Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Tour de France - Jan Ullrich exklusiv: "Werde irgendwann zur Tour zurückkehren"

Thomas Janz

Publiziert 10/07/2015 um 14:15 GMT+2 Uhr

Jan Ullrich spricht im Exklusiv-Interview über die bärenstarke erste Tour-Woche der deutschen Radprofis Tony Martin, André Greipel und John Degenkolb. Des Weiteren äußert sich der Tour-de-France-Sieger von 1997 über die Rückkehr von Lance Armstrong zur Tour und erklärt, dass er die Frankreich-Rundfahrt inzwischen aus den Augen eines Radsport-Fans mit Begeisterung verfolgt.

Jan Ullrich nimmt alljährlich beim Ötztaler Radmarathon für Jedermänner teil. (Foto: Ernst Lorenzi)

Fotocredit: Eurosport

Die Tour de France ist an Spannung kaum zu überbieten. Auf der 6. Etappe kam nun Tony Martin 800 Meter vor der Ziellinie zu Fall und brach sich im Gelben Trikot das Schlüsselbein.
Jan Ullrich: Das gibt es doch eigentlich gar nicht. So eng liegen Glück und Pech zusammen. Es tut mir total leid für Tony und ich drücke ihm die Daumen, dass er ganz schnell wieder gesund wird.
André Greipel, John Degenkolb und Tony Martin haben die Tour de France in der ersten Woche aufgemischt. Haben Sie mit einer derart starken Leistung der deutschen Radprofis gerechnet?
Ullrich: Zuerst einmal bin ich begeistert, weil die Deutschen absolut grandios in die Tour gestartet sind. Auch die Spannung hätte bisher nicht größer sein können: Erst verpasst Martin im Zeitfahren das Gelbe Trikot um fünf Sekunden, dann streift er auf der 2. Etappe nur Millimeter an Gelb vorbei und muss sich Fabian Cancellara geschlagen geben. Als nächstes das Drama an der "Mauer von Huy", als Christopher Froome in der Gesamtwertung die Nase um eine Sekunde vorne hatte. Und dann der anschließende Ritt über das Kopfsteinpflaster mit dem Happy End für Martin. Das ist einfach schön anzuschauen, auch wenn das Aus von Tony nicht hätte sein müssen, und deswegen freue ich mich jeden Tag über die Berichterstattung.
Greipel hat Sie mit seinem Triumph auf der 5. Etappe an Tagessiegen überholt und liegt nun 8:7 in Front. Hätten Sie es am Anfang seiner Karriere für möglich gehalten, dass der Rostocker irgendwann derartig groß rauskommt?
Ullrich: Ich habe schon immer gewusst, dass André Potenzial hat. Auch André Korff (Anm. d. Red.: Ex-Radprofi und heutiger Bundestrainer) hat immer gesagt, dass Greipel einen unglaublichen "Punch" hat. Mit seinen Etappensiegen in den letzten Jahren bei der Tour de France war er ja schon ein ganz Großer. Aber jetzt hat es André perfekt getroffen, ohne das Pech vergangener Tage mit Stürzen und Verletzungen im Frühjahr. Greipel schwebt auf Wolke sieben, da kann schon noch was kommen, auch wenn man jetzt schon sagen kann, dass er als Sprinter eine grandiose Tour gefahren ist. Ich freue mich für ihn, weil ich weiß, dass er immer fleißig trainiert und fair mit den Leuten umgeht. Und als Rostocker bin ich stolz, dass die Ostseeküste immer wieder große Fahrer rausbringt.
Wie stehen die Chancen, dass Greipel im Grünen Trikot auf den Champs Elysees ankommt?
Ullrich: Die Chancen stehen ganz gut. Zwei Siege hat er bereits auf dem Konto und die geben ihm ein gigantisches Selbstvertrauen. Alles, was jetzt kommt, ist Zugabe. Er hat eine gute Form, das hat er selbst gesagt. Ich kenne André auch ein bisschen, wenn er selbst schon von einer guten Form spricht, dann ist er auch absolut davon überzeugt. Ich würde mich riesig über jeden weiteren Erfolg freuen, den er jetzt noch einfährt, und hoffe, dass er das Grüne Trikot mit nach Paris bringt.
Tony Martin hat sich seinen Traum vom Gelben Trikot erfüllt, auch wenn er jäh gestoppt wurde. Er wohnt bei Ihnen in der Nachbarschaft. Wie ist Ihr Kontakt?
Ullrich: Tony ist einer der feinsten Menschen, die ich im Radsport-Zirkus kenne. Es war unglaublich, wie die Mannschaft für Tony gearbeitet hat und Tony wiederum im Gelben Trikot für Mark Cavendish gefahren ist. Tony ist ein absoluter Teamplayer, der sich in der Vergangenheit immer in den Dienst der Mannschaft gestellt hat. Jetzt wollten sich die Teamkollegen bei ihm revanchieren. Nachdem er ins Gelbe Trikot gefahren ist, habe ich ihm per SMS zu seiner grandiosen Attacke gratuliert. Und obwohl ich weiß, dass bei der Tour kaum Zeit für andere Dinge ist, hat er mir geantwortet und sich für die Glückwünsche bedankt. Es war immer sein Traum und Ansporn in Gelb zu fahren, so wie ich damals. Er wusste gar nicht, wie ihm geschieht, und konnte seine Gefühle erstmal nicht beschreiben. Tony ist ein Mensch mit Herz und ein klasse Radfahrer. Er hat viele Fans, auch im Peloton. Noch einmal von meiner Seite: gute Besserung, Tony!
picture

Martin stürzt beim Sieg seines Teamkollegen

Fotocredit: SID

Wie beurteilen Sie die bisherige Leistung von John Degenkolb bei der Tour?
Ullrich: Ich sehe die Leistung von Degenkolb kompletter: John hätte die Saison eigentlich schon nach seinem Triumph bei Mailand – San Remo beenden können. Dann hat er mit dem Sieg bei Paris – Roubaix noch einen draufgelegt. Alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe. "Dege" ist bei der Tour immer vorne dabei und für mich auch ein Kandidat für das Grüne Trikot. Er hat aufsteigende Form und er hat einfach ein grandioses Jahr. Degenkolb tastet sich langsam heran und er wird nie aufgeben, um noch eine Etappe zu gewinnen. Ich kenne John nicht gut, aber er macht einen extrem konzentrierten Eindruck. Selbst wenn es im Sprint nicht klappen sollte, ist er ein Mann, der sich eine spezielle Etappe heraussucht und voll auf Sieg fahren kann.
Lance Armstrong kommt für einen guten Zweck zurück zur Tour. Ist so ein "Comeback" auch für Sie denkbar, in welcher Funktion auch immer?
Ullrich: Sicher nicht in einer Funktion. Ich habe für mich einen ganz guten Weg der Zurückhaltung gefunden. Ich hatte auch eine Einladung zur Tour, bin dieser aber nicht gefolgt. Ich finde es gut von Lance, dass er trotz der vielen Probleme, die er aufgrund seiner Vergangenheit immer noch hat, bei der Tour seinen Namen für einen guten Zweck zur Verfügung stellt. Ich brauche vielleicht noch ein wenig Zeit. Aber in meinem Herzen bin ich absoluter Radsport-Fan und irgendwann werde auch ich zur Tour de France zurückkehren.
Was macht eigentlich Jan Ullrich während der Tour de France?
Ullrich: Auch wenn die Tour für mich kein Ausnahmezustand ist, habe ich mich schon lange darauf gefreut. Der Kampf in der Gesamtwertung wird noch sehr spannend. Ich liebe den Radsport inzwischen wieder so sehr, dass ich selbst wieder viel auf dem Rad unterwegs bin. Die Tour de France beobachte ich aus den Augen eines Radsport-Fans. Es ist schön, dass dieser Sport wieder so richtig auflebt und Pluspunkte sammelt.
Wer ist Ihr persönlicher Tour-Favorit?
Ullrich: Vor der Tour hatte ich Vincenzo Nibali auf dem Schirm. Zurzeit läuft es auch für Chris Froome sehr gut. Er ist stark in die Tour reingekommen und hat an der "Mauer von Huy" ein Ausrufezeichen gesetzt. Wenn ich mich jetzt auf einen Mann festlegen müsste, wäre es Froome.
Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Ähnliche Themen
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung