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Joachim Löw verrät seinen Plan für den DFB-Nachwuchs und die Nationalmannschaft

Daniel Rathjen

Update 20/02/2017 um 19:00 GMT+1 Uhr

Bundestrainer Joachim Löw hat vieles erreicht, doch längst nicht alles. In einem Interview mit dem "kicker" präsentiert sich der Weltmeister-Trainer klar strukturiert und motiviert. Ausführlich spricht er darüber, wie er sich die Zukunft beim DFB vorstellt, wo Verbesserungspotenzial besteht und welche Spielertypen mehr denn je gebraucht werden. Eurosport.de hat das Interview aufgearbeitet.

Joachim Löw

Fotocredit: Imago

Joachim Löw hätte es sich einfach machen und nach dem Triumph bei der Weltmeisterschaft 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft zurücktreten können.
Ein Denkmal wäre ihm sicher gewesen.
Doch der 57-Jährige, dessen Vertrag beim DFB bis 2020 datiert ist, hat noch lange nicht genug.
Das Interview, das Löw dem "kicker" gegeben hat, strotzt zwischen den Zeilen vor Motivation, Heißhunger auf Titel und Spaß an der Arbeit. In klaren Worten vermittelt Löw seine Visionen. Dazu gehören für ihn vor allem drei Eckpfeiler.

Die Ausbildung

Löw erzählt im Interview eine Anekdote aus Spanien. Dort verfolgte er nach dem "Clásico" zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid am Tag danach ein Spiel von Barcas U 10 - und Löw kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Da waren lauter kleine Iniestas auf dem Platz, die sich lange, bevor der Ball bei ihnen ankam, umschauten, wo der Gegner stand, wo der Mitspieler; die den Ball mit links angenommen und mit rechts scharf flach direkt weitergepasst haben - ohne auf den Ball zu schauen. Was ich bei der U 10 gesehen habe, hätte ich nicht für möglich gehalten.
Mannschaftstaktisch habe er in Deutschland noch keine so gute Mannschaft gesehen.
An diesem Punkt möchte Löw in der Ausbildung ansetzen und betont im gleichen Atemzug die Wichtigkeit einer geplanten DFB-Akademie.
Sein Credo: "Ein Schachspieler denkt zehn bis zwanzig Züge voraus, das muss der Fußballer in Zukunft auch können. Manche können das. Ein Özil, Kroos oder Pirlo spielen die Bälle in die Tiefe, weil sie wissen, da läuft einer rein. Die denken Spielzüge voraus. Es gibt Potenzial, Spielzüge vorauszudenken. Deshalb sehe ich in der kognitiven Ausbildung noch große Ressourcen. Laufdaten oder Statistiken über Ballbesitz sind aus meiner Sicht nicht entscheidend."
Mit Fragen und Inhalten, die den Fußball entwickeln, müsse sich der DFB intensiv beschäftigen. "Das geht nicht nebenbei", erklärt Löw, "der DFB braucht dieses Projekt, die Akademie ist elementar, wenn wir an der Weltspitze bleiben wollen. Das Wissen, das wir dort sammeln, tragen wir weiter in die Vereine."

Die Ansprüche

Deutschland ist kein Fußball-Entwicklungsland, sondern strebt nach Titeln. Löw ist bewusst, dass er "höchsten Ansprüchen" gerecht werden müsse. Und in diesen Kategorien denkt er mittlerweile, wenn er die Zukunft plant. Will er erneut Trophäen in den Himmel stemmen, muss sich sein Team an Spielern wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Luis Suarez orientieren.
"Wenn jemand in der Bundesliga gute Leistungen bringt, heißt das noch lange nicht, dass er bei der WM in K.-o.-Spielen die Leistung abrufen kann, die die Mannschaft braucht, um den Titel zu holen. Wir reden von Weltklasse, von absoluter Weltklasse!", verdeutlicht Löw.
Sein Gerüst steht nach eigenen Aussagen mit "Neuer, Boateng, Hummels, Kroos, Khedira, Müller, Özil, vielleicht Gündogan". Von Spielern wie Mario Götze und Julian Draxler erwartet er sich einen Sprung nach oben in der Hierarchie, während Joshua Kimmich und Jonas Hector weiter hineinwachsen. "Danach kommen die ganz Jungen, die noch Zeit brauchen."
Den richtigen Mix zu finden, ist sein großer Antrieb. "Meine Motivation beziehe ich aus der Weiterentwicklung junger Spieler oder der Bestätigung der WM 2014. Ich möchte die Leistung noch anheben. Da sich die Mannschaft ständig verändert, fühlt man sich nicht so schnell abgenutzt wie im Verein, wo man alle drei Tage spielt."
Sein Ziel für 2018 formuliert er klar: "Wir möchten den Titel gewinnen."

Der Abschließer

Das letztlich enttäuschende Abschneiden bei der EM 2016 war ein Alarmsignal für den Bundestrainer. Ganz offensichtlich mangelte es im Sturm ohne den bis zu seiner Verletzung gut aufgelegten Mario Götze an Gefährlichkeit im Abschluss. Deutschland lechzte nach einem Mittelstürmer.
Für Löw ist genau dieser Begriff jedoch überholt. Er will ihn durch eine eigene Kreation ersetzen. "Der Mittelstürmer ist heute anders zu sehen, er ist ein Abschließer, der zur Stelle sein muss und weiß: Ich bin ein Torabschließer."
Spieler, die für ihn in diese Kategorie fallen, sind: Thomas Müller, Marco Reus, Mario Götze, André Schürrle, Mesut Özil und Julian Draxler. Ein "Abschließer" könne auf unterschiedlichen Positionen spielen.
Löw will bewusst unterschiedliche Typen. "Ich möchte keinen Prototypen des Mittelstürmers ausbilden, weil der nicht gefragt ist. Die heutigen Mittelstürmer bringen alle enorm viel mit." Als Musterbeispiele nennt er Edinson Cavani (Paris Saint-Germain), Luis Suarez, Lionel Messi (beide FC Barcelona) und Cristiano Ronaldo (Real Madrid).
"Einen Luis Suarez haben wir im Moment sicher nicht, aber dieses Niveau müssen wir anlegen", stellt Löw heraus. Im Sinn hat er dabei auch Timo Werner (RB Leipzig), dem er einen Vorstoß in die "Weltklasse" zutraut.

Fazit

Löws Blick geht nach vorne. Er gibt sich nicht mit dem Erreichten zufrieden - und er verfolgt eine klare Philosophie. Mit dem Interview im "kicker" läutet er eine neue Ära ein, wenn er sagt:
Wir sind wieder hungrig. Es geht nicht darum, einen Besitzstand zu wahren oder irgendetwas zu verteidigen. Weltmeister 2014 bleiben wir für immer, aber unser Blick geht nach vorn, zum nächsten großen Ziel. Unsere Philosophie ist ausgelegt auf Offensive, nicht Defensive, auf Angriff, nicht Verteidigung.
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