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Fußball

RB Leipzig in der Bundesliga - mehr als nur Kommerz und Retorte

Thilo Komma-Pöllath

Update 20/09/2016 um 12:45 GMT+2 Uhr

Kaum ein Bundesligist polarisiert mehr als RB Leipzig. Von Kommerz und Retorte ist die Rede, von Tradition beim Brauseklub nichts zu sehen. Das ist einigen Bundesligisten - gerade nach dem guten Saisonstart der Sachsen - zuwider. Eurosport-Blogger Thilo Komma-Pöllath meint jedoch: Viele Teams sollten lieber im eigenen Hof kehren und sich möglicherweise auch eine Scheibe vom Aufsteiger abschneiden.

Davie Selke (RB Leipzig)

Fotocredit: Imago

Kürzlich habe ich den inoffiziellen Fußball-Philosophen des Landes, Wolfram Eilenberger, gefragt, ob der zunehmende Kommerz den Fußball kaputtmache. Seine Antwort war ebenso eindeutig wie überraschend. Eilenberger sagte: "Der Kommerz hat das Spiel besser gemacht!" Wie das aussieht, wenn viel Geld und viel Ahnung zusammenkommen, kann man derzeit an RB Leipzig beobachten: Der Aufsteiger spielt mutig, schnell, direkt. Platz drei nach drei Spieltagen. Alles richtig gemacht, könnte man denken.

Leipzig, der "Watschenbaum" der Liga

Denkste! Die Liga hat schon seit geraumer Zeit Leipzig zum Watschenbaum der eigenen Zunft erklärt und nicht als Bereicherung, der erfolgreiche Saisonstart hat das Bullen-Bashing noch einmal zugespitzt. Das Spiel vom Samstag gegen den HSV, immerhin das einzig verbliebene Gründungsmitglied der Bundesliga, bot dafür den geeigneten Anschauungsunterricht. Vor der Partie versammelten sich die HSV-Anhänger, um gegen die "totale Kommerzialisierung" zu demonstrieren. Nach dem Spiel (0:4) pfiffen dieselben Fans ihre eigene Mannschaft nieder, weil es nicht mit anzusehen war.
Am Ende war nicht ganz klar, was der Fußball-Fan in der Hansestadt nun wirklich will. Oder besser, was er noch weniger will: Kommerz oder Misserfolg. Hauptsache HSV-Maskottchen Lotto King Karl klettert für jedes Spiel auf seine Hebebühne und brüllsingt "Hamburg, meine Perle" in die aufgebrachte Fankurve. Man kann das auch Ballaballa nennen.

Unsinnige Spaltung

Der Fall RB Leipzig ist, das wird zusehends deutlich, ein branchenkollektives Missverständnis. Die von den Altvorderen und Platzhirschen der Liga propagierte Spaltung in Traditions- und Kommerzklubs ist hirnrissig und falsch - gerade in einer Liga, die längst in ihrem Wesen von einer Geld- und Kommerzlogik gesteuert wird.
Anders lässt sich das SPIEGEL-Interview von Bayerns Vorstandsvorsitzendem Rummenigge vom Wochenende gar nicht lesen, in dem er wortreich bedauert, dass man der Premier League finanziell nicht das Wasser reichen könne, was schließlich das erkorene Ziel sein müsse. Wenn also HSV-Pendant Didi Beiersdorfer & Co. das Konzept Leipzig in Frage stellen, dann nur, um den Besitzstand zu wahren und vom eigenen Missmanagement abzulenken.
Auf die Frage, warum Leipzig, offizielles Gründungsdatum 2009, eine der besten Jugendakademien des Landes hat, und der HSV, datiert auf 1887, bis heute nichts Vergleichbares, wüsste man ja gerne eine seriöse Antwort. Aber darum geht es in der verqueren Logik der Traditionalisten gar nicht: Der eigene Status darf nicht in Frage gestellt werden, dass die eigene jahrelange sportliche Misere den einstigen Nimbus (Europapokalsieger und sechs Mal Deutscher Meister) längst ausgehöhlt hat, fällt den Verantwortlichen nicht mehr auf.

Leipziger Logik ähnelt der des Rekordmeisters

Die überzeugenden sportlichen Konzepte, eine stringente Personalpolitik fehlen beim HSV schon so lange, dass man mit Recht behaupten kann, ohne die zig millionenschwere Mitgift von Mäzen Kühne (mehrfacher Milliardär wie Leipzigs Mateschitz) wäre der Hamburger SV längst zweitklassig und insolvent dazu. Es ist also der eigenen desolaten Lage geschuldet, dass man wild um sich schlägt und das große Geld geißelt, das einem Selbst am Leben hält. Ein Neuanfang in Liga 2 wäre der ehrlichere Weg.
Die Logik der Leipziger mag anmaßend erscheinen, erinnert sie doch stark an den FC Bayern: mit viel Geld, einer hohen sportlichen Expertise und einer steil vertikal ausgerichteten Hierarchie die Spitze anpeilen. Und eben nur die. Das mag nicht sympathisch sein, ist als Konzept aber konsequent zu Ende gedacht. Das aber, was Schalke mit seinen Gazprom-, Leverkusen mit seinen Bayer-, auch Wolfsburg und VW und der HSV mit seinen Kühne-Millionen seit Jahren veranstalten, ist bezogen auf die Rendite auf dem Rasen ein Offenbarungseid, der mit keinem Bashing der Welt besser wird.
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