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French Open 2016: Der Tour-Return - harter Aufschlag für Angelique Kerber

Petra Philippsen

Update 25/05/2016 um 13:08 GMT+2 Uhr

Angelique Kerber erlebte bei den French Open in Paris in Runde eins eine böse Überraschung und scheiterte an Kiki Bertens. Nun gilt es für die Australian-Open-Siegerin, die richtigen Schlüsse zu ziehen, meint Eurosport Tennis-Expertin Petra Philippsen, die in ihrem Blog direkt aus Roland Garros berichtet.

Angelique Kerber

Fotocredit: Imago

Angelique Kerber hatte die Frage im dritten Satz voller Verzweiflung und Hilflosigkeit in Richtung ihrer Box gebrüllt, und sie steht wie eine Überschrift über ihrem bitteren Aus bei den French Open: "Was soll ich denn machen?" Und darauf gibt es nur eine Antwort - Kerber macht jetzt das, was Champions nach schlimmen Rückschlägen eben tun: aufstehen und weitermachen!
Kerber sagte, sie brauche wohl einige Tage, um die Niederlage zu verdauen. Und diese Zeit sollte sie nutzen, um alles genau zu analysieren, sich zu hinterfragen und vor allem die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen:

Die Auftakt-Qual

Warum tut sich Kerber so schwer in den ersten Runden bei Grand Slams? Zum zwölften Mal ist sie nun in 34 Versuchen an der ersten Hürde gescheitert. Ist das reine Kopfsache? Eurosport-Experte Nicolas Kiefer meint: "In Melbourne hatte Angie auch nicht so gut angefangen, da musste sie in der ersten Runde einen Matchball gegen Misaki Doi abwehren und ist dann aber weit gekommen. Schlecht spielen und trotzdem gewinnen, das ist ja die Kunst. Dieses Mal war sie aber zu sehr mit sich selbst beschäftigt und ist überhaupt nicht reingekommen."
Kerber setzt sich bei ihrem ersten Match meist viel zu sehr unter Druck. Sie betet der Presse zwar immer vor, dass sie nur von Runde zu Runde denken will. Aber dennoch, Kerber erwartet sehr viel von sich. Und sie weiß, dass jetzt alle noch mehr gegen sie gewinnen wollen. Sie ist die Gejagte, will sich behaupten. Das bedeutet noch mehr inneren Stress beim Auftakt - Kerber muss unbedingt einen Weg finden, um diesen abzubauen. Denn sie braucht die Energie bestenfalls für sechs weitere Matches.

Der leidige Belag

Liegt ihr Sand wirklich nicht? "Sand ist ja eh nicht so mein Belag. Und das war nicht so meine Sandplatzsaison", befand Kerber nach dem Aus. Und es wäre bequem gewesen, mit dieser lapidaren Erklärung einen Haken an die Sache zu machen. Sicher, es ist nicht ihr stärkster Belag. Und für sie als defensiv ausgerichtete Spielerin ist es auf Asche generell schwieriger, weil sie selbst das Spiel machen muss. Die Ballwechsel sind lang und mühsam. Aber Kerber hat die Fitness, um jede Rallye mitzugehen. Und sie hat zuletzt in Stuttgart wieder bewiesen, dass sie auf Sand sehr wohl bestehen kann.
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French Open: Frühes Aus für Kerber

Und in Paris stand sie 2012 bereits im Viertelfinale. Auch einen Nicht-Lieblingsbelag kann man sich noch gefügig machen - das hatte Maria Scharapowa demonstriert. Die Russin mochte Sand früher auch nicht, dann gewann sie zweimal die French Open. Es ist also eine Frage von Willen und Glaube, aber Kerber hatte im Grunde nie wirklich an ihre Chancen in Paris geglaubt - ein Champion darf sich jedoch nicht schon im Kopf limitieren. Dann kann man sich die Reise gleich sparen.

Ihr Auftreten

Sehen so Sieger aus? Schon vor Turnierbeginn war klar, dass Kerber in Paris nicht den entschlossenen Eindruck einer Mitfavoritin machte. Mit leicht hängenden Schultern hatte sie vor der Presse gesessen, beließ es bei harmlosen Floskeln. "Wenn ich mein Bestes gebe, bin ich schon zufrieden." Musste von der amtierenden Melbourne-Siegerin nicht mehr kommen?
Europsport-Experte Nicolas Kiefer meint: "Wenn sie einen Grand-Slam-Titel gewinnt, geht man davon aus, dass es irgendwann auch so weitergeht. Man hat schon mehr von ihr erwartet. Andererseits war es für sie jetzt die erste große Bühne nach dem Sieg in Melbourne - da war schon enormer Druck, viel Aufmerksamkeit. Daran muss man sich auch erstmal gewöhnen. Aber sehr selbstbewusst hat sie hier nicht gewirkt." Kerber scheint mit der Gesamtsituation noch etwas überfordert. Sie braucht mehr Zeit, um in ihre neue Rolle hineinzuwachsen - doch bereits in vier Wochen geht es in Wimbledon weiter.

Der Rummel

Hatte Kerber seit Melbourne zu viel Ablenkung? Bundestrainerin Barbara Rittner hat das vor Turnierbeginn zumindest registriert: "An manchen Tagen merkt man einfach, dass ihr momentan alles zu viel ist und sie dadurch ihr Energielevel fürs Tennisspielen verliert." Termine, Verpflichtungen, Interviews - das ging nach ihrem Coup alles buchstäblich über Nacht los. Die Turniere und die WTA verlangen nun jede Woche mehr PR-Arbeit von ihr, das ist neu für sie. Und so richtig vorbereitet hatte man sie auf den Rummel auch nicht.
Vor Indian Wells war ihr alles zuviel geworden, das sagte Kerber in Stuttgart. Auch da jagte ein Termin den nächsten. Dennoch sagt sie jetzt, sie würde alles nochmal genauso machen: "Ich habe das, was ich gemacht habe, gerne gemacht. Ich habe das genossen." Vielleicht war aber das Debakel in Paris die Quittung der letzten vier Monate. Kerber braucht jetzt gute Beratung, damit ihr Rummel dosiert wird. Und damit der Spagat gelingt zwischen Vermarktung und Erfolg.

Die Selbstzweifel

Was soll ich bloß machen? Kerber zweifelt oft an sich, so ist sie einfach. Sie stellt schnell alles in Frage, wenn es mal nicht so läuft. Nun kam auch noch eine Schulterverletzung hinzu, keine schwere, doch "ob man will oder nicht, man hat immer im Hinterkopf, dass da etwas ist", sagt Nicolas Kiefer: "Man spielt dann eben nicht so frei auf oder trainiert wie sonst. Es ist einfach dumm gelaufen, das ist schade, aber Angie muss das akzeptieren." Aus den Gesprächen mit Steffi Graf hatte Kerber eigentlich gelernt, dass sie nach Rückschlägen nicht in komplette Frustration verfallen und alles anzweifeln darf.
Das Auf und Ab gehört bei Kerber dazu, sie ist keine Seriensiegerin wie Graf damals. Aber Kerber muss lernen, vor wichtigen Turnieren die Selbstzweifel auszublenden und sich das Positive wie ein Mantra vorzusagen. Serena Williams war bisher immer eine Meisterin dieser Taktik. Vielleicht kann eine Nachricht von Steffi Graf Kerber aus dem Tief holen - denn sie sollte schnell wieder Mut finden, in Wimbledon ist die Hoffnung zumindest wieder sehr viel grüner.
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