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Der LIGAstheniker: Darum ist es richtig, wenn der HSV und der VfL Wolfsburg absteigen

Thilo Komma-Pöllath

Update 07/05/2018 um 13:30 GMT+2 Uhr

Runter zur Selbstreinigung - das ist der Wunsch und Zugleich die Empfehlung von Thilo Komma-Pöllath an "die notorischen Selbstbelüger aus der Hansestadt" und "die Angsthasen aus der Autostadt". Der LIGAstheniker sieht in seinem Kommentar einen möglichen Abstieg sowohl für den Hamburger SV als auch für den VfL Wolfsburg als Chance, Missmanagement und veraltete Strukturen zu beseitigen.

Lewis Holtby und seine Teamkollegen vom Hamburger SV

Fotocredit: Getty Images

Es gibt sie noch, diese seltenen Momente, in denen im Businessmodell Bundesliga die Idee des Spiels, um die es eigentlich geht, noch mal durchschimmert. Momente, in denen es nicht um Ablösesummen, Vertragsverlängerungen, Investorengerangel geht, sondern darum, dass ein paar Jungs einfach einen Heidenspaß daran haben, miteinander zu kicken und sich diebisch freuen können, wenn sie gegen alle Erwartung und Systemik Erfolg dabei haben.
Der vorzeitige Klassenerhalt des FSV Mainz vom Wochenende und die spürbar echte Freude von Sandro Schwarz und seinen Jungs war so ein Moment, der einem den Glauben an das Spiel jenseits aller Produkthaftigkeit wieder zurückgeben konnte. Wenn die beiden Mainzer Kapitäne Stefan Bell und Niko Bungert im ZDF-Sportstudio dankend auf das Torwandschießen verzichten, weil sie so schnell wie möglich wieder zurück zur Mannschaft wollen, um mit ihr den Klassenerhalt zu feiern, dann bekommt jeder Fußballfan, der selbst einmal gespielt hat, eine Gänsehaut und dabei ist völlig egal, für welchen Verein sein Fanherz schlägt.
Es ist ein Segen für den deutschen Fußball, dass sowas wie Mainz noch möglich ist. Die Frage ist: Wie lange noch?
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Jubel beim FSV Mainz 05 nach dem erfolgreichen Klassenerhalt

Fotocredit: Getty Images

FC, HSV, VfL - der Abstieg geschieht euch recht!

Der Blick auf die Tabelle von unten, vor dem letzten Spieltag. Um es zynisch zu formulieren: absteigen werden in diesem Jahr Mannschaften, die eigentlich alles für ein Leben im ersten Tabellendrittel haben, die Tradition, das Geld oder beides und die dennoch – oder vielleicht gerade deshalb - die eigene Klub-DNA so heruntergewirtschaftet haben, dass es zum Fremdschämen ist und dass ich ohne größere Skrupel sagen kann: Köln, HSV, Wolfsburg – der Abstieg geschieht euch recht!
Wer muss in die Relegation?
Wie peinlich die Performance der drei in diesem Jahr war, macht der Vergleich zu den beiden Klubs deutlich, die unmittelbar vor ihnen stehen: Freiburg und Mainz. Zwei Vereine, die mit einem Bruchteil des Geldes auskommen müssen (ehrlicherweise muss man dazu sagen, dass man auch mit deren Budgets im Basket-, Hand-, oder Volleyball locker die Champions League gewinnen könnte) und die trotz der zeitweise misslichen sportlichen Lage eine tiefe regionale Verankerung haben, identitätsstiftend wirken für eine ganze Stadt, gerade auch, weil die Kluft zwischen Mannschaft und Fans in diesem Bundesligabusiness noch nicht zu groß geworden ist. Aber klar doch: Noch sind der HSV und Wolfsburg nicht abgestiegen, noch ist Freiburg nicht gerettet.

Endzeitstimmung in Wolfsburg

Am Beispiel Freiburg/Wolfsburg, die beide am kommenden Wochenende um den direkten Klassenerhalt kämpfen, lässt sich plakativ aufzeigen, was passiert, wenn das Identitätsstiftende verlorengeht. In Freiburg wird, überspitzt formuliert, die ganze Woche kaum einer ein Auge zu machen. Die Kiebitze werden in Karawanen zum Training marschieren, sich die Köpfe heißdiskutieren, es herrscht ein Zusammenhalt, der Mannschaft, Fans und Stadt umfasst.
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Wolfsburg bekommt die Kurve nicht

Fotocredit: Getty Images

Und in Wolfsburg? Nach dem 1:4 in Leipzig versammelten sich 100 VfL-Anhänger vor der Klub-Geschäftsstelle und warteten auf die Mannschaft. Nach Rücksprache mit der Polizei beschloss die Klubführung, die Mannschaft an einem sicheren Ort aussteigen zu lassen. Der "Kicker" sprach von "Endzeitstimmung". Eine Mannschaft, die nicht den Mumm hat, sich in einer derart kritischen Phase ihren Shareholdern, nichts anderes sind die eigenen Fans, zu stellen, die sich ihren eigenen Anhängern vorenthält, so ein Team hat keinen Platz im Oberhaus. So einfach ist das.

Hamburger Relegationsharakiri

Es wird höchste Zeit, dass gerade der HSV und Wolfsburg (nochmal, mir ist schon klar, dass beide noch nicht abgestiegen sind) sich in der zweiten Liga endlich einmal mit sich selbst beschäftigen. Was läuft da eigentlich seit Jahren so katastrophal daneben? Welche Strukturen stimmen nicht, wenn Geld doch genug da ist? Der HSV spielt gefühlt die letzten Jahre schon gewohnheitsmäßig das Relegationsharakiri, aber nach den üblichen "Wir haben verstanden"-Beteuerungen, lügt man sich wieder in die Tasche.
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Die Spieler des Hamburger SV nach der Pleite in Frankfurt

Fotocredit: Getty Images

Ironischerweise wird Wolfsburg-Coach Bruno Labbadia als HSV-Retter in die Annalen eingehen, weil er vor drei Jahren die Hamburger in der Relegation gegen Karlsruhe vor dem Abstieg bewahrte. Wenn man die Spiele gesehen hat, dann weiß man, dass es weniger Bruno war, sondern mehr Glück als Verstand.
Jetzt also das gleiche Spiel mit Wolfsburg, das von ihm gar nicht gerettet werden will, glaubt man den Stimmen im Verein ("Wir steigen ab, wir kommen nie wieder – wir haben Bruno Labbadia"). Vielleicht ist es ja eher umgekehrt: Überall dort, wo Labbadia auftaucht, geht’s gegen den Abstieg.

Wahre Rettung zweite Liga

Also, ab nach unten! Die alte Mär, dass ein Abstieg nichts besser, sondern alles nur schlimmer macht, ist natürlich Quatsch. Das sieht man schon an den beiden Kultklubs, die nächste Bundesliga-Saison wieder dazustoßen, und die in der Zweitklassigkeit offenbar die richtigen Schlüsse aus ihren Miseren gezogen haben: Fortuna Düsseldorf und die "Glubberer" aus Nürnberg sind mir allemal lieber als die notorischen Selbstbelüger aus der Hansestadt oder die Angsthasen aus der Autostadt.
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