhen und den kurz geschnittenen Hosen mal außer Acht - Guardiola schaffte es, den Fußball der Bayern teilweise zur hohen Kunst zu erheben.
Die 3:1-Auswärtsiege bei Manchester City (2013) und beim VfL Wolfsburg (2015) waren mit das Beste, was eine deutsche Vereinsmannschaft je gezeigt hat. Das furchtlose Gegenpressing, der Wunsch nach totaler Ballkontrolle, sein Mut, auch mal fünf Stürmer aufzubieten - Guardiolas Hurra-Stil begeisterte und prägte.
picture

Pep Guardiola vom FC Bayern München

Fotocredit: AFP

“Wenn wir in der Lage sind, die Konter der anderen Mannschaft zu kontrollieren, können wir auch mit sechs Stürmern spielen. Kein Problem!”, sagte er mal. Diese Chuzpe haben wenige.
Hitzfeld, beinahe ehrfürchtig:
Dieser Hochgeschwindigkeitsfußball, das Pressing, die Spielintelligenz - das war beeindruckend. Da hat Guardiola mit Bayern Lehrstunden für den modernen Fußball geliefert. Immer und immer wieder.
161 Pflichtspiele werden es am Samstagabend mit Bayern sein, die Pep’sche Siegquote danach bei 76 oder 77 Prozent liegen - bombastisch. Keine Frage: Da verlässt ein ganz Großer die deutsche Bühne, um bei Manchester City das nächste Kapitel aufzuschlagen.

WAS NICHT FEHLEN WIRD

1) Pep, der Getriebene
1000 Tage Bayern - am Ende wirkte Guardiola jedoch immer rastlos. Wo Ex-Präsident Uli Hoeneß nach erfolgreichen Teilabschnitten gerne mal “Fünfe grade sein” ließ, um auch wieder neu hochfahren zu können, hetzte Guardiola stets weiter.
Hatte er eine Lösung, eine Elf, ein System gefunden, baute er gleich wieder um, suchte den nächsten Ansatz, die nächste Finte. In der Konsequenz führte das hier und da zu Chaos: Den Champions-League-Pleiten gegen Real Madrid, den FC Barcelona und Atlético Madrid gingen auch falsche Aufstellungen des Trainers voraus.
“Diese Akribie führt irgendwann auch mal dazu, dass du vielleicht ein bisschen blind wirst und bestimmte Dinge gar nicht mehr wahrnimmst”, sagte Oliver Kahn kürzlich bei Eurosport dazu und stellte Guardiolas Urteilsvermögen infrage:
In solchen Situationen neigt er dazu, das ganz Außergewöhnliche machen zu wollen. In Drucksituationen sollte man jedoch genau das Gegenteil machen: die einfachen Dinge.
Bei Guardiola war’s manchmal einfach zu kompliziert.
2) Pep, der Unnahbare
Respekt schlug ihm von überall entgegen - Liebe selten, nicht von den Spielern, nicht von den Fans. Dafür gab sich Guardiola zu distanziert, zu professionell. Auch die Sprachbarriere, die mit seiner eindrucksvollen Antritts-PK schon fast eingerissen schien, blieb; Guardiola nahm keine Deutschstunden mehr. “Keine Zeit”, sagte er. Manchmal ließ es sich halt auch schön hinter der “Nix verstanden”-Fassade verstecken.
picture

Pep Guardiola bei seiner dritten Bayern-Meisterschaft

Fotocredit: AFP

Während Jupp Heynckes mit rhythmischen “Jupp! Jupp! Jupp!”-Sprechgesängen und von Spielern, die ihn hochwarfen, verabschiedet wurde, wird Guardiola am Wochenende vermutlich kein “Pep! Pep! Pep!” entgegen schlagen. Dabei wäre es so einfach.
3) Pep, die Partybremse
Bei allem Erfolg, den Guardiola in drei Jahren hatte: So richtig genießen konnte er ihn offensichtlich nie. War mit Louis van Gaal noch ein Feierbiest am Werk und ging Heynckes mit großväterlichem Schunkel-Charme in den Ruhestand, war Guardiola doch stets ein bisschen Partybremse.
Einen Gruß an “alle Mutti”, selbstangestimmte Fangesänge oder einen entblößten Schenkel über der Rathausbalkonbrüstung kann man von Guardiola im Falle eines Sieges am Sonntag auf dem Münchner Marienplatz jedenfalls nicht erwarten.
Doch dafür hat Bayern ja dann bald den Lebemann Carlo Ancelotti - ein Trainer, der schon mal gerne die Vereinshymne seines Klubs anstimmt, wenn’s ums Feiern geht. Und ein guter Kontrast zu Guardiola.
Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung