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Australian Open 2017 - Roger Federer: Vom Auslaufmodell zum Titelfavoriten

Petra Philippsen

Update 23/01/2017 um 23:09 GMT+1 Uhr

Roger Federer gehört bei den Australian Open plötzlich wieder zu den Favoriten, und das liegt nicht nur am Ausscheiden von Novak Djokovic und Andy Murray. Eurosport-Bloggerin Petra Philippsen hat den Superstar im Vorfeld des Viertelfinales gegen Mischa Zverev (Dienstag ab 9 Uhr Live im TV und im Eurosport Player) in Melbourne beobachtet und festgestellt: Federer ist wieder im Champion-Modus.

Roger Federer Australian Open 2017

Fotocredit: AFP

Aus Melbourne von Petra Philippsen
Serena Williams spielte nachmittags in der Rod Laver Arena. Doch den Fans, die es sich draußen im Garden Square in den Liegestühlen vor der Videowand bequem gemacht hatten, wurden immer wieder Bilder von Court 17 eingespielt. Dort lief gar kein Match, und dennoch schien das Geschehen auf diesem Platz viel interessanter zu sein: Roger Federer trainierte.
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Australian Open: Große Begeisterung beim Federer-Training

Er hätte sich einen abgeschotteten Platz im Melbourne Park suchen können. Oder er hätte auf einem der Hallenplätze trainieren können, wie es Rafael Nadal nach seinem Sieg über Alexander Zverev gemacht hat. Keine Fans, keine Kameras, nur Ruhe. Doch Federer entschied sich bewusst für Court 17, wie schon das ganze Turnier über.
Sechs Monate lang hatte er verletzt gefehlt, so lange wie nie zuvor. Und er wusste, was er seinen Fans schuldig war. Schon eine Stunde vor dem Training drängten sich die treuen Fans des Schweizers in dichten Reihen an den Banden um den kleinen Außenplatz, und hinter den Absperrungen, die extra aufgestellt wurden.

Plakate, Wimpel und Mützen

Über dem Court, auf dem Skywalk, kabbelten sich noch mehr Anhänger am Geländer um die beste Sicht. Sie alle hatten Plakate, Wimpel und Mützen dabei, Landesflaggen an die Banden gehängt und geduldig ausgeharrt. Eine Stunde lang.
Überall sonst im Melbourne Park liefen die Matches. Aber sie wollten nur einen. Und dann kam Federer - und 300 Stimmen kreischten und jubelten entzückt und riefen immer wieder "Roger, Roger".
Federer winkte kurz, wirkte sehr entspannt. Wie schon das ganze Turnier über, doch noch mehr, seit seiner Galavorstellung gegen Tomas Berdych in der dritten Runde. Und seinem Fünfsatzsieg über Kei Nishikori - Federer hatte seine Härtetests bestanden und er weiß nun, wo erst steht - er ist wieder so gut in Form wie vor seiner Knieverletzung.

Unter den Argusaugen von Boris Becker

Auch mit seinen Trainern Ivan Ljubicic und Severin Lüthi plauderte Federer locker, genau wie mit seinem Trainingspartner Andreas Seppi, die beiden mögen sich - und sie schlugen Bälle, im Visier von hunderten Handykameras, Fotolinsen und Kameraobjektiven und unter den Argusaugen von Boris Becker.
Der dreimalige Wimbledonsieger "spioniert" nicht mehr für Team Djokovic, er sondiert die Lage für seinen Job als TV-Kommentator bei Eurosport. So stand Becker an der Seite im regen Austausch mit Federers Manager Tony Godsick, während der Schweizer trainierte - nach 35 Minuten war der bereits fertig.
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Highlights: Federer lässt Berdych keine Chance

Man schwatzte noch kurz am Netz, scherzte ein bisschen und klatschte sich ab. Seppi hätte gerne noch etwas länger weitergemacht, aber Federer reicht stets das kurze Warm-Up und das gute Gefühl für die Schläge. Er brauchte seine Zeit für etwas anderes:
Federer ging zur Seitenbande, das Gekreische brandete erneut auf. Geduldig schritt er die ganze Reihe der wartenden Fans ab, schrieb seinen Namen auf Kappen, Bälle und Fotos, posierte für ein Selfie nach dem anderen. Ganze 20 Minuten nahm er sich Zeit und hinterließ nur glückliche Gesichter.

Berdych und Nishikori die perfekten Gegner

Federer war ohne große Erwartungen nach Melbourne gereist. So recht wusste man vorab nicht, wo man den 35-Jährigen nach dieser langen Pause einordnen sollte. Gleiches traf auf Nadal zu - nun stehen beide in der zweiten Turnierwoche, während Andy Murray und Novak Djokovic schon Zuhause sind.
Federer hatte als Nummer 17 natürlich eine knifflige Auslosung bekommen - doch Berdych und Nishikori erwiesen sich als perfekte "Aufbaugegner" für den Schweizer.
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Highlights: Federer bleibt cool gegen Nishikori

Beide kennt er in- und auswendig. Er weiß genau, was kommt. Es gibt keine Überraschungen. Sie waren perfekt für Federer, um das eigene Level nach den etwas wackligen Runden gegen zwei ihm unbekannte Qualifikanten drei Ebenen hochzuschrauben. Dass es so gut lief - vor allem sein Aufschlag funktioniert extrem gut - hatte Federer selbst nicht erwartet.

"... aber seine Stimme ist schrecklich"

Umso erleichterter, gelöster ist er nun. Er scherzt in den Pressekonferenzen und genießt den Schlagabtausch mit Conferencier Jim Courier in den Siegerinterviews auf dem Platz. Der freute sich diebisch, als er Federer mit dessen Karaoke-Video ein bisschen vorführen konnte.
Schließlich hatte Courier also doch noch etwas entdeckt, was Federer nicht beherrsche: singen. Die Einlage zu Chicagos 80er-Ballade "Hard to say I'm sorry", die Federer gemeinsam mit Grigor Dimitrov und Tommy Haas schmetterte, war in der Tat leicht schräg.
Aber Federer konterte genüsslich: "Ich fand, das war eine ganz schlechte Akustik in dem Raum. Na ja, und Grigor sieht nur gut aus, aber seine Stimme ist schrecklich." Keine Frage, der Schweizer ist eins mit sich und dem Universum. Federer weiß einfach, wie das Spiel funktioniert. Und ob Nummer 17 oder was auch immer, er ist wieder ganz der Alte.

Unmögliche Aufgabe für Zverev?

Das Selbstvertrauen ist zurück und der Spaß sowieso. In dieser Form wird er für Mischa Zverev (Dienstag ab 9:00 Uhr Live im TV, im Eurosport Player und im Liveticker auf Eurosport.de und in der Eurosport-App) schwer zu knacken sein. Und plötzlich ist Federer vom Auslaufmodell wieder zum Titelkandidat getuned. Unter Gejohle verließ er den Trainingsplatz, schüttelte im Vorbeigehen Becker freundlich die Hand und verschwand in der Umkleide.
Seppi packte noch seine Sachen, als sich der Platz längst geleert hatte. Seine Unterschrift war heute nicht gefragt.
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Australian Open Top5 (7. Tag): Spektakel von Federer und Murray

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