Bundestrainer Hansi Flick: Erfolg im Rücken, knifflige Herausforderungen vor der Brust
Update 28/12/2021 um 08:12 GMT+1 Uhr
Hans-Dieter Flick hat erstmals Weihnachten als Bundestrainer gefeiert. Dabei durfte der 56-Jährige auf ein extrem erfolgreiches Jahr zurückblicken - ob er dabei nun an seine Zeit beim FC Bayern München dachte oder seine ersten Monate mit der Nationalmannschaft. Das große Ziel für Flick ist nun die WM 2022 in Katar, wo es nicht nur sportliche Herausforderungen zu bewältigen gilt.
Weihnachten bei den Flicks - wie in jeder Familie gibt es besondere Bräuche und Traditionen.
Heiligabend wurde im Hause des Bundestrainers im engsten Kreis der Familie gefeiert, der erste Weihnachtsfeiertag folgt einem speziellen Ritual wie Flick selbst verriet: "Der 25. ist ein Pyjama-Day: Da wird die Tür nicht aufgemacht, nicht ans Telefon gegangen. Das wissen alle Freunde und Bekannten. Es ist schön dekoriert, die Kerzen sind an, es gibt Tee, Kaffee und Plätzchen."
Flick lebt mit seiner Familie in Bammental in der Kurpfalz, wo er bis 2017 ein Sportgeschäft betrieb.
Es war Flicks erstes Weihnachten als oberster Fußball-Lehrer des Landes, "unterm Baum" lag mit der erfolgreich eingesackten WM-Qualifikation ein Erfolg, der eher eine Pflichterfüllung darstellte. Außerdem der Meistertitel mit dem FC Bayern, eingefahren am 32. Spieltag.
18 Monate Bayern - sieben Titel für Flick
Es war innerhalb von nur 18 Monaten sein siebter Titel - und der letzte. Drei Wochen zuvor hatte er das Geheimnis gelüftet, die Bayern am Saisonende trotz des laufenden Vertrages verlassen zu wollen. An Pfingsten war dann klar: Flick beerbt Joachim Löw.
Im März kündigte der 61-Jährige an, sich nach der EM 2020, die wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr auf den darauffolgenden Sommer verlegt worden war, zurückzuziehen. So machte er der Weg frei für den 56-jährigen Flick, einst Assistent von Löw ab 2006 bis 2014 und mitverantwortlich für den WM-Triumph 2014 in Brasilien.
Löw hatte sich vor seinem letzten Turnier noch einmal aufgerafft und versucht, gegen alle Widerstände anzukämpfen. Nach der katastrophalen WM 2018 in Russland mit dem historisch schlechten Vorrunden-Aus ließ er sich nicht von der öffentlichen Meinung aus dem Amt treiben, machte beherzt und trotzig weiter. Den - allseits geforderten - Umbruch trieb er voran, zunächst lediglich personell.
Die Leitfiguren Thomas Müller und Mats Hummels wurden zur Vorbereitung reaktiviert, was jedoch nichts daran änderte, dass die spielerisch-taktische Entwicklung ausblieb. Nach einem knappen 0:1 gegen Frankreich (Eigentor Hummels) fegte man Portugal samt Cristiano Ronaldo mit 4:2 weg und entdeckte dabei die Qualitäten von Aufsteiger Robin Gosens. Es sollte der einzige Erfolg während der EM bleiben.
Löws Abschied - eine unwürdige Inszenierung
Mit dem 2:2 gegen Ungarn im letzten Gruppenspiel rettete sich die DFB-Elf dank des Ausgleichstreffers von Leon Goretzka gerade noch so ins Achtelfinale. Wobei Goretzka erst sein Herz in die Hand nahm und dann selbiges mit den Händen den ungarischen Fans zeigte, die zuvor mit homophoben Sprechchören für Entsetzen gesorgt hatten. Beim hasenfüßigen 0:2 im Wembleystadion gegen England ließ die Löw-Truppe sämtlichen Mut und Entschlossenheit vermissen.
Ausgerechnet Rückkehrer Müller vergab die Chance aufs mögliche 1:1. Löw war Geschichte - und wurde im November vor dem WM-Qualifikationsspiel in Wolfsburg gegen Liechtenstein (9:0) im ziemlich kleinen Rahmen und ohne große Emotionen seitens des DFB verabschiedet.
Eine unwürdige Inszenierung nach 15 größtenteils erfolgreichen Amtsjahren.
Neuer Bundestrainer-Startrekord durch Flick
Flick setzte ab September den Fußball fort, mit dem er bei Bayern so erfolgreich gewesen ist: Mutiger Fußball, aggressives Pressing, den Gegner ständig nerven. Nie nachlassen, nie ausruhen. Unabhängig vom Spielstand und der Spielminute.
Müller freute es: "Wir wollten das nächste Tor und das nächste Tor." Es zog ein neuer Geist ein, Aufbruchstimmung machte sich breit. In sechs Spielen gelangen Flick (mit Müller und ohne Hummels) sechs Siege und 27:1 Tore - ein neuer Bundestrainer-Startrekord.
Auch wenn die Gegner (Liechtenstein, Armenien, Island, Rumänien und Nordmazedonien) eher aus der Kategorie 1C bis 1D waren, belegt der Torhunger die neue Spielphilosophie.
Gegen Italien und England: Plötzlich Freude auf Nations League
2022 steht in Katar die Winter-WM an (21.11. bis 18.12.), zuvor steigen im März zwei Testspiele, eines davon entweder in Spanien oder in den Niederlanden. Zum Einspielen für die WM dient die zuvor meist so ungeliebte Nations League mit vier Spielen im Juni und zwei Partien im September.
Doch nach der Auslosung Mitte Dezember kam plötzlich Vorfreude auf. Es geht gegen Europameister Italien, Vize-Europameister England und Ungarn, 2021 bereits Vorrundengegner. "Es ist top, ideal, ein reizvolles Los. Das sind Klassiker. Wir messen uns mit den Besten", schwärmte der Bundestrainer und forderte: "Wir wollen gut performen."
Katar-Frage: Man wird dem DFB auf die Finger schauen
Neben der sportlichen Herausforderung wird 2022 Fingerspitzengefühl rund um die Nationalelf gefragt sein, um sich bei Themen rund um die politisch umstrittene Katar-WM und die Menschenrechtsverletzungen vernünftig zu positionieren.
"Ich glaube, auch unsere Fans wollen von uns eine klare Stellungnahme", meinte Flick während DFB-Direktor Oliver Bierhoff betonte, dass bei der Quartier-Suche vor Ort neben "perfekten Rahmenbedingungen" auch "die Einhaltung menschen- und arbeitsrechtlicher Standards" eine entscheidende Rolle spiele.
Man wird dem DFB auf die Finger schauen.
Um ihnen dann im November entspannt auf die Füße schauen zu können. "Das WM-Finale wäre sicherlich das schönste Geschenk", sagte Flick mit Blick aufs neue Jahr. Mal sehen, ob bei der Pyjama-Party 2022 eine WM-Medaille am Weihnachtsbaum der Flicks hängt.
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