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Sigi-Heinrich-Blog | Der FC Bayern ist nur noch traurig

Sigi Heinrich

Update 27/11/2018 um 20:24 GMT+1 Uhr

Die Verbannung von Paul Breitner von der Ehrentribüne war die nächste sonderbare Blüte, die die Abteilung Attacke des FC Bayern hervorbrachte. Die Probleme liegen jedoch wesentlich tiefer, wie Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich in seinem Blog schreibt. Er beleuchtet die Rolle von Präsident Uli Hoeneß und bemängelt das Fehlen von Visionen.

Thomas Müller (FC Bayern München)

Fotocredit: Getty Images

Jetzt wird es richtig gemein. Wieder steht für den normalen Fußballfan ein Platz weniger in der Allianz-Arena zur Verfügung, denn Paul Breitner will sich jetzt eine Karte kaufen, falls ihn tatsächlich die Lust ereilen sollte, ein Spiel seines FC Bayern München zu sehen.
Früher war er gerne gesehener Gast im Ehrenbereich - er ist schließlich Ehrenspielführer! Da bekommt man Häppchen und Bierchen und einen schönen Platz umsonst. Jetzt hat ihn sein Präsident, der alte Weggefährte Uli Hoeneß, in die trostlose Verbannung des heimatlichen Wohnzimmers geschickt. Weg mit ihm, dem Nestbeschmutzer. Getreu dem Motto: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Da kennt der Uli kein Pardon.

Gigantisches, lautes Ablenkungsmanöver

Am Ende wurde Breitner gar zu seinem Glück gezwungen. Samstag frei! Schön ist das doch und außerdem weiß er, dass er nur wie viele andere gerade ein Bauernopfer ist und Teil der Strategie eines gigantischen Ablenkungsmanövers, das die Versäumnisse der Führung in München in den letzten Jahren kaschieren soll. Statt Umbruch und Aufbruch gab es einen veritablen Einbruch, den natürlich jetzt der aktuelle Trainer zu verantworten hat. Niko Kovac wird der nächste sein, der dafür büßen muss, dass Hoeneß und Rummenigge in den vergangenen Jahren zu zögerlich waren bei der Zukunftsgestaltung des FC Bayern.

Achse Thiago, Tolisso, James vernachlässigt

Mit Robben, Ribéry, Rafinha wurde noch mal verlängert. Zumindest die ersten genannten Akteure sind keine Ergänzungsspieler und ziehen ziemlich schnell eine Schnute, wenn sie nicht spielen. Ärger ist programmiert. Viele verletzte Spieler erschweren ein dauerhaftes taktisches Konzept, eine Idee, wenn überhaupt vorhanden. Noch dazu hat Kovac durch zu viel Rotation von Anfang den Motor nicht richtig in Schwung gebracht. Wer Thiago hat, Tolisso und vor allem einen James, der hat ein Wahnsinnspotenzial. Das wäre eine Achse, die auch vom Alter her in der Lage wäre, den FC Bayern in die nächste Ära zu führen. Doch diese hat man schon vor den Verletzungen dieses Trios vernachlässigt. Der FC Bayern hat sich augenscheinlich nie hinterfragt, wie er spielen will. Die Maxime war immer: Meister eh, Pokalsieger wahrscheinlich, Champions-League-Sieger praktisch nicht mehr zu verhindern. Erfolge hatte man im Kopf, keine taktische Ausrichtung. Keine Visionen.
Louis van Gaal hat mit seiner Grundordnung die Münchner dereinst umgekrempelt. Guardiola hat den Ballbesitzfussball perfektioniert. Ihm wurden Wunschspieler zur Seite gestellt. Kovac musste nehmen, was da ist, ohne dass er eigene personelle Vorstellungen einbringen konnte. Carlo Ancelotti war ein Fehlgriff. Aber eben ein großer Name und er hatte das Champions-League-Gen, so dachten die Münchner, die sich natürlich damit brüsteten, dass auch die gefragtesten Trainer ihrem Lockruf folgen.
Sollten sie Kovac wirklich über die Klinge springen lassen in München, trotz noch vor ein paar Tagen erfolgter Treueschwüre, tanzt vermutlich Arsène Wenger an, denn der Name hätte schon auch irgendwie Glanz. Mehr als Hütter, Favre, Hecking, Hasenhüttl oder Tuchel und so. Wenger? Legende!

Nur Heynckes hat das Hauptproblem gelöst

Das würde vornehmlich auch darüber hinwegtäuschen, dass die Münchner ein dickes Problem haben, das teilweise nur Jupp Heynckes erkannt hat und lösen konnte (allerdings auch nicht mehr im Pokalfinale gegen Frankfurt): Die Mannschaft ist in ihrer Struktur träge geworden.
Einmal hat der FC Bayern in dieser Saison gezeigt, dass noch Blut in seinen Adern fließt: Gegen Dortmund. Ein Traumspiel, von beiden Teams. Danach? Fehlanzeige. Lethargie, weil wieder grauer Alltag. Und der ist nichts für Münchner Kicker. Wer oder was sind Freiburg und Düsseldorf? Dass er sein Team nicht entsprechend einstellen konnte für solche Spiele, das kann man Kovac sicher anlasten, denn das ist auch seine Kernaufgabe.
Traurig das alles. Wenn die Abteilung Attacke so sonderbare Blüten hervorbringt wie zuletzt beim FC Bayern, kann man erahnen, wie groß die Probleme sind und die Verunsicherung. Wer so viel schreit und dazu noch alte Freunde brüskiert, hat selten recht und lenkt damit nur von eigenen Unzulänglichkeiten und Fehlern ab.
Der FC Bayern ist das Aushängeschild des deutschen Fußballs. Aber beim Thema Kurskorrektur hat ein anderer Verein die Nase vorn: Borussia Dortmund.
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