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FC Bayern München: Ancelotti scheitert an der Pep-Hürde - Kater, Carlo?

Florian Bogner

Update 21/04/2017 um 08:58 GMT+2 Uhr

Carlo Ancelotti muss sich nach dem Viertelfinal-K.o. des FC Bayern München in der Champions League bei Real Madrid Kritik anhören. Waren seine Wechsel falsch, hätte er Arturo Vidal vor sich selbst schützen müssen? Mit dem frühen Aus in der Königsklasse hat der Italiener die Hürde von Pep Guardiola - dreimal Halbfinale - unterboten. Und leichter wird die Aufgabe im kommenden Jahr nicht.

Carlo Ancelotti

Fotocredit: SID

Vom FC Bayern berichtet Florian Bogner
Die Aufarbeitung begann für Carlo Ancelotti schon in der Sekunde, in der er das Estadio Santiago Bernabéu verließ.
Um 0:29 Uhr sah man ihn im Mannschaftsbus der Bayern Bilder des Spiels auf einem Tablet analysieren, angeregt unterhielt er sich mit seinem Sohn und Co-Trainer Davide über das eben Erlebte, die bittere 2:4 Pleite nach Verlängerung bei Real Madrid.
Die Bankettrede von Karl-Heinz Rummenigge, dessen Schimpftirade gegen Schiedsrichter Viktor Kassai, ließ er hingegen stoisch über sich ergehen, klatschte während der Ansprache kein einziges Mal. Das übernahm sein Frau Mariann.

Ancelotti stolz auf seine Spieler

Nach nur wenigen Stunden Schlaf reiste der FC Bayern am Mittwochmittag enttäuscht, frustriert und geschlagen aus Madrid ab. Griesgrämig blinzelten sie in die Madrider Sonne, in Gedanken, auch der Coach.
Kater, Carlo?
"Ich bin sehr stolz auf meine Spieler", so das Fazit des 57 Jahre alten Italieners:
Die Mannschaft hat alles gegeben und wir waren sehr nah dran am Halbfinale. So ist aber der Fußball, da müssen wir jetzt mit klarkommen.
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Pressestimmen zu Real Madrid vs Bayern München

Fotocredit: Eurosport

So bitter die Niederlage für Bayern war, so nah man dem Halbfinale gekommen war - Ancelotti wird auch sein eigenes Wirken analysieren müssen. Nicht nur in diesem Spiel.
Da waren zum Beispiel im Hin- wie Rückspiel fragwürdige Wechsel-Entscheidungen, die Bayern-Fans mit der Augenbraue zucken ließen.

Hätte Ancelotti Arturo Vidal schützen müssen?

In München warf die Auswechslung von Xabi Alonso bei Unterzahl Fragen auf; in Madrid nahm Ancelotti dafür Stürmer Lewandowski vom Feld, als Bayern noch ein Tor brauchte. Doch der Coach hoffte offensichtlich auf ein Elfmeterschießen.
Andererseits hätte er wohl Arturo Vidal runternehmen müssen; nach einem Foul an Casemiro zu Beginn der zweiten Halbzeit, das schon Gelb-Rot bedeuten hätte können, war jedem im Stadion klar: beim nächsten fliegt der Chilene. Dass er beim Feldverweis in der 84. Minute den Ball spielte, war bitter, die Karte aber abzusehen.
Ancelotti sagte dazu nur: "Kann sein, dass Vidal ein bisschen besonnener hätte agieren können. Aber die Gelb-Rote war unberechtigt." Ein bisschen schimpfte der Italiener auf den Schiedsrichter, meinte am Ende aber auch:
Ich sage nicht, dass wir mit einem besseren Schiedsrichter gewonnen hätten.
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Viel Gesprächsstoff nach dem Aus der Bayern in der CL

Fotocredit: SID

Kaum Fortschritte unter Ancelotti

Zieht man den Rahmen ein bisschen größer, muss man ebenso sagen: Große spielerische wie individuelle Fortschritte hat der FC Bayern unter ihm diese Saison nicht gemacht.
Die angeblich neu gefundene Balance zwischen Angriff und Abwehr, die Achillesferse noch unter Pep Guardiola, wurde in beiden Spielen gegen Real durch die jeweilige Unterzahl konterkariert, zwei Tore schluckte Bayern bei Elf gegen Elf, vier mit einem Mann weniger.
Ancelottis großes Plus, so sagte man sich die ganze Saison lang, zeige erst sich im April und Mai, in den wichtigen Monaten, da sind seine Team am besten, wenn es um die Titel geht. Und jetzt, in der “Ancelotti-Jahreszeit” angekommen, ist die Champions League schon passé.
De facto hat Bayern nun im April drei Spiele verloren (auch die Partie vom Dienstag, die ja nach 90 Minuten eigentlich 2:1 stand, wird als Niederlage wertet) – genauso viele wie zwischen August und März.

Erstmals vor dem Halbfinale raus seit 2011

Die Hürde, die Guardiola mit seinen drei Halbfinal-Niederlagen aufgelegt hat, hat Ancelotti damit unterboten.
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Pep Guardiola und Carlo Ancelotti

Fotocredit: Imago

Seit 2011 ist Bayern in Europa nicht so früh gescheitert. Das Halbfinale, von Bayern in den letzten sieben Jahren zuvor sechs Mal erreicht, ist mittlerweile das natürliche Habitat des deutschen Rekordmeisters, das anvisierte Ziel.
Mats Hummels als Fazit zur Champions-League-Saison:
Natürlich könnte man sagen, sie sei enttäuschend verlaufen, weil wir zu früh raus sind. Aber wenn man sieht, wie wir rausgehen, mit einem Sieg nach regulärer Spielzeit in Madrid, kann man sie, denke ich, auch nicht so schlecht machen.
Doch mit Ancelotti, dem dreimaligen Gewinner der Champions League, hatten sie es im Grunde auf den Pokal mit den großen Ohren abgesehen.

Ancelotti fordert das Double ein

Was bleibt, ist die Möglichkeit aufs Double – von Guardiola in drei Jahren zweimal erreicht. “Wir müssen die Meisterschaft gewinnen und den Pokal”, sagte Ancelotti in Madrid:
Nächstes Jahr schauen wir dann, was in der Champions League rausspringt. Um sie zu gewinnen, kommt es auf kleinste Details an. Wir hatten nicht viel Glück.
In der kommenden Saison muss Ancelotti aber auch beweisen, dass er das Team weiterentwickeln kann, nicht nur den “status quo” verwalten.

Kann Ancelotti Youngster entwickeln?

In Madrid war die Bayern-Elf im Schnitt 30 Jahre und 116 Tage alt, über dem Zenit. Spieler wie Joshua Kimmich (22), Kingsley Coman (20) oder Renato Sanches (19) machten diese Saison aber keinen Schritt nach vorne.
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Carlo Ancelotti (l.) und Joshua Kimmich

Fotocredit: Imago

Mit Niklas Süle (21) kommt im Sommer ein weiterer Junger hinzu, der nach Einsatzzeit dürstet. Aber kann, will ihm Ancelotti diese geben?
Nach dem Karriere-Ende von Philipp Lahm und Xabi Alonso müssen wichtige Positionen neu besetzt werden, auch hierarchisch ein großer Verlust. Beides sind Trainer-Spieler, verlängerte Arme des Coaches auf dem Platz.
Manuel Neuer wird wohl die Kapitänsbinde übernehmen, Ancelotti muss sich jedoch auch einen neuen Feldspieler als seinen Vertrauten auf dem Platz suchen.

Mannschaftsgefüge ist intakt

Immerhin: Das Mannschaftsgefüge scheint intakt. Wer in Madrid sah, wie die Bankspieler mit den Kollegen auf dem Rasen mitgingen und später mitlitten, wer die Entschlossenheit der Spieler auf dem Platz spürte, der wusste: dieses Team steht zusammen – auch ein Verdienst des Trainers.
“Wir haben an uns geglaubt, waren mutig”, sagte David Alaba. Und Thomas Müller schloss mit dem Satz:
Wenn’s nach 90 Minuten in Madrid 2:1 für dich steht, hast du schon was richtig gemacht.
Und der Trainer entsprechend auch.
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