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FC Bayern München im Führungsdilemma: Joshua Kimmich alleiniger Leader - Vakuum ohne Manuel Neuer und Thomas Müller

Thomas Gaber

Update 27/01/2023 um 11:34 GMT+1 Uhr

Manuel Neuer fällt bis Saisonende aus, Thomas Müller ist (erstmal) nur Bankspieler - dem FC Bayern München sind in kurzer Zeit die beiden Anführer der Mannschaft auf dem Platz weggebrochen. Die Machtverhältnisse haben sich verschoben, die Verantwortung muss sich auf andere Schultern verteilen. Doch darin liegt das Problem der Bayern: Joshua Kimmich ist als Führungsspieler alleine auf weiter Flur.

Joshua Kimmich

Fotocredit: Getty Images

Erst Sündenbock, dann Retter - Joshua Kimmich erlebte in den ersten beiden Bundesligaspielen nach der langen Winterpause das volle Programm.
Beim 1:1 in Leipzig leitete er mit einem schludrigen Pass das Gegentor ein und bekam anschließend einen öffentlichen Rüffel von Trainer Julian Nagelsmann. "Man kann den Ball auf den Torwart spielen, Yann kann ihn direkt wegschlagen. Er versucht, einen Zielchip zu spielen - einfach klären!", forderte der Coach.
Vier Tage später gegen den 1. FC Köln schweißte Kimmich den Ball in der 90. Minute aus großer Distanz in den rechten Giebel und verhinderte so den totalen Fehlstart des FC Bayern ins Jahr 2023.
Es ist per se nicht Kimmichs Aufgabe, an spielentscheidenden Szenen in den Fokus zu rücken. Als Chef im zentralen Mittelfeld ist er maßgeblich für die Balance und Statik im Bayernspiel verantwortlich.

FC Bayern München: Die Erfolgsachse ist Geschichte

In Abwesenheit des verletzten Manuel Neuer und aufgrund der schwierigen Situation von Thomas Müller als Teilzeitprofi ist der 27-Jährige als Kapitän zudem der verlängerte Arm von Nagelsmann auf dem Platz und infolgedessen wichtigster Führungsspieler.
Neuer wird in dieser Saison nicht mehr spielen und Müller nicht regelmäßig - zumindest nicht in der Startelf. Die einstige Achse Neuer-Kimmich-Müller-Lewandowski, die die Erfolge des FC Bayern in den letzten Jahren wesentlich geprägt hat, ist nahezu komplett weggebrochen. Kimmich ist als letzter Mohikaner übrig geblieben.
Kimmich fühlt sich in seiner Rolle an sich wohl. Er geht auf dem Platz und auch außerhalb gerne voran. Anhand seiner Gestik und Mimik während eines Spiels lässt sich erahnen, ob es bei den Bayern läuft oder nicht. Bei seinen öffentlichen Auftritten legt er den Finger in die Wunde, so wie jüngst nach dem 1:1 gegen Köln.
"Über die erste Halbzeit müssen wir sicherlich reden, gerade was unsere Herangehensweise, Einstellung und Bereitschaft angeht. Das ist relativ einfach zu ändern, es ist ja keine Sache von Technik oder Taktik. Das ist einfach die Bereitschaft. Ich erwarte, dass wir das schnell geändert bekommen", sagte er bei "Sky".
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Mit seinem Gewaltschuss rettete Joshau Kimmich dem FC Bayern einen Punkt gegen Köln

Fotocredit: Getty Images

Joshua Kimmich fehlen Partner auf Augenhöhe

Kimmichs Worte haben bei Bayern Gewicht, im Spielerkollegenkreis wird er sehr geschätzt. Doch es besteht die Gefahr, dass er überfordert wird, weil ihm die Partner auf Augenhöhe fehlen. Müller hat auch als Bankspieler ein hohes Standing, ist in seinen sporadischen Einsätzen aber keine echte Hilfe bei der Führungsarbeit.
Es gibt durchaus Kandidaten, die die Lücken füllen können. Matthijs de Ligt gehört sicher dazu, ist aber noch nicht lange da. Benjamin Pavard ist Weltmeister und Champions-League-Sieger, hat aber zu viel mit sich selbst und seiner Vertragssituation zu tun. Leroy Sané und Serge Gnabry müssen den Anspruch haben, mehr Verantwortung zu übernehmen, ducken sich aber eher weg, wenn es hart auf hart kommt.
Umso mehr wäre Kimmich auf Leon Goretzka angewiesen. Die beiden bilden seit geraumer Zeit das Duo im Mittelfeld und haben jede Menge Erfolge vorzuweisen. Zudem ist Goretzka auch jemand, der gerne den Mund aufmacht und Missstände klar anspricht.
Doch Goretzka musste in der jüngeren Vergangenheit immer wieder körperliche Rückschläge verkraften und hatte daher monatelang keinen Rhythmus. Gegen Köln musste er nach einer schwachen Leistung zur Halbzeit raus, mit Vertreter Ryan Gravenberch waren die Bayern deutlich besser im Spiel. Es ist nicht abwegig, dass mit Goretzka der nächste Spieler mit Führungsqualitäten auf die Bank muss.

Badstuber: "Kenne einen Joshua, der dominanter ist"

Kimmich bräuchte allerdings dringend Unterstützung, zumal seine rein sportliche Leistung Fragen aufwirft, nicht nur wegen des verschuldeten Gegentreffers gegen Leipzig.
"Ich sehe die aktuelle Phase von Joshua Kimmich problematisch", schrieb Holger Badstuber im Blog auf seiner Homepage. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht so ganz, wie ich sein Spiel einschätzen soll. Momentan ist er noch ein großes Rätsel. Er ist viel am Ball, spielt viele Pässe, ist dann aber auch am Gegentor beteiligt. Ich kenne einen Joshua, der aktiver, der dominanter, der präsenter ist - ein Stratege, jederzeit gut für eine Vorlage. Aktuell fehlt bei ihm und seinem Spiel irgendetwas. Für Bayern wäre es wünschenswert, wenn er zurück zu alter Stärke findet, denn viel hängt von seiner Position ab."
Gegen Köln gelang des den Bayern lange Zeit nicht, Tiefe in ihre Offensivaktionen zu bekommen, da Kimmich nicht in der Lage war, den Spielaufbau vernünftig zu gestalten. Während der meist tief in der eigenen Hälfte stand, dachte Nebenmann Goretzka sehr offensiv und spielte bisweilen auf einer Linie mit Jamal Musiala.
Dadurch war Kimmich in der Zentrale oft allein und musste sich vor allem in der ersten Halbzeit mit vielen Quer- und Rückpässen behelfen. Dadurch fehlte dem Bayernspiel lange Zeit die Tiefe.
Nagelsmanns Umstellung in der Pause mit Gravenberch, der sich deutlich näher zu Kimmich positionierte als Goretzka zuvor, zeigte positive Wirkung und kam auch Kimmich zugute.
Die Bayern sind bei Weitem noch nicht wieder im Flow, die zweite Halbzeit gegen Köln geht aber zumindest in die richtige Richtung. Auf Nagelsmann wartet indes noch jede Menge Arbeit, auch hinsichtlich des Vakuums an Führungspersönlichkeiten auf dem Feld. Die Verantwortung in großem Maße einem Spieler aufzudrücken, passt so gar nicht zum Selbstverständnis des FC Bayern.
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