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Bundesliga | Die Saisonbilanz des LIGAsthenikers: Über ein armes Schwein

Thilo Komma-Pöllath

Update 20/05/2019 um 15:35 GMT+2 Uhr

Die Bundesliga ist zu Ende. Es war die spannendste Spielzeit seit sieben Jahren - wenn auch nur für drei Minuten. Am Ende ist aber doch wieder alles beim Alten. Der FC Bayern ist Meister, Uli und Kalle sind wie immer uneinig und insgesamt schreibt die besten, traurigsten und rührendsten Geschichten der deutsche Rekordmeister. Der LIGAstheniker zieht Saisonbilanz - und vergibt fünf Awards.

Niko Kovac

Fotocredit: Getty Images

Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath
Und wieder geht eine fantastische Bundesliga-Spielzeit zu Ende. Die ausgeglichenste Liga Europas hatte in diesem Jahr zumindest "drei Minuten Spannung" zu vermelden, wie "Spiegel Online" notierte. Das ist doch mal was.
Gemeint waren jene drei Minuten am letzten Spieltag, als Eintracht Frankfurt bei den Bayern der Ausgleich gelang, Dortmund in Gladbach führte und die Fantasie noch ein weiteres Frankfurter Tor erzielte, während die Realität drei Minuten später begann, den ersten von vier weiteren Münchner Treffern zu schießen.
Soviel also zur spannendsten Saison seit sieben Jahren, was nichts daran änderte, dass zum siebten Mal in Folge der FC Bayern München Deutscher Meister wurde. Völlig zu Recht übrigens. Einen derart schüchternen Zweitplatzierten hat es in der jüngeren Geschichte der Liga auch selten gegeben. Es wundert also nicht, dass die allermeisten Bundesliga-Awards 2018/19 an die Bayern gehen:

Den Preis für "Das ärmste Schwein der Liga"

Ihn bekommt in diesem Jahr - Trommelwirbel, La Ola, Humpta Humpta Tätärää – Sie haben es geahnt, Niko Kovac. Ein noch relativ junger Trainer, der in das Himmelfahrtskommando des unvollzogenen Bayern-Umbruchs geschickt wurde, der das nicht nur ganz ordentlich gemacht hat, sondern auch mindestens einen Titel geholt hat, wird nahezu die gesamte Spielzeit vom eigenen Vorstandsvorsitzenden in Frage gestellt.
Kovac selbst wirkte bei der üblichen Weißbiermeisterdusche im Stadion wie auf Psychopharmaka. Er selbst hat durchaus in bemerkenswert offener Manier über seine Situation gesprochen. Einmal bemühte er eine fast biblische Metapher von der Wange, auf die man eine Watschen bekomme. Dass er auch die andere Wange hinhalten würde, davon war nicht die Rede. Aber von den Schmerzen in der "Seele".
Gerüchten zufolge möchte er heute den ersten Betriebsrat in der Geschichte des FC Bayern gründen. Angekündigt haben sich neben Kovac, Boateng und James Rodríguez. TOP 1 lautet: Maßnahmen zum Kündigungsschutz.
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Kovac glaubt an Bayern-Zukunft: "Höre raus, in welche Richtung es geht..."

Den Preis für "Die kaltblütigste Vereinsführung"

Geht an - auch das nicht überraschend - Karl-Heinz Rummenigge. Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern ist ganz offensichtlich ein Mensch, der ohne jegliche Gefühle, Mitgefühle oder Emotionen auf die Welt kam. Insofern ist er der erste Mensch, der sich auf Augenhöhe mit der Künstlichen Intelligenz bewegt.
Warum man KI mit so viel Tamtam und Algorithmusgefasel erst erfinden muss, wenn es doch die Rummenigge-Intelligenz bereits seit 63 Jahren auf Mutter Erde gibt, muss man die Wissenschaft noch mal fragen. Eines ist sicher: Selbst ein Roboter hätte mehr Gespür gehabt im Umgang mit seinem ersten Angestellten.
Dass ausgerechnet dieser Rummenigge im Oktober eine Pressekonferenz einberief und den Umgang der Öffentlichkeit mit Verein und Spielern als Verletzung der Menschenwürde geißelte und für reichlich Spott sorgte, wird somit erst heute vollständig plausibel: Wie soll ein Rummenigge auch wissen, was die Würde eines Menschen ausmacht, wenn man selbst einer anderen Intelligenz angehört.

Den Preis für "Die rührseligste Tatterigkeit"

Diesen bekommt in diesem Jahr: Uli Hoeneß. Dafür genügte allein sein Auftreten am letzten Spieltag gegen Frankfurt. Da schießt ein 36-jähriger, finanziell unabhängiger Franzose ein Fußballtor und Hoeneß kommen die Tränen als wäre sein Hund gestorben. Als die Südkurve nach Schlusspfiff Niko Kovac mit Sprechchören feiert, hat das nicht Niko Kovac gut getan, nein, "das hat mir gutgetan", darauf besteht Hoeneß.
Offensichtlich hat der Bayern-Präsident, wir ahnten es immer, Gefühle für zwei. Oder elf. Wie auch immer. Das Dumme ist nur, dass sein Hassfreund Rummenigge davon nix abhaben will. Was den Spaltgraben in der Bayern-Führung erklärt.
Dass sich da zwei in der Tiefe ihres persönlichen Abgrunds ablehnen, dürfte dann öffentlich werden, wenn sie aus Staatsräson ("Der FC Bayern muss jedes Jahr das Triple holen") nicht mehr so tun müssen, als wären der Kalle und der Uli die besten Kumpels.

Den Preis für "Die größte Angsthasigkeit"

Geht 2018/19 an BVB-Trainer Lucien Favre. Der Schweizer, den so viele für einen großartigen Trainer halten und der in seiner Karriere so gut wie noch nix gewonnen hat, hat in dieser Saison eindrucksvoll gezeigt, warum er nix gewinnt. Sagen wir so: Seine Öffentlichkeitsarbeit, seine Ausstrahlung nach außen, seine mitreißende Wirkung auf Spieler – ein Desaster.
Da reichen auch neun Punkte Vorsprung nicht. Nach der verlorenen Meisterschaft räsonierte er am Samstag darüber, wie wichtig Titel als Krönung seien, um darin zu schließen:
Wir sind sehr zufrieden mit der Saison.
Sein wichtigster Spieler, Kapitän Marco Reus, war nicht sehr zufrieden mit der Saison. Das konnte jeder sehen. Nach der Niederlage im Revierderby Anfang Mai, drei Spieltage vor Schluss, hatte er den Titel abgehackt. Das ist das Problem, wenn die Spieler mehr wollen als der Trainer.
In München wird deshalb Herr Kovac monatelang in schäbiger Art und Weise demontiert, während Watzke & Co. offensichtlich nicht genug bekommen können von ihrem Cheftrainer. Lucien Favre, der auch bei den Bayern im Gespräch war, wäre in München eingegangen wie eine Primel. Herr Rummenigge mag auch keine Blumen.

Den Preis für "Die wichtigste Spielerentdeckung"

Geht an: Serge Gnabry. Super-Serge ist schnell, technisch Weltspitze, dribbelstark, im Eins-gegen-Eins einer der wenigen, der international den Unterschied ausmachen kann. Wenn er seinen Afro wachsen lässt, sieht er aus wie der der junge Martin Luther King.
"I have a dream…": Vertrag bis 2040 ohne Ausstiegsklausel, sonst spielt er bald in Liverpool.
Zur Person Thilo Komma-Pöllath:
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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"Uns braucht keiner!" Hecking schießt scharf gegen Trainer-Rauswürfe

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