Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen
Opinion
FußballWM

Heinrich-Blog: Fehltritt von Mesut Özil und Ilkay Gündoğan - ein Rüffel reicht nicht

Sigi Heinrich

Update 15/05/2018 um 10:49 GMT+2 Uhr

Mesut Özil und Ilkay Gündoğan lassen sich mit ihrer Trikot-Aktion zum Handlanger des türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan machen. Aus Sicht des türkischen Präsidenten ein wahrlich gelungener Coup - aus Sicht des DFB jedoch ein Desaster. Der DFB-Präsident rüffelt prompt; doch für Blogger Sigi Heinrich darf und sollte die Aktion nicht ohne weitere Folgen bleiben.

Mesut Özil im Trikot von Deutschland

Fotocredit: Getty Images

Bald stehen sie wieder in Reih und Glied. Möglicherweise nebeneinander in einem Fußballstadion in Russland, genauer gesagt in Moskau in diesem Fall. Weltmeisterschaft.
Der deutsche Bundestrainer Joachim Löw hat nach bestem Wissen und Gewissen seine hoffnungsvollste Formation zum Auftaktspiel gegen Mexiko aufgeboten. Mit Mesut Özil und Ilkay Gündoğan. Beide geboren in Gelsenkirchen.
Die deutsche Nationalhymne erklingt. Die Lippen beider Spieler bewegen sich nicht. Stumm wie die Fische sind sie, bis der letzte Ton verklingt.

Ein Fest für Stammtische und politische Rechte

An vielen Stammtischen hört man Unbehagen über diese Reaktion der beiden türkischstämmigen Spieler, deren Großväter einst nach Deutschland kamen, um hier zu arbeiten.
Sie sollten, fordern viele, endlich mitsingen, zeigen, dass sie für die deutsche Mannschaft mit jeder Faser ihres Herzens dabei sind. Ein Zeichen setzen eben vor allem in einer Zeit, in der das Fremde hierzulande mit immer größerem Misstrauen beäugt wird und die Politik sich außerstande sieht, wirksam dagegen zu steuern.
Politische Gruppierungen schlagen gar Kapital aus der Angst der deutschen Bevölkerung vor fremden Einflüssen. Da könnte der Sport einen kleinen Beitrag leisten zur Völkerverständigung, auch Özil - übrigens Inhaber eines Bambis für Integration (2010) - und Gündoğan. Vor allem eben jene Kicker, der Familien eingewandert sind. Sie haben durchaus die Schlüssel in der Hand, um ihre Integration hierzulande auch allen zu demonstrieren mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen.

Wahlkampf mit Fußballspielern

Stattdessen mischen sie sich in einer extrem brisanten Zeit in die Politik ein, lassen sich zum Handlanger machen des türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan, der am 24. Juni in der Türkei Neuwahlen durchführen lässt, um die Macht als Alleinherrscher weiter auszubauen und die Opposition ein für alle Mal zu zerstören.
picture

Gündogan und Özil treffen türkischen Staatspräsidenten Erdogan

Fotocredit: Twitter

Jener Erdoğan, der Journalisten und Andersdenkende wahllos in Gefängnisse wirft.
Man traf sich in London hinter verschlossenen Türen, um danach dennoch das Treffen natürlich publik zu machen. Denn genau darum ging es Erdoğan. Mit der, wohlgemerkt, deutschen Fußball Prominenz will er 1,5 Millionen in Deutschland lebende wahlberechtigte Türken mobilisieren, sie auf seine Seite ziehen.
Aus Sicht des türkischen Präsidenten war das ein wahrlich gelungener Coup.
Aus Sicht der beiden Stammkräfte von Joachim Löw ist das ein Desaster.
picture

Mesut Özil mit Recep Tayyip Erdoğan (Quelle: twitter.com/Akparti)

Fotocredit: Eurosport

Verwechslung der Präsidenten

Denn die unverhohlen zum Ausdruck gebrachte Sympathie für Erdoğan kann einen Keil in die deutsche Mannschaft treiben und viele Fans massiv verärgern. Fans, die wissen, dass sich Erdoğan nicht um Menschenrechte schert. Die Politik in Deutschland hat Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland zu Recht untersagt.
Ob die beiden Mittelfeldstrategen der DFB-Auswahl sich darüber den Kopf zerbrochen haben, ehe sie Erdoğan ein Trikot mit ihrem Namen überreichten?
Neben dem bloßen Foto sorgt auch die Widmung auf Gündoğans Trikot für Irritation. Zitat: "Mit großem Respekt für meinen Präsidenten." Für SEINEN Präsidenten.
picture

Ilkay Gündogan mit Recep Tayyip Erdoğan (Quelle: twitter.com/Akparti)

Fotocredit: Eurosport

Habe ich da was falsch verstanden? Ist sein Präsident eigentlich nicht der deutsche Bundespräsident Walter Steinmeier? Gündoğan hat einen deutschen Pass, ebenso wie Özil. Sie spielen in der deutschen Nationalmannschaft.
Da liegt jetzt, nach dieser Aktion, der Schluss nahe, dass sie das nur tun, weil diese weitaus erfolgreicher ist als die türkische Auswahl. Mit der hätten beide nicht so große internationale Erfolge feiern können. Özil ist sogar Weltmeister geworden mit der DFB-Auswahl.

Grindels Reaktion ist richtig

Beide leisteten sich eine Aktion, die dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht gefallen darf.
Die Reaktion von DFB-Präsident Reinhard Grindel, der 14 Jahre als CDU-Abgeordneter Mitglied des Bundestages war, folgte prompt via "Twitter":
Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdoğan nicht hinreichend beachtet werden. Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen. Der Integrationsarbeit des DFB haben unsere Spieler mit dieser Aktion sicher nicht geholfen.

Weitere Sanktionen sind notwendig

Ein gutes Zeichen: Der DFB kann nicht goutieren, dass sich deutsche Nationalspieler auf derart beschämende Art und Weise vor den Karren einer umstrittenen Politik in einem anderen Land spannen lassen.
Einer Politik, die vor allem auf Unterdrückung jener basiert, die nicht für Erdoğan sind. Beide Spieler, Mesut Özil und Ilkay Gündoğan, haben sich klar und wohlwissend positioniert.
Es ist keine unglückliche Geschichte. Es ist eine Schande. Und das darf und sollte nicht ohne Folgen bleiben.
Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung