Olympia: 20 Jahre Olympische Spiele bei Eurosport - emotionale Momente eines TV-Kommentators, Teil 2

Sigi Heinrich

Update 10/01/2017 um 15:07 GMT+1 Uhr

Sigi Heinrich ist die Stimme von Eurosport. Der langjährige Kommentator freut sich besonders auf die Übertragungen der Olympischen Spiele 2018 bis 2024 im Free-TV bei Eurosport. Heinrich hat in seiner Karriere insgesamt zwölf Eröffnungs- und Schlussfeiern für Eurosport kommentiert. In seinem Blog schreibt der 63-Jährige über seine emotionalsten und schönsten Momente in 20 Jahren Olympia (Teil 2).

Das "Vogelnest" von Peking bei den Sommerspielen 2008

Fotocredit: Eurosport

Im zweiten Teil seines Erlebnisberichts schreibt Sigi Heinrich über die Olympischen Spiele in Salt Lake City 2002, Athen 2004, Turin 2006, Peking 2008, Vancouver 2010, London 2012.

Salt Lake City 2002

Der 11. September 2001 war noch gegenwärtig. Die Welt hatte sich danach verändert. Wir mussten aus der Ferne kommentieren. Unseren damaligen Chefs schien das Risiko zu groß, in die USA zu fliegen. So beobachtete ich, zum ersten und einzigen Mal nicht vor Ort, wie man sich in Utah krampfhaft bemühte, eine Versöhnung mit den Indianern, den Ureinwohnern der USA, auf deren Gebieten die Sportstätten lagen, herbeizuführen. Viel Folklore war es - logisch, aber irgendwie künstlich. Und komischerweise sind mir diese Spiele auch nicht in großer Erinnerung geblieben. Mag an der Distanz des Beobachtens gelegen haben.
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Bob Jamaica bei den Winterspielen in Salt Lake City 2002

Fotocredit: AFP

Athen 2004

Aus geschichtlichen Gründen hätte man ja schon 1996 die Spiele nach Athen vergeben sollen. Andererseits sind die Griechen 2004 noch nicht ganz fertig geworden mit den Austragungsstätten. Die Flächen vor dem Olympiastadion waren noch staubig, das Parkhaus schon bei der Fertigstellung eher eine Ruine und die Dopingfahnder waren ständig auf der Suche nach zwei Athleten der Gastgeber. Kostas Kenteris und Ekaterini Thanou veranstalteten eine Schnitzeljagd, um den Dopingkontrollen zu entgehen.
Der deutsche Chefmediziner damals, Wilfried Kindermann, sagte: "Es wird auf Teufel komm raus gedopt." Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Diskuswerfer Robert Fazekas aus Ungarn hatte gar seine Urinprobe manipuliert. Die Methode wurde später in Sotschi noch verfeinert und auf eine ganze Mannschaft, die der Gastgeber, ausgeweitet.

Turin 2006

Die Biathlonanlage ist längst verfallen, von den Schanzen springt niemand mehr, über die Bob-und Rodelbahn wuchert Unkraut: Olympische Spiele danach. Es ist ein Schrecken, auch in Athen. Das Schwimmstadion ist eine Müllhalde, die Wildwasserstrecke ein Schandfleck ohne Wasser. Turin waren seelenlose Spiele, weit auseinandergezogen, weil jede Region ein paar Wettbewerbe haben sollte.
Ich bin täglich von Sestrière nach den Biathlon-Rennen nach Turin zum Eiskunstlaufen gefahren und um Mitternacht wieder zurück. Ich war nur unterwegs und habe für jeden Kilometer Maut bezahlt. Turin fand für mich auch auf der Autobahn statt. Aber ich erlebte den großen Moment unseres Biathlon-Experten Michael Greis mit und kommentiere alle seine drei Goldmedaillen. Jetzt sitzt er ab und zu an meiner Seite.
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Michael Greis, Olympia 2006 in Turin

Fotocredit: Imago

Peking 2008

Das Vogelnest, das Olympiastadion, ist eine architektonische Meisterleistung. Und es waren, zumindest für mich, entspannte und schöne Spiele. Wir Journalisten wurden bereits im Hotel auf Herz und Nieren überprüft, anschließend in den Bus verfrachtet und dann zum Vogelnest transportiert. Nach erfolgreichem Flug dorthin konnten wir uns frei bewegen. Ein Blick zum Fechten, zum Turnen, zum Schwimmen. Das war wirklich genial. Es klingt verrückt. Aber eine solche Freiheit hatte ich nie vorher und auch nicht danach.
Auch in der Stadt gab es keine Grenzen. Aber vielleicht lag es auch daran, dass ich dauernd meine Plastikkarte um den Hals baumeln ließ. Die Eröffnungsfeier war eine perfekte Show. Groß und mächtig war es, fast furchterregend aber irgendwie doch bemerkenswert.
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Das "Vogelnest" von Peking (Sommerspiele 2008)

Fotocredit: dpa

Und ich hatte das Glück zu ahnen, wer das Feuer entzünden würde (das wissen auch wir Kommentatoren vorher nie): Es war Li Ning. Der Kunstturner, über den ich als Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" schon mal eine Geschichte geschrieben hatte. Also wusste ich auf Anhieb vieles über ihn. Das war auch eine Erleichterung, denn natürlich bin auch ich vor einer solchen Übertragung immer nervös wie jeder Sportler auch vor seinem Wettkampf. Das gehört dazu.

Vancouver 2010

Im Fernsehen lief die große Entschuldigung von Tiger Woods nach seinen Sex-Eskapaden und stahl Olympia für einen Wimpernschlag ein wenig Aufmerksamkeit. Die Eröffnungsfeier war in einer Halle. Auch außergewöhnlich, aber eindrucksvoll.
Die Spiele selbst waren relativ entspannt bis auf die Tatsache, dass ich ein paar Knöllchen sammelte. Wegen Falschparken und etwas zu schnellem Fahren. Dabei war das nicht meine Schuld. Ich musste flott vom Biathlon zum Eiskunstlaufen. Den Polizisten war das allerdings ziemlich egal: Geld oder Leben. Ich entschied mich für das Überweisungsformular, das ich immer noch habe, als Andenken an Vancouver.

London 2012

Marcel Nguyen, ein deutscher Kunstturner, wurde Zweiter im Mehrkampf. Mit unserem Experten Sylvio Kroll, einst selbst Weltmeister, habe ich in der Halle den Wettkampf kommentiert. Als ehemaliger Kunstturner (mit leider nicht ausreichendem Talent für die ganz großen Wettkämpfe) war ich begeistert von der Stimmung, zumal auch die Briten groß auftrumpften.
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Marcel Nguyen bei den Olympischen Spielen 2012 in London

Fotocredit: SID

Es waren sportliche Spiele mit tollen Kulissen: Tennis in Wimbledon, Reiten vor dem Buckingham-Palast. Nur zwei Dinge störten mich gewaltig und das vierzehn Tage lange. Das olympische Feuer war nicht im Olympiastadion zu sehen und unsere Kommentatorenplätze waren nicht überdacht. Man hat uns das so erklärt, dass es in London ja nicht sehr oft regnen würde... Dirk Thiele und ich haben dann doch ein paar Tage mit einem Regenschirm in der Hand die Leichtathletik verfolgt. Und wir sind trotzdem nass geworden. Logisch.
Jetzt freue ich mich auf Südkorea und Tokio, dann wieder Peking und danach vielleicht Los Angeles, Paris oder Budapest. Die Entscheidung fällt 2017. Immer sieben Jahre vor den Spielen. Und die Vorfreude ist genauso groß wie vor 24 Jahren, vor Albertville, wo unsere Olympische Eurosport-Reise begann.


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