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Niko Kovac: Der Trainer von Eintracht Frankfurt im Porträt

Johannes Mittermeier

Update 26/10/2016 um 20:04 GMT+2 Uhr

Niko Kovac übernahm Eintracht Frankfurt, als der Klub quasi abgestiegen war. Inzwischen hat er 17 Bundesligaspiele bestritten, in einer Kovac-Tabelle stünde Frankfurt auf Rang fünf, in der Saison 2016/17 ist die Eintracht aktuell Siebter. Wie macht Kovac das? Was ist er für ein Typ? Warum war er schon als Spieler ein Leader? Porträt eines Mannes, der weiß, was wer will - und wie er dort hinkommt.

Niko Kovac von Eintracht Frankfurt

Fotocredit: Imago

Es gehört zu den unpopuläreren Maßnahmen, den Stürmer Alex Meier mit der Ersatzbank zu bedenken. In Frankfurt ist Meiers empfundene Größe etwa mit den Wolkenkratzern gleichzusetzen, sie rufen ihn "Fußballgott", und diesen Kosenamen hat er sich ja nicht selbst verpasst. Er wurde ihm verliehen. als höchste Auszeichnung.
Niko Kovac ließ Meier dann trotzdem draußen. Fußballgotteslästerung? Ach was.
Am vergangenen Freitag besiegte Eintracht Frankfurt den Hamburger SV mit 3:0. Wer gewinnt, hat immer Recht. Und so darf Trainer Kovac in der "FAZ" nachlesen, wie ihm Frankfurts Aufsichtsratschef Wolfgang Steubing eine Verlängerung des bis 2017 befristeten Vertrages in Aussicht stellt. "Ich rechne damit", sagt Steubing.
Er passt sehr gut zur Eintracht, wir sind sehr froh, ihn zu haben.
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Eintracht-Trainer Niko Kovac

Fotocredit: SID

17 Bundesligaspiele verantwortete Kovac für die SGE, seit er im März eine quasi-abgestiegene Mannschaft übernahm. Mutig vom Klub, sehr mutig von Kovac, unkten die Kommentatoren, der Ex-Profi hatte keine Erfahrung als Bundesligatrainer. Nun ja: In einer Kovac-Tabelle wäre Frankfurt momentan Fünfter, das Tableau 2016/17 weist die Hessen als Siebter aus. Jetzt geht's im DFB-Pokal gegen den FC Ingolstadt (ab 20:45 Uhr im Liveticker auf Eurosport.de), und in Frankfurt ist die Stimmung so aufgehellt wie selten.

Niko Kovac: Autorität mit Ausstrahlung

"Prima", findet Boss Steubing den "super Start. Wir müssen aber keine Erfolgsstory draus machen. Bei uns fängt keiner an zu spinnen." Das ist im Übrigen nichts als die Wahrheit.
Die Eintracht bei der Eintracht hat eine Menge mit den handelnden Personen zu tun. "Ich will die Leistung des Trainerteams nicht besser machen als sie ist. Wir leben es vor", sagt Kovac nach 14 Punkten aus acht Spielen, mit "wir" ist Bruder Robert gemeint, sein Assistent. Auch das passt, wie es nur passen kann.
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Niko Kovac

Fotocredit: SID

Das Psychogramm des Niko Kovac bündelt sich aus kroatischer Lockerheit und deutscher Disziplin. Der Mann hat Ehrgeiz, er ist stringent, offen, direkt, und er verfügt über eine Fähigkeit, die man natürliche Autorität nennt. Markante Wangenknochen, streng gescheitelte Haare, ein Auftreten mit Ausstrahlung, Charme, Charisma. Zur "Welt" sagt er:
Wir müssen darauf achten, dass die Werte, die unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern gelebt haben, wieder in den Vordergrund rücken. Denn ich bin der Meinung, dass alles ein wenig verwässert ist.
Netter Niko, sicherlich. Aber auch knallharter Kovac. Wille als Feder zum Antrieb, authentisch statt aufgesetzt. Der 45-Jährige ist prinzipientreu und siegessüchtig, Letzteres zu einem Gutteil durch Ersteres.
Ich verkörpere die typisch deutschen Tugenden wie Gründlichkeit, Ordnung, Disziplin und Organisationstalent. Meine Mentalität ist deutsch und rational geprägt, auch wenn mir die kroatische Impulsivität und Emotionalität nicht fremd sind.
Der Mix überträgt sich aufs Fußballfeld. "Ab und zu", sagt Kovac, als er den Frankfurter Aufschwung erklären soll, "ab und zu muss es ein bisschen Zuckerbrot geben, dann wieder Peitsche. Das ist ein Geben und Nehmen." Wie zum Beweis kanzelte er die Arbeitsbedingungen in der Frankfurter WM-Arena ab, nicht aus Populismus oder Profilschärfung, sondern als Mahnung mit avisierter Impulswirkung: Es bestehen Probleme, also packt sie an.

Eintracht Frankfurt: Gründe für den Aufschwung

Fredi Bobic unterstützte den Weg. Das Gespann mit dem Vorstand, Trainer Kovac und Sportdirektor Bruno Hübner hat rasch zusammengefunden (Kovac und Bobic schätzen sich aus Spielerzeiten), was freilich nötig war. Im Sommer verabschiedeten sich zwölf Akteure, neun kamen, lauter No-Names wie Omar Mascarell, Guillermo Varela, Jesus Vallejo, Shani Tarashaj, Ante Rebic, Michael Hector. Und es war ja nicht so, dass das nervöse Frankfurter Umfeld in Begeisterung verfiel. Heute darf Kovac konstatieren: "So blind sind wir nicht, dass wir nur Einäugige gekauft haben.“
Einen Kader mit 17 Nationalitäten betrachteten viele als Multi-Kulti-Gefahr, Kovac sah das Positive: "Wenn verschiedene Kulturen drin sind, lernt der eine vom anderen. Und meine Jungs - gerade die Deutschen - sehen dann: Was machen die Spanier, was machen die Kroaten, was machen die Serben? Es wächst zusammen."
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Niko Kovac, Trainer von Eintracht Frankfurt

Fotocredit: SID

Der Coach spannt die Seile, unermüdlich, er nervt seine Spieler als lästiges Korrektiv und in der Erwartung, dass sich Eigeninitiative herausbildet. Nach der Pleite beim SC Freiburg (0:1) warf er seinem Team "mangelnde Einstellung" vor, das Credo lautet:
Wenn ich besser werden möchte, muss ich immer an die Grenzen gehen. Da kann nicht der Trainer alle drei Tage den Zauberstab in die Hand nehmen.
Es folgte ein 2:2 gegen den FC Bayern München, trotz zweimaligen Rückstands und Unterzahl. Der FC Schalke (1:0), Bayer Leverkusen (2:1) und Hertha BSC (3:3) lernten die Frankfurter Wucht kennen, Hamburg sowieso. "Die Leine wird einfach nicht locker gelassen", sagt Verteidiger Bastian Oczipka über den Kovac-Stil, der defensive Stabilität, taktische Flexibilität und eine bemerkenswerte Intensität beinhaltet. Frankfurt ist topfit.
Und die argwöhnisch beäugten Profis? Vallejo entpuppt sich als Superlativ, Mascarell überzeugt, Tarashaj traf beim Startelfdebüt in Hamburg, der für Meier aufgebotene Branimir Hrgota verdiente sich seinen Einsatz. Marco Fabián, im Winter als zweitteuerster Einkauf der Vereinsgeschichte geholt, zeigt inzwischen regelmäßig, was er kann. Es ist ein homogenes Konstrukt, "die Jungs sehen, dass wir ehrlich mit ihnen umgehen", sagt Kovac.

Niko Kovac: "Wir hatten neun Spiele…"

Ehrlichkeit, ein gutes Stichwort. Nach den Relegationsspielen gegen den 1. FC Nürnberg im Mai wurde Frankfurts Trainer mit der Fairplay-Medaille des DFB ausgezeichnet, als Anerkennung für vorbildliches Verhalten - Kovac spendete erst Trost, bevor er feierte. "Der Druck ist immens hoch, aber Respekt, Toleranz und Empathie dürfen nie geopfert werden", schildert er "dfb.de" einen Charakterzug.
Dass es Frankfurt in die Endausscheidung schaffte, war wundersam genug. Kovac beerbte Armin Veh, die Lage war prekär: "Wir hatten neun Spiele, um eine Mannschaft, die mental am Boden war, zum Klassenerhalt zu führen." Dann: vier Niederlagen zum Start. Abgesänge. Vielleicht doch ein fataler Irrtum mit dem Liga-Greenhorn...? Nein. Drei Siege aus vier Spielen, 1:1 und 1:0 gegen Nürnberg, die Rettung im Nervenkrimi. Und Basis für alles weitere.
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Die Brüder Robert (l.) und Niko Kovac

Fotocredit: AFP

Niko hat Robert Kovac erneut an seine Seite genommen, sie sind das erste Trainer-Bruderpaar in der Bundesliga seit Friedhelm und Wolfgang Funkel 2001 bei Hansa Rostock. "Unser Vertrauen könnte nicht größer sein“, erzählt der zweieinhalb Jahre ältere Niko. "Das war schon als Spieler so, als er als Verteidiger auf dem Platz hinter mir stand."
Hinter ihm, dem Strategen, der als Aktiver "immer Leader" gewesen sei, wie der langjährige Nationalmannschaftskollege Ivica Olic sagt. "Niko ist ein Mann, der sich jeder Herausforderung stellt", ergänzt Alexander Zickler, Vereinskamerad bei Bayern und Red Bull Salzburg,

Niko Kovac beim FC Bayern, eine Zeit mit Makel

Die Kovac-Brüder wurden in Berlin geboren, kurz zuvor waren ihre Eltern - Vater Mato, Zimmermann; Mutter Ivka, Putzfrau - aus dem ehemaligen Jugoslawien ausgewandert. 1989 fing Niko bei Hertha Zehlendorf mit dem Fußball an, 1991 wechselte er zum Zweitligisten Hertha BSC, 1996 nach Leverkusen. Er blieb drei Jahre (92 Pflichtspiele, neun Tore), zog weiter zum HSV und erlebte dort die persönlich stärkte Phase seiner Karriere (73/13), inklusive Champions-League-Teilnahme. 2001 griffen die Bayern zu, und das war etwas Spezielles.
Als Junge war Niko ein Fan der Münchner, er hatte ein Bayern-Trikot mit der Nummer elf von Karl-Heinz Rummenigge. Zwei Jahre verweilte er schließlich beim Rekordmeister, mit dem Makel, sich nie wirklich zu behaupten. 51 Partien, fünf Tore, Double 2003, gewiss, doch Bruder Robert, ebenfalls 2001 aus Leverkusen verpflichtet, hielt sich doppelt so lang und im Stamm beim FCB.
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Einst gemeinsam beim FC Bayern: Niko Kovac (r.) mit Stefan Effenberg (l.) und Mehmet Scholl

Fotocredit: Imago

Niko nahm 2003 die Route in die Vergangenheit, zur Hertha (bis 2006, 75/8), die Abschlussstation war Salzburg (bis 2009, 65/9). Ab 2009 lief er vom Spieler zum Coach über, zunächst bei den Red-Bull-Junioren, 2011 bis 2012 als Co-Trainer der Profis, danach in Kroatiens U21 - und ab Oktober 2013 plötzlich als Nationaltrainer seines Heimatlandes. Welch rasanter Aufstieg. Bruder Robert assistierte, eh klar.

Einprägsame Erinnerungen an die EM 2008

Beim WM-Eröffnungsspiel 2014 betreuten sie die Auswahl Kroatiens gegen Brasilien (1:3) auf der globalen Bühne, im September 2015 war's vorbei: Entlassen vom Verband, weil dieser die EM-Quali gefährdet glaubte. Als Profi spielte Niko, der verheiratete Vater einer Tochter, von 1997 bis 2008 für Kroatien, das viertletzte von 83 Länderspielen (14 Treffer) hat sich eingebrannt, nach wie vor.
Europameisterschaft 2008, Viertelfinale gegen die Türkei. Niko Kovac musste wieder dran denken, in der Relegation gegen Nürnberg.
Wir schießen das 1:0 in der 119. Minute, die Türkei gleicht in der Nachspielzeit der Verlängerung aus. Wir hatten gearbeitet wie die Wilden. Und plötzlich fährt die Türkei nach Basel zum EM-Halbfinale gegen Deutschland, und wir stehen mit nichts da. An dieses Gefühl habe ich mich erinnert.
Auch das ist ein Prinzip dieses außergewöhnlich reflektierten Menschen: Scheitern nicht im Plan inbegriffen.
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