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Bayer Leverkusen | Nadiem Amiri über Ambitionen und die Gefahren des Bosz-Systems

Tobias Hlusiak

Update 13/09/2019 um 14:25 GMT+2 Uhr

Nadiem Amiri wechselte zu Beginn dieser Saison von 1899 Hoffenheim zu Bayer 04 Leverkusen. Er wollte unbedingt den nächsten Schritt in seiner Karriere machen. Auch weil sein neuer Trainer Peter Bosz dem Neu-Leipziger Julian Nagelsmann etwas ganz bestimmtes voraus hat. Darüber spricht der U21-Europameister im exklusiven Interview mit Eurosport.de vor dem Topspiel gegen Borussia Dortmund.

Nadiem Amiri

Fotocredit: Imago

Das Interview führte Tobias Hlusiak
Herr Amiri, wie sind die ersten Wochen im neuen Job gelaufen?
Nadiem Amiri: Ich fühle mich sehr, sehr wohl bei Bayer. Sowohl von Vereinsseite aus als auch von der Mannschaft aus ist mir die Eingewöhnung sehr einfach gemacht worden. Ich habe gar nicht das Gefühl, dass ich neu hier bin. Jetzt werde ich auch langsam immer fitter. Am Wochenende bin ich topfit für das Spiel gegen den BVB.
Im vergangenen Sommer haben Sie die U21-EM gespielt, danach erst Urlaub gemacht. Dementsprechend spät kamen Sie zu ihrem neuen Team. Hat Sie das in der Vorbereitung beeinträchtigt?
Amiri: Das war für mich tatsächlich schwerer als gedacht. Mir gingen im Urlaub viele Gedanken durch den Kopf, was meinen Vereinswechsel angeht. Die Verhandlungen haben sich hingezogen. Als dann alles in trockenen Tüchern war, war ich sehr erleichtert. Jetzt bin ich einfach nur dankbar und stolz, dass ich für Bayer 04 spielen darf.
War Leverkusen immer die erste Wahl? Es gab ja auch andere Angebote ...
Amiri: Für meinen nächsten Schritt ist Bayer 04 der perfekte Verein. Das ist für mich jedoch kein Sprungbrett. Hier kannst du auch zehn Jahre bleiben und alles ist gut. International ist Bayer 04 sehr bekannt, in Deutschland schon lange einer der besten Vereine, für junge Spieler sowieso. Ich habe hier alles, kann Champions League spielen und kenne schon einige der Jungs.
Wer hat Sie endgültig vom Wechsel überzeugt?
Amiri: Rudi Völler war in Kontakt mit meinem Berater. Ich habe mich mit Simon Rolfes und dem Trainer zusammengesetzt. Peter Bosz hat mir imponiert. Seine Art, über Fußball zu reden und seine Spielphilosophie finde ich super. Das passt einfach zu mir.
Sieben Jahre haben Sie in Hoffenheim gespielt, sind A-Jugend-Meister, später Profi und Stammspieler geworden. Warum war der Wechsel jetzt nötig?
Amiri: Erstmal will ich sagen, dass ich der TSG sehr dankbar bin. Den Verein werde ich immer im Herzen tragen, er ist mein Zuhause. Aber ich habe nach der vergangenen Saison extrem gespürt, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt für den nächsten Schritt in meiner Karriere ist. Ich wollte zu einem der Top-Vereine in der Liga wechseln und dauerhaft in der Champions League spielen. Das war immer mein ganz großes Ziel.
In der Champions League hat Bayer eine Gruppe mit Juventus Turin, Atlético Madrid und Lokomotive Moskau zugelost bekommen. Das dürfte schwer werden ...
Amiri: Mein absoluter Traum ist in Erfüllung gegangen: Ich darf gegen Cristiano Ronaldo spielen. Er ist mein Idol, seit ich ein kleiner Junge bin. Noch heute schaue ich vor den Spielen im Bus seine Videos. Jetzt gegen ihn zu spielen, ist für mich das Allergrößte. Ich freue mich aber auch auf Atlético und Moskau. Beides sind geile Gegner. Hoffentlich können wir in der Gruppe zeigen, was wir können und möglichst weiterkommen.
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Nadiem Amiri und Leon Bailey von Bayer 04 Leverkusen

Fotocredit: Imago

34 Minuten Bundesliga stehen in den ersten drei Spielen bislang für Sie zu Buche. Sieben gegen Düsseldorf, 27 gegen Hoffenheim. Haben Sie sich ihren persönlichen Saisonstart anders vorgestellt?
Amiri: Ich kam ja erst zwei Wochen vor Bundesliga-Start zur Mannschaft und hatte wegen der U21-EM und des Wechsels vorher nur eine Woche in Hoffenheim trainiert. Von Beginn an zu spielen wäre da zu früh gekommen. Ich hätte noch gar nicht alles zeigen können. Der Verein hat mich bis jetzt top aufgebaut, Geduld mit mir gehabt. Gegen Hoffenheim habe ich schon eine halbe Stunde gespielt. Jetzt bin ich noch fitter und bereit für längere Einsatzzeiten.
Wo sehen Sie in der Mannschaft denn selbst ihren Platz? Auf der offensiven Außenbahn oder doch eher im Zentrum, wo in Kai Havertz und Kerem Demirbay zwei Nationalspieler spielen?
Amiri: Ich kann auf beiden Achterpositionen oder auf den Flügeln spielen. Da bin ich nicht festgelegt. Es ist gut, dass der Trainer variabel spielen lässt. In seinem System bist du ja eigentlich kein Achter, wenn du auf der Acht spielst. Man kann die Positionen verschieden ausleben, überall sein. Da sollte ich einen Platz finden.
In ganz Deutschland wird über den neuen Leverkusener Stil unter Bosz diskutiert. Neutrale Zuschauer haben viel Spaß daran, das Spiel ist sehr offensiv. Wie denkt das Team über diese Spielweise?
Amiri: Das ist eigentlich ganz einfach. Wenn es alle gut machen, ist es überragend. Wenn einer sich nicht an die Vorgaben hält, wird es gefährlich.
Und im Moment wird noch zu häufig geschlafen? Der Trainer war ja nicht immer zufrieden. Selbst nach Siegen, wie gegen Paderborn...
Amiri: In der Bundesliga kann man nicht alles verteidigen, dafür haben die Teams zu viel Qualität. Es ist aber von Spiel zu Spiel schon besser geworden. Darauf wollen wir weiter aufbauen.
Sie haben unter Julian Nagelsmann in Hoffenheim gespielt, jetzt unter Bosz. Das sind zwei Trainer, die wegen ihres Stils oft besprochen werden. Was unterscheidet sie voneinander?
Amiri: Julian ist während des Spiels viel aktiver am Spielfeldrand. Das ist der offensichtlichste Unterschied. In Sachen Fußball kann man beiden nichts vormachen. Sie wollen den Ball haben, das Spiel gestalten. Auch in Leipzig lässt Nagelsmann extremes Pressing spielen, das machen wir unter Peter Bosz auch. Von daher ähneln sie sich natürlich schon. Allerdings hat unser Trainer natürlich mehr Erfahrung.
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Nadim Amiri (TSG 1899 Hoffenheim)

Fotocredit: Getty Images

Das klingt, als käme ihnen das entgegen ...
Amiri: Herr Bosz ist eher ein etwas ruhigerer Typ. Julian war immer sehr laut. Hier haben wir als Spieler mehr Ruhe. (lacht)
Zittersieg gegen Paderborn, klare Sache gegen Düsseldorf, 0:0 gegen Hoffenheim. Bayer ist nach drei Spieltagen punktgleich mit dem FC Bayern. War das jetzt ein guter Saisonstart oder wäre eigentlich noch mehr machbar gewesen?
Amiri: Neun Punkte wären super gewesen. Die hatten wir uns auch eigentlich verdient gehabt. Gegen Hoffenheim haben wir in der letzten halben Stunde extrem Dampf gemacht. Da haben wir es verpasst, ein Tor zu erzielen. Aber ich habe von vielen Leuten gehört, dass der Saisonstart hier in Leverkusen in den vergangenen drei Jahren jeweils nicht so gut war. Von daher sind sieben Punkte ordentlich und wir fahren mit breiter Brust nach Dortmund zum Topspiel.
Dortmund hatte einen ganz guten Start, hat dann bei Union Berlin verloren. Ändert das etwas an der Favoritenrolle?
Amiri: Ich habe nicht den Eindruck, dass wir schwächer als der BVB sind. Über Dortmund wird viel geredet, wegen der vielen Neuzugänge, das ist klar. Wir wollen aber dort hinfahren, ein gutes Spiel machen und möglichst drei Punkte mitnehmen. Fertig.
Das wäre ein Ausrufezeichen. Glauben Sie, dass die Mannschaft in diesem Jahr ganz oben mitspielen kann?
Amiri: Ich bin hierher gekommen, um mich durchzusetzen und irgendwann auch Titel zu gewinnen. Ich spüre, dass hier in der Stadt alle eine ähnliche Einstellung haben. Wir gehören in der Bundesliga definitiv nicht zu den Titelkandidaten. Wenn aber alles perfekt läuft, können wir sicherlich auch ganz oben anklopfen. Der Samstag wäre ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen.
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Nadiem Amiri (U21 Deutschland)

Fotocredit: Getty Images

Ganz persönlich haben Sie in den letzten Jahren die deutsche U21 geprägt. Nun läuft der Neuaufbau in der A-Nationalmannschaft. Warum ohne Nadiem Amiri?
Amiri: Ganz einfach, weil in der Mitte noch sehr, sehr gute Spieler da sind. Die sind schon jahrelang auf Top-Niveau und spielen da auch zurecht. Ich habe in der U21 über zwei Jahre Vollgas gegeben, war immer Stammspieler. Bei der EM habe ich auch gezeigt, was ich drauf habe. Wenn ich mich jetzt in Leverkusen durchsetze, habe ich sicherlich gute Chancen. Dafür gibt es in der Vergangenheit viele Beispiele.
Sie haben mal in einem Interview gesagt, dass Afghanistan eine Alternative wäre, falls es mit der deutschen Nationalmannschaft nicht klappt. Steht das wirklich im Raum?
Amiri: Ich bin nur auf Deutschland fokussiert. Mein Traum ist es, unbedingt für die Nationalmannschaft aufzulaufen. Ich gebe immer mein Bestes, damit ich eines Tages von Herrn Löw eingeladen werde. Wenn ich aber irgendwann merken sollte, dass wirklich nullkommanull Chance da ist, dann werde ich für Afghanistan spielen. Das ist das Land meiner Eltern, die Wurzeln meiner Familie liegen dort.
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