Selby-Granit oder Higgins-Stahl: Vorfreude auf das WM-Finale

Mark Selby erlebt die erfolgreichste Saison seiner Karriere. Vier Ranglisten-Turniere hat er schon gewonnen. Schafft er auch den fünften, dann zieht er mit Stephen Hendry und Ding Junhui gleich. Zudem hat er noch in einem weiteren Finale gestanden. Der reitet im Moment die Welle. John Higgins hat mit der China Championship und dem Champion of Champions auch zwei Titel geholt. Die zählten zwar nicht für die Weltrangliste, aber er musste die Creme de la Creme auch dabei aus dem Weg räumen. Er mag nicht so konstant wie Selby sein, aber wenn es sein Tag ist, dann braucht er nichts und niemanden fürchten.

Vier Mal sind die beiden im Crucible Theatre aufeinandergetroffen. Nur einmal hat sich dabei Mark Selby durchgesetzt. Das war 2006 in der ersten Runde, als Selby mit 10:4 triumphierte. Die anderen drei Begegnungen hat John Higgins gewonnen. Darunter auch das wichtigste Duell, das Finale vor genau zehn Jahren. Damals triumphierte Higgins mit 18:13. In der Frame-Bilanz hat Higgins allerdings knapper die Nase vorne, mit 45:40.

Mehr Erfahrung hat John Higgins. Der ist zum 23. Mal im Crucible dabei, hat 50 seiner 68 Matzches und 794 seiner 1409 Frames gewonnen. Mark Selby ist zum 13. Mal im Theater der Snooker-Träume dabei. 28 Siege aus 38 Matches und 452 gewonnene Frames von 815 ist seine Bilanz. Ausgedrückt in Prozentquoten liegen beide allerdings ziemlich gleichauf. Und ein Frischling ist Selby ja nun auch nicht mehr. Auch in Sachen WM-Finals stehen beide ähnlich da: Higgins hat vier von fünf Finals bisher gewonnen, Selby zwei von drei.

Mark Selby hat ungefährdet das Halbfinale erreicht. Gegen Ding Junhui dann allerdings wurde es eng; da musste er alles in die Waagschale werfen. Mag sein, dass er da mehr Kraft verbraucht hat, aber er weiß auch, dass er sich in solchen Situationen auf sein Spiel verlassen kann. John Higgins dagegen musste kaum zittern. Als Mark Allen ihn im Achtelfinale wirklich herausforderte, da lieferte er seine bisher beste Leistung ab. Die Belastung für beide war ähnlich: Selby musste 79 Frames spielen, um das Finale zu erreichen, Higgins zwei mehr.

Beide haben auf dem Weg ins Finale sechs Centuries gespielt. Bei den Breaks von mehr als 50 Punkten hat Selby aber die Nase vorne: Er hat 37 Breaks von mehr als 50 Punkten geschafft (einschließlich Hunderter-Breaks), John Higgins kommt auf 33. Hier ist Selby also konstanter. Higgins braucht öfter eine zweite oder auch dritte Chance, um den Frame sicher zu machen.

Da ähneln sich beide sehr. Beide sind Allrounder, beide haben ein gewieftes taktisches Spiel. Das ist bei beiden die Basis. Hier wird es darauf ankommen, wer die zwingenderen Safeties spielt, den Gegner mehr unter Druck hält und so Chancen für den Gegner verhindert. Wenn (!) Higgins seine Fehlerquote gering hält, dann sehe ich hier beide auf Augenhöhe. Beide können zudem sehr geduldig sein und spielen sehr überlegt. Beide sind aber auch in der Lage, in den Bällen viel Schaden anzurichten. Hier wird die Tagesform viel entscheiden.

Mark Selby mag der Favorit sein, aber betrachtet man die Details, dann liegt gar nicht so viel zwischen den beiden. Das Alter spricht natürlich für Selby, denn in einem WM-Finale spielen auch die Kraft-Reserven eine Rolle, aber der Weltranglisten-Erste steht dafür als Favorit auch unter mehr Druck.