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Tour de France: Geschichte(n) - Der tragische Tod des Fabio Casartelli und das Aus für Team Festina

Andreas Schulz

Update 06/10/2023 um 18:26 GMT+2 Uhr

Die Geschichte der Tour de France steckt voller Highlights, Dramen, Tiefpunkte: Wir blicken in unserer täglichen Serie zurück auf besondere Momente, die sich am 18. Juli jähren und deren Bilder uns oft noch vor Augen sind - und auf spezielle Tour-Höhepunkte aus deutscher Sicht. Heute u.a. mit dem tödlichen Sturz von Fabio Casartelli, dem Aus für Festina, Jan Ullrich und dem Coup von Eros Poli.

Das Drama um Fabio Casartelli, Tour de France 1995

Fotocredit: Imago

Der 18. Juli - kein -Tour-Tag wie jeder andere:
Es ist ein Dienstag, die große Pyrenäen-Etappe der Tour 1995 steht an. Danach liegt das Schwerste hinter den Fahrern, so denkt man am Start der 206 Kilometer von Saint Girons nach Cauterets.
Doch dieser Tag wird zum vielleicht schwärzesten der Tour-Geschichte. Es geschieht gleich in der Abfahrt vom ersten der fünf Anstiege des Tages. In einer kleinen Gruppe kommt Fabio Casartelli vom Portet d'Aspet hinunter, als er plötzlich stürzt und bei hohem Tempo mit dem ungeschützten Kopf auf einen Begrenzungsstein stürzt.
Die Rettungskräfte können das Leben des jungen Italieners, Olympiasieger von Barcelona 1992, nicht retten. Die Etappe läuft aber weiter und im Ziel jubelt der unwissende Richard Virenque über seinen Sieg, während die wissende Organisation taktlos die Siegerehrungen abhält.
Die Fahrer neutralisieren die nächste Etappe, Casartellis Motorola-Team überquert die Ziellinie gemeinsam vor dem Feld. Heute erinnert ein Denkmal an das Drama - und wenn möglich, hält die Tour dort kurz zur Erinnerung inne.
Tour de France: Das Denkmal für Fabio Casartelli am Col du Portet d'Aspet
Ein anderes, zum Glück trotz aller Schmerzen weniger schlimmes Drama nimmt am 18. Juli 1983 ein Ende: Seit Tagen schon quält sich Pascal Simon im Gelben Trikot durch Frankreich: Ein gebrochenes Schulterblatt macht jede Etappe zur Qual, aber er will nicht aufgeben - denn er kann auf den Gesamtsieg hoffen.
Doch auf der 17. Etappe nach Alpe d'Huez ist das Leiden unerträglich geworden, der Franzose steigt vom Rad. Für die Fans ist er seit diesem einwöchigen Leidensweg einer der Großen der Tour, auch wenn er sie nie gewinnt.
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Pascal Simon - Tour de France 1983

Fotocredit: Imago

Machtdemonstrationen im Zeitfahren gab es in der Tour-Geschichte am 18. Juli gleich mehrfach. Bei der 110. Ausgabe ist es 2023 Jonas Vingegaard, der im Kampf gegen die Uhr über 22,4 Kilometer seinem bis dahin ebenbürtigen Rivalen Tadej Pogacar schier unglaubliche 1:38 Minuten abnimmt und seinen Anspruch auf den Gesamtsieg mehr als untermaúert.
Schon fast drei Minuten beträgt der Rückstand von Wout Van Aert auf dem dritten Tagesrang - und nicht nur er schüttelt den Kopf über dieses Ergebnis.
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Highlights Zeitfahren: Vingegaard schockt die Konkurrenz

Bei der Tour 1997 ist der 18. Juli jener Tag, an dem Jan Ullrich auf die klarste Art unterstreicht, wer die Nummer 1 im Rennen ist. Im Zeitfahren über 55 Kilometer rund um Saint Etienne holt er im Gelben Trikot seinen vor ihm gestarteten Rivalen Virenque ein und brummt dem Franzosen weitere drei Minuten an Rückstand auf.
Was dabei aber in Deutschland schnell vergessen wird: Der französische Kletterer fährt dabei trotz der Demütigung das Zeitfahren seines Lebens, wird Zweiter der Etappe noch vor Bjarne Riis und so letztlich damit zum Kronprinz dieser Tour, obwohl Marco Pantani noch zwei Bergankünfte als Solist gewinnt.
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Richard Virenque und Jan Ullrich bei der Tour de France 1997

Fotocredit: Eurosport

Doch ein Jahr später stürzt die Fassade der heilen Tour-Welt krachend in sich zusammen. Die Festina-Affäre begleitet das Rennen seit dem Start in Dublin, vor dem Einzelzeitfahren (das Ullrich vor Tyler Hamilton gewinnt) kommt es dann am 18. Juli 1998 zum großen Knall.
Nachdem Festina-Teamchef Bruno Roussel im Polizei-Verhör gesteht, wie das medikamentöse Innenleben des Rennstall aussieht, haben die Organisatoren keine andere Wahl mehr. Sie schließen die Mannschaft um die Stars Virenque und Alex Zülle sowie Weltmeister Laurent Brochard aus. Diese können es nicht fassen, beteuern ihre Unschuld (dreist) und wollen nicht die einzigen Sündenböcke für eine flächendeckendes System sein (verständlich).
Die nach der Tour 2013 präsentierten Nachtests jenes Jahres gaben ihnen da nochmals Recht.
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Richard Virenque, Tour de France 1998 - Festina

Fotocredit: Getty Images

Wieder ein 18. Juli, wieder ein Zeitfahren, wieder Ullrich: Manches ist ganz anders, manches wohl noch immer gleich. Neu ist auf jeden Fall, dass Jan Ullrich 2003 nicht in Magenta, sondern in den Bianchi-Farben am Start ist.
Neu ist auch, dass er Lance Armstrong in der Hitzeschlacht über 45km zum Cap Decouverte eine Packung gibt. Exakt 1:36 nimmt er dem Texaner ab, der mit den Temperaturen übel zu kämpfen hat. Während sich Ullrich in einem klimatisierten Radgeschäft warmfährt, schwitzt Armstrong trotz Ventilatoren am Teambus schon vor dem Start extrem.
In Deutschland wird wieder vom Tour-Sieg geträumt, doch in Paris fehlen 61 Sekunden.
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Jan Ullrich - Bianchi - Tour de France 2003

Fotocredit: Getty Images

Und auch am 18. Juli 2000 spielen Ullrich, Virenque und Armstrong Hauptrollen: Es ist die letzte Alpenetappe mit Ziel in Morzine und am vierten und letzten Berg passiert plötzlich die Sensation: Armstrong kann nicht mehr folgen, Ullrich zieht am Joux-Plane davon.
Dumm nur, dass er am Gipfel das Rad wechseln muss, zu lädiert sind die Bremsbeläge für die Abfahrt. Dennoch holt er über anderthalb Minuten in der Gesamtwertung auf, verliert aber den möglichen Tagessieg. Der scheint aus einem Ausreißerduo erst Roberto Heras zu gehören, doch dann stürzt der Spanier kurz vor dem Ziel: Virenque lässt sich feiern - und Ullrich wird 24 Sekunden später noch vor Heras Dritter.
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Jan Ullrich (Telekom), Lance Amstrong (US Postal) Tour de France 2000

Fotocredit: Getty Images

Große Geschichte wird 2015 in Mende geschrieben: Ausgerechnet am Mandela Day feiert das südafrikanische Team MTN-Qhubeka einen bewegenden Etappensieg auf dem Flugplatz im Zentralmassiv durch den Briten Steven Cummings.
Dabei ist er der "Lachende Dritte" im Duell der beiden Franzosen Romain Bardet und Thibaut Pinot, die im Finale schon klar vorne lagen - sich aber so sehr belauern, dass Cummings doch wieder aufschließen und vorbeiziehen kann.
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Stephen Cummings siegt in Mende vor Thibaut Pinot und Romain Bardet bei der Tour de France 2015

Fotocredit: Getty Images

Historisch ist der 18. Juli 2013 - denn erstmals steht der berühmte Anstieg nach Alpe d'Huez in einer Etappe gleich zweimal auf dem Programm. Kritiker schimpfen über eine angebliche Aufforderung zum Doping, die Fahrer sind eher über die grenzwertige Abfahrt besorgt.
Am Ende geht alles gut, auch wenn es eine legendäre Etappe hätte werden können. Denn Spitzenreiter Chris Froome schwächelt, kann aber vom Teamwagen nicht verpflegt werden: der Jaguar streikt mit Elektronikschaden, weil eine Eisbox im Kofferrraum ausgelaufen ist.
Spät kommt der Brite doch noch zu einem Energieriegel - und einer Zeitstrafe wegen irregulärer Verpflegung... - er bleibt aber ungefährdet in Gelb.
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Das Sky-Duo Chris Froome und Richie Porte - Tour de France 2013 in Alpe d'Huez

Fotocredit: Getty Images

Schließlich wäre kein Blick auf den 18. Juli komplett ohne das große Solo von Eros Poli am Ventoux bei der Tour 1994. Der großgewachsene Italiener macht sich nach etwas mehr als einer Rennstunde alleine auf den Weg, da liegen noch 171 Kilometer und ein fürchterlicher Anstieg vor ihm.
Doch der Mercatone-Uno-Profi, sonst im Sprintzug von Mario Cipollini eingesetzt, hat einen Plan: Er kommt mit 25 Minuten Vorsprung zum Anstieg, verliert dann pro Kilometer zum Gipfel eine Minute auf das Feld - und bringt als guter Abfahrer den Rest seines Vorsprung erfolgreich ins Ziel von Carpentras.
Ein gewisser Lance Armstrong tritt hingegen zu dieser 15. Etappe dann nicht mehr an...
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Eros Poli am Mont Ventoux 1994

Fotocredit: Imago

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