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FC Bayern München: Freifahrtschein für Niko Kovac? Was der Trainer jetzt ändern muss

Florian Bogner

Update 09/10/2018 um 11:57 GMT+2 Uhr

Uli Hoeneß stellt Niko Kovac beim FC Bayern München eine Jobgarantie aus: "Bis aufs Blut!" Jetzt ist der Trainer gefordert, das in ihn gesetzte Vertrauen wieder mit Leben zu füllen. Die sieglose Serie der Bayern hat Spuren hinterlassen, die Probleme sind offensichtlich vielschichtig - aber nicht unlösbar. An diesen Punkten muss der neue Coach jetzt ansetzen.

Niko Kovac, Joshua Kimmich (FC Bayern München)

Fotocredit: Getty Images

Ein ehemaliger Bayern-Trainer sagte mal, der FC Bayern passe ihm wie ein warmer Mantel - allerdings nicht mal zwei ganze Jahre, dann war das Abenteuer Louis van Gaal für den deutschen Rekordmeister vorbei.
Niko Kovac war bislang nicht so töricht, ähnliches zu behaupten. Die bayrische Tracht stand ihm auf dem Münchner Oktoberfest zumindest schon mal gut. Aber sein anfänglich zur Schau getragenes Selbstbewusstsein hat durch die Serie von vier sieglosen Spielen deutliche Kratzer erhalten.
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FC Bayern München auf der Wiesn: Karl-Heinz Rumenigge und Niko Kovac

Fotocredit: Getty Images

Da konnte der 46-Jährige am Sonntag auf dem Münchner Oktoberfest noch so tapfer über seinen Maßkrug hinweglächeln, da konnte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge noch so symbolisch eng an seinen Trainer ran rücken, da konnte Uli Hoeneß noch so martialisch seine uneingeschränkte Rückendeckung propagieren - die nächsten Wochen werden ungemütlich für Kovac. Weil Bayern siegen muss.
Es muss sich was ändern bei Bayern, da sind sich alle Beteiligten einig. Nur was? Und wobei ist speziell der Trainer gefordert? Drei Dinge, die Kovac jetzt angehen muss.

Offensive resetten

Versemmelte Bayern gegen Augsburg (1:1) und in Berlin (0:2) noch eine Vielzahl an Chancen, brachte die Kovac-Elf gegen Ajax (1:1) und Gladbach (0:3) gerade mal vier bzw. drei Schüsse aufs Tor zustande.
"Wir schaffen es im Moment nicht, dass wir uns über die Außen durchsetzen. Das ist ein entscheidender Punkt. Und über die Mitte schaffen wir es auch nicht. So werden wir wenige Tore schießen", sagte Kovac nach dem Gladbach-Spiel, was einer Bankrotterklärung gleichkam.
Gegen Amsterdam spielten die Bayern beispielsweise 90 Pässe ins Angriffsdrittel, konnten sich dort aber zu selten durchsetzen (nur fünf erfolgreiche Dribblings). "Das ist einfach zu wenig für uns, das ist nicht Bayern München", sagte Manuel Neuer.
Robert Lewandowski wurde zuletzt kaum mal in aussichtsreiche Abschlusssituationen gebracht, verhungerte gegen Gladbach mit nur 16 Ballaktionen.
Kovac erklärte zwar vor der Saison, etwas am Ballbesitzfußball der Bayern ändern zu wollen - de facto hat sein Team diese Saison aber mehr Ballbesitz als im Vorjahr (68,6 Prozent gegenüber 64,2 Prozent 17/18).
Direkter und zielstrebiger, damit aber auch risikobehafteter zu spielen fällt den Bayern offenbar nicht so leicht wie gehofft. "Speziell bei Rückständen verfallen wir in alte Muster", kritisierte Mats Hummels.
Ironisch, dass Kovac während der WM als Kolumnist für die "FAZ" genau das analysierte, was den Bayern in den letzten Spielen zum Verhängnis wurde ("Ohne Geschwindigkeit bringt Ballbesitz heutzutage nicht mehr viel. Und wenn die Spieler im Laufe der Endlos-Kombinationen auch noch weit vorrücken, wird der Ballbesitzfußball sogar gefährlich, weil bei Ballverlust so viele Räume für den Gegner zum Kontern entstehen.")
Seine Ankündigung bei seiner Vorstellung, er wolle "den Spielstil der letzten Jahre beibehalten, aber schon das eine oder andere modifizieren", hat Kovac bisher jedenfalls noch nicht sichtbar in die Tat umgesetzt.
Einfach wird's auch die nächsten zwei Wochen nicht; in der Länderspielpause sind zehn seiner fünfzehn aktuell fitten Feldspieler unterwegs. Immerhin hat er mit Sandro Wagner, Franck Ribéry, Arjen Robben und Serge Gnabry aber wenigstens vier potente Offensivspieler zur Verfügung.

Kabine zurückgewinnen

Dietmar Hamann ist zwar nicht mehr allzu nah am FC Bayern dran - was der TV-Experte jedoch am Sonntag bei "Sky90" vom Stapel lies, warf kein gutes Licht auf die Bayern-Kabine.
"Ich habe die Befürchtung, dass diese Mannschaft charakterlich nicht zusammenpasst. Einige Spieler - ich möchte da keine Namen nennen - stellen ihr eigenes Wohl über das Gesamtwohl des Vereins", sagte der Ex-Bayer. Und weiter:
Solange die Vereinsführung den Spielern Gehör gibt und sie bei Problemen nicht zum Trainer schickt, wirst du eine Situation kreieren, die den FC Bayern irgendwann untrainierbar macht.
Öffentlich den Trainer kritisiert hat noch kein Spieler, Unzufriedenheiten sind aber klar zu spüren. So verstehen einige Spieler das Rotationsprinzip des Trainers nicht, sollen unzufrieden damit sein, nach starken Leistungen aus der Mannschaft genommen worden zu sein. Andere (Wagner, Gnabry, James) sind unzufrieden, weil sie zu oft auf der Bank sitzen. Ein echtes Leistungsprinzip gibt es dabei nicht.
Die Aufgabe für Kovac: Sich selbst durch bessere Moderation der Rotation weniger angreifbar machen - und den Spielern klar machen, wer der Boss ist. "Es bringt nichts, wenn jetzt jeder anfängt, irgendwem die Schuld zuzuschieben. Jeder muss draufpacken", sagte Niklas Süle schon mal einsichtig.
Sportdirektor Hasan Salihamidzic, laut "Bild" bei den Spielern ebenfalls nicht unumstritten, fordert derweil unmissverständlich:
Wir müssen das nächste Spiel gewinnen. Das werden wir nur schaffen, wenn wir alle wieder zusammenrücken und sich jeder an die eigene Nase packt. Dann wird es wieder aufwärts gehen.

Mindset ändern

Krise hier, Siegpflicht da - man hat fast den Eindruck, Kovac hat bereits in den ersten Bayern-Wochen mehr zu verlieren als er mit der aktuellen Mannschaft je gewinnen könnte.
Klar, der Anspruch beim FC Bayern München ist immer der höchste, die Meisterschaft jedes Jahr Pflicht, dazu soll am besten auch der DFB-Pokal eingesackt und ganz nebenbei noch Europa erobert werden.
Die Realität ist jedoch: Bayern steckt personell im Übergang, hat den Umbruch jedoch durch die ausbleibenden Investitionen in den Kader vertagt und damit die Saison auch ein bisschen abgeschenkt.
Statt also fortwährend verkniffen Druck aufzubauen (Kovac: "Wir müssen zusehen, dass wir schleunigst, aber wirklich schleunigst wieder so auftreten, wie wir uns das alle vorstellen"), könnten die Bayern auch die Erzählweise ändern und sich, trotz aller finanzieller Übermacht in Deutschland, im Aufbaustadium eines neuen Zyklus neu definieren - beispielsweise als hungriger Jäger der Top-Klubs in Europa und national eben nicht mehr als naturgegebenes Nonplusultra.
Intern sollte Kovac dagegen weiterhin auf Verstärkungen pochen, die dann vielleicht auch eher seiner Spielidee - weniger Ballbesitz, mehr Geschwindigkeit - entsprechen. Dass er mit dem dünnen Kader nämlich aktuell alles andere als zufrieden ist, trieft derzeit aus jedem seiner noch diplomatischen Statements heraus.
Ehrlich war am Sonntag in der Beziehung nur Kovacs Aussage nach Alabas (am Ende doch nicht so schlimmer) Verletzung: "Jetzt ist genau das eingetreten, was ich befürchtet habe - wir haben keine Außenverteidiger."
Sich einerseits Aussagen zum Thema Kaderbreite verkneifen, die Frustration dann aber doch durchschimmern lassen, ist jedenfalls nicht ratsam und lässt auch nicht auf eine positive Grundeinstellung schließen.
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