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EM: Ein dunkler Schatten über der Ekstase in Wembley - Drei Dinge, die bei England - Dänemark auffielen

Daniel Rathjen

Update 08/07/2021 um 07:32 GMT+2 Uhr

England hat den Sprung ins Finale der EM 2020 gegen Italien im eigenen Wembley-Stadion tatsächlich geschafft. Gegen Dänemark gab es am Mittwochabend einen knappen wie glücklichen Sieg. Für die Entscheidung sorgte Harry Kane mit seinem Tor zum 2:1 in der Verlängerung. Diesem war ein fragwürdiger Elfmeter vorausgegangen. Nach regulärer Spielzeit hatte es 1:1 gestanden. Drei Dinge, die auffielen.

England bejubelt den Einzug in das EM-Finale in Wembley

Fotocredit: Getty Images

England greift nach der Krone, Dänemark geht in die Knie: Die Three Lions lassen das Mutterland des Fußballs weiter vom Titel träumen und stehen erstmals in einem EM-Finale - die wundersame Reise der dänischen Außenseiter endet dagegen auf ganz bittere Weise in Wembley.
Die Engländer gewannen ein enges Halbfinale mit 2:1 (1:1) nach Verlängerung und gehen am Sonntag mit Schwung ins Endspiel gegen Topfavorit Italien. 55 Jahre nach dem WM-Sieg im eigenen Land winkt endlich der zweite große Triumph.
In der Verlängerung trat Kapitän Harry Kane zu einem äußerst fragwürdigen Foulelfmeter an, erst im Nachschuss traf er (104.) und machte den Finaleinzug perfekt. Mikkel Damsgaard (30.) hatte zuvor Dänemark mit einem fulminanten Freistoß hoffen lassen und den Gastgebern damit das erste Gegentor bei dieser EURO zugefügt. Ein Eigentor von Simon Kjaer (39.) brachte aber den schnellen Ausgleich.
Drei Dinge, die uns auffielen.

1. Der Aufreger-Elfer: Keine klare Fehlentscheidung?

England war der verdiente Sieger der Partie, daran bestand objektiv wohl kein Zweifel. Die Three Lions hatten das Mittelfeld dominiert, permanent Druck aufgebaut und die Offensive gesucht. Dänemark war letztlich einfach nur platt. Dass das Spiel aber letztlich durch eine fragwürdige Entscheidung des Schiedsrichters Danny Makkelie (Niederlande) den Sieger fand, warf einen Schatten auf die Partie.
Raheem Sterling dribbelte die Grundlinie entlang, es gab einen Kontakt mit dem Knie von Joakim Maehle - Sterling fiel, Makkelie pfiff und zeigte sofort auf den Punkt. Warum griff der Videoassistent nicht ein? Makkelie wertete den Kontakt als ursächlich für den Sturz des Stürmers, damit war es keine klare Fehlentscheidung und der VAR praktisch lahmgelegt. Makkelie verzichtete auch darauf, sich die Szene noch einmal anzuschauen. So weit, so gut. So ist die Regel.
Ob diese allerdings sinnvoll ist, bleibt zweifelhaft. Wozu braucht es einen VAR, wenn er bei strittigen Szenen den Schiedsrichter nicht überstimmen darf?
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Englands Raheem Sterling geht im Spiel gegen Dänemark zu Boden und bekommt einen Elfmeter

Fotocredit: Getty Images

Ohne ihn hatte der Fußball-Fan Fehlentscheidungen einfach als falsche Wahrnehmung verbuchen können oder müssen. Jetzt bleiben strittige Entscheidungen trotzdem bestehen, obwohl es die Technik zum Überprüfen gibt. Das kostet Nerven und bedarf dringend einer Anpassung im Regelwerk. Ungeachtet dessen lag sogar noch ein zweiter Ball im Spielfeld. Das war ein Grund, das Spiel zu unterbrechen. Und grundsätzlich passte der Pfiff nicht zur Linie von Makkelie. Zuvor hatte er ähnliche Szenen im Mittelfeld laufen lassen und galt generell nicht als kleinlich.
Kritik an ihm gab es auch vom ehemaligen Schiedsrichter Manuel Gräfe im "ZDF": "Sterling wollte den Elfmeter ziehen, ich hätte das Spiel weiterlaufen lassen", sprach er vielen aus der Seele, während bei "Twitter" der Spruch "It's diving home..." in Anlehnung an den englischen Schlachtruf "It's coming home", viral ging.
Sterling war sich natürlich keiner Schuld bewusst: "Wenn er mich so im Strafraum berührt, ist das ein klarer Elfmeter", sagte der Angreifer.

2. Was England doch sympathisch macht

Die Insel bebt und träumt vom Titel. Teammanager Gareth Southgate könnte jetzt doch noch zu einem Wegbereiter in der Geschichte des englischen Fußballs werden - vor 25 Jahren war er der große Verhinderer: In Englands zuvor einzigem EM-Halbfinale verschoss er 1996 den entscheidenden Elfmeter gegen Deutschland. Nun hat er das ganze Land hinter sich - und eine Winner-Mentalität geschaffen.
Seine Spieler rennen sich die Lunge aus dem Leib, langen zu, wenn es sein muss, und stürmen in kritischen Phasen dynamisch Richtung Tor. Sie nehmen geschickt das Tempo raus, wenn sie Kräfte sparen wollen oder den Gegner zermürben. Gut zu sehen war das gegen Dänemark, als die Engländer gegen Ende nicht mal mehr die eigenen Konter ausspielten, sondern den direkten Weg zur Eckfahne gingen. Öde nennen das vielleicht die einen, smart die anderen.
Southgate zieht sein Ding durch. Egal, was die Leute sagen. Und durch eine außergewöhnliche Breite im Kader wirkt England immer noch unberechenbar. Offensiv-Stars wie Jadon Sancho oder Phil Foden scharren mit den Hufen auf der Bank, während auf dem Rasen Sterling, Bukayo Saka und Mason Mount wirbeln. Es verdient Respekt, wie die insgesamt junge Mannschaft der hohen Erwartungshaltung im eigenen Land standhalten und an sich glauben.
"Ich bin so stolz auf meine Spieler. Es war ein großartiger Abend in Wembley mit großartigen Fans", resümierte Southgate stolz. Fans und Mannschaft sind endgültig vereint, das ergibt einen nicht zu verachtenden Heimvorteil im Duell mit Italien. Zudem haben sie gegen Dänemark nochmals das Selbstvertrauen gestärkt, denn sie gehen jetzt mit der Erkenntnis ins Endspiel, auch nach Rückschlägen wieder aufstehen zu können.
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Raheem Sterling (links) und Bukayo Saka bejubeln den Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1 gegen Dänemark

Fotocredit: Getty Images

3. Ein Stück Freistoß-Kunst

Es war die Führung für Dänemark - das sehenswerte Freistoßtor von Mikkel Damsgaard in der 30. Minute verzückte die Fußball-Welt - bis auf die englische wahrscheinlich. Auch wenn ein sehr gut aufgelegter Torwart den Schuss möglicherweise gehalten hätte, weil er doch sehr zentral aufs Gehäuse kam, er war technisch exzellent ausgeführt.
Zu seiner Entschuldigung: Die Dänen hatten vor ihm mit ihren größten Spielern eine Art "Sichtmauer" gebildet, wodurch der Ball für den Torwart erst spät zu sehen war. Das war clever. Und dass Damsgaard überhaupt von der gefährlichen Position aus circa 25 Metern halb links schießen durfte, war offensichtlich auch genauso gewollt. Dem direkten war nämlich ein indirekter Freistoß vorausgegangen, mehr als 30 Meter weiter hinten.
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Mikkel Damsgaard (Dänemark) trifft sehenswert per Freistoß im EM-Halbfinale gegen England

Fotocredit: Getty Images

In den Zeitlupen war zu erkennen, wie der dänische Kapitän Simon Kjaer sechs Finger in Richtung des Schützen zeigt - wahrscheinlich war es die Nummer der Variante. Wie diese aussah? Die Dänen versammelten sich in einem Pulk, um sie herum die Engländer. Als der Freistoß hoch und weich ausgeführt wurde, sprinteten sie los, die Engländer wurden überrumpelt und konnten die Gegenspieler nur noch mit Zerren und Reißen stoppen.
Aus dem Foul von Luke Shaw an Andreas Christensen resultierte dann der zweite Freistoß aus idealer Position für Experte Damsgaard. Der Plan ging auf und zeigt, wie wichtig es für Teams ist, die ohnehin damit rechnen, eher wenig Torchancen zu bekommen, auf Standards zu setzen.
Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand hat das schon lange gewusst und sich vor dem Turnier dazu extra Mads Buttgereit als Coach für Standards ins Team geholt. Schade, dass die EM auf diese Weise für Dänemark endete.
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Nagelsmann sorgt bei seiner Antritts-PK für Lacher

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