FC Bayern: Was dem Meister noch zur Meisterform fehlt
Update 12/02/2020 um 11:38 GMT+1 Uhr
Der FC Bayern München behauptet erstmals in dieser Saison die Spitzenposition in der Bundesliga - wähnt sich aber noch lange nicht zum Durchmarsch bereit. Dazu müssen erstmal die zurückkommenden Spieler wie Lucas Hernández und Kingsley Coman auf ihr altes Niveau und die Mannschaft generell zur wie gegen Schalke (5:0) zur Schau gestellten Dominanz zurückfinden. Sonst bleibt das Gebilde fragil.
Hans-Dieter Flick und Julian Nagelsmann saßen am Sonntagabend sehr einträchtig nebeneinander auf dem Podium, und wäre man zuvor nicht Zeuge einer Nullnummer zwischen dem FC Bayern München und RB Leipzig geworden, man hätte nicht unbedingt meinen können, dass die Teams der beiden offensiv denkenden Trainer gerade torlos geblieben waren.
Der eine, Flick, war "happy", weil Bayern trotz guter Chancen des Gegners zu Null gespielt und damit die Tabellenführung behauptet hatte, der andere, Nagelsmann, weil Leipzig sich nach schwieriger Anfangsphase in München behauptet und dort erstmals gepunktet hatte.
Bayern fehlt (noch?) das Stehvermögen
"Wir wollen diese Position jetzt halten. Dass es schwer wird, wissen wir alle", mahnte Tabellenführer Flick, wohl wissend, dass die Meisterschaft für Bayern im achten Jahr in Folge alles andere als ein Selbstläufer ist.
Denn den Bayern, so zeigte die zweite Halbzeit gegen Leipzig einmal mehr, fehlt aktuell noch das Stehvermögen, um 90 Minuten die Dominanz früherer Tage auszustrahlen.
Der Gala-Auftritt beim 5:0 gegen den FC Schalke 04 vor ein paar Wochen, an den sich alle Bayern-Verantwortlichen dieser Tage so gerne zurückerinnern, war wohl eher ein Ausreißer nach oben; gegen Mainz (3:1), Hoffenheim (4:3) und Leipzig (0:0) taten sich die Bayern vor allem in der zweiten Halbzeit deutlich schwerer.
Körperlich wie mental geschlaucht
"Wir müssen wieder dahin zurückkommen, wie wir gegen Schalke gespielt haben", fordert Sportdirektor Hasan Salihamidzic deshalb:
Wir müssen schauen, dass wir wieder unser Spiel aufziehen und wieder unser hundertprozentiges Leistungsvermögen abrufen. Wir müssen versuchen, wieder das Dominante an den Tag zu legen, wir müssen den Ball besser laufen lassen und uns wieder in der gegnerischen Hälfte festsetzen.
Wozu es vor allem fitte und geistig frische Spieler benötigt. Zu oft hatte Flick in den letzten Monaten auf dasselbe Dutzend Feldspieler bauen müssen – Winterpause hin oder her. Youngster Alphonso Davies stand beispielsweise in jedem der 15 Pflichtspiele unter Flick in der Startformation – das schlaucht körperlich wie mental.
Flick hofft auf Power von der Bank
Negativ, dass sich zuletzt auch Ivan Perisic mit einem Knöchelbruch abmeldete. Positiv, dass nach verpasster Vorbereitung nun zumindest wieder Robert Lewandowski, Serge Gnabry, Lucas Hernández und Kingsley Coman zur Verfügung stehen.
"Der ein oder andere Spieler ist noch nicht bei hundert Prozent", weiß Flick, "aber wir haben Woche für Woche jetzt Spieler hinzubekommen und wenn die Fitness dieser Spieler besser wird, bin ich froh." Der Bayern-Trainer weiter:
Ich denke, dass uns das jetzt gut tut in den anstehenden englischen Wochen. Das ist ganz wichtig.
Bayern braucht Coman in Top-Form
Um dauerhaft zurück zur Brillanz zu finden, braucht es aber konstant konzentrierte Leistungen auf höchstem Niveau. Gegen Leipzig konnte das zentrale Mittelfeld mit Joshua Kimmich und Thiago trotz enorm vieler Ballkontakte keine Dynamik entwickeln, vorne kam oft der letzte Pass nicht an. Es fehlte an Präzision.
Stürmer Lewandowski misslang zudem zu oft der erste Kontakt. Und weil Coman erst in den letzten Minuten kam, spielte Bayern die halbe zweite Halbzeit ohne echten Flügelstürmer. Umso wichtiger für die Münchner, dass Coman nach seinem zum Hinrunden-Ende erlittenen Kapseleinriss im Knie schnell wieder Fuß fast.
"Er weiß, um was es jetzt für uns geht und dass er ganz schnell in Top-Form kommen muss", sagt Salihamidzic: “Unsere Außenspieler sind ganz wichtig für unser Spiel und deswegen wissen die alle, dass sie fit werden müssen.”
Denn über die Außen sorgt Bayern für Entlastung, hier geht’s um die wichtigen Eins-gegen-Eins-Duelle. Ist der Flügel besetzt, macht es zudem das Spiel breiter. Mit Thomas Müller und Philippe Coutinho als verkappte Außen – wie zeitweise gegen Leipzig – fehlt diese Komponente.
Luxusproblem mit Hernández
Etwas entspannt hat sich derweil die Situation in der Bayern-Abwehr. Zwar fallen Javi Martínez und Niklas Süle weiter aus. Doch Bayern hat mit der Leihe von Rechtsverteidiger Álvaro Odriozola nachjustiert. Und mit Hernández ist nun zumindest eine potente Alternative zurück – wenngleich das Flick sofort vor ein Luxusproblem stellt.
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Denn Davies und David Alaba machten ihre Sache als Linksverteidiger bzw. linker Innenverteidiger zuletzt ausnehmend gut. Als Hernández – auch Linksfuß – nun gegen Leipzig für den angeschlagenen Boateng kam, musste Alaba auf die rechte Innenverteidigerposition weichen. Alles andere als ideal, wie er danach selbst verriet.
"Ich glaube nicht, dass das unbedingt meine Idealposition ist, weil alles irgendwo spiegelverkehrt ist, und ich mich sehr viel umstellen muss", sagte der Österreicher:
Ich würde mich schon links wohler fühlen, wo ich auch meinen starken Fuß habe.
Salihamidzic gefällt Konkurrenzdruck
Denkbar wäre in den englischen Wochen eine Dreierrotation mit Alaba, Lucas und Davies. Selbiges könnte für die zwei rechten Positionen der Viererkette mit Jérôme Boateng, Benjamin Pavard und Odriozola gelten – wenn Flick dem Spanier schon Startelfeinsätze zutraut.
Salihamidzic dagegen gefällt der nun wieder verschärfte Konkurrenzdruck im Team. "Das sind Top-Jungs – das sollen sie selber mal ausspielen. Der Trainer wird schon die richtigen aufstellen", sagt der Sportvorstand in spe.
In der Liga muss Bayern in den kommenden Wochen gegen Köln (A), Paderborn (H), Hoffenheim (A), Augsburg (H) und Union Berlin (A) ran. Viele undankbare Aufgaben. Am Ende zählen aber nur Siege.
Flick glaubt an enges Meisterrennen
"Wir haben die Tabellenspitze schneller zurückerobert als viele neutrale Fans vielleicht erhofft haben", sagte Müller am Sonntag: "Wenn wir in der Winterpause gewusst hätten, dass wir nach dem Leipzig-Spiel einen Punkt vorne sind, hätten wir das absolut genommen."
Dass sich die Bayern nun kontinuierlich an der Spitze absetzen werden, glauben sie jedoch selbst nicht.
"Das ist ja das, was alle wollen, dass eine spannende Meisterschaft gespielt wird", sagte Flick, als er noch neben Nagelsmann saß und schloss:
"Ich glaube, dass wir dem in diesem Jahr auch gerecht werden.
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