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Heinrich-Blog: "Allerhöchste Zeit für ehrlichen Anti-Doping-Kampf!"

Sigi Heinrich

Update 30/08/2017 um 12:41 GMT+2 Uhr

Eurosport-Experte Sigi Heinrich hat die Nase voll. Nach der Veröffentlichung der aufsehenerregenden Dopingstudie zur WM 2011 in Daegu fordert er schnellstens Veränderungen, um wenigstens das letzte Stück Ansehen der Leichtathletik zu retten. Nicht die Athleten sollten immer mehr unter Druck gesetzt werden, sondern Politik und Funktionäre sind gefordert, andere Lösungsansätze zu finden.

Sara Moreira in Daegu 2011

Fotocredit: Getty Images

Gerade eben haben wir die Leichtathletik-Wettbewerbe der Universiade in Taipeh (China) hinter uns gebracht. Acht Medaillen gewannen Teilnehmer des Allgemeinen Deutschen Hochschulsport-Verbandes (ADH), davon fünf aus Gold. Eine feine Bilanz. Und am kommenden Freitag beenden wir auch bei Eurosport die Leichtathletik-Saison (ausgenommen natürlich die noch bevorstehenden großen Marathonläufe) mit dem Finale der Diamond League in Brüssel.
Damit haben wir – und ein wenig Eigenlob sei hier bitte gestattet – der Leichtathletik den maximal möglichen Raum gegeben. Mit der U18-Weltmeisterschaft in Nairobi (Kenia), der U20 Europameisterschaft in Grosseto (Italien), der U23-Europameisterschaft in Bydgoszcz (Polen), fast allen Diamond-League-Meetings und anderen Eintages-Wettbewerbe und natürlich der Leichtathletik-WM in London als Höhenpunkt. Mehr geht kaum.
Immer gerne natürlich, denn schließlich ist die Leichtathletik immer noch die Kernsportart überhaupt. Auch Fußballspieler müssen zwischen ihren Vertragsverhandlungen laufen. Ja sogar sprinten. Rauf und wieder runter in ihrem weiß eingefassten Geviert. Im weitesten Sinne sind sie also auch Leichtathleten. Doch ihre Leistungen werden in Toren gezählt. Das ist simpel. Die Läufer, Werfer und Springer müssen liefern. Zeiten eben und Weiten. Citius, altius, fortius. Liefern. Kein schönes Wort. Ich weiß. Aber es drückt die Problematik aus.

Forderungen ohne Rückendeckung

Medaillen fordert das Bundesinnenministerium. Immer mehr. Alle fordern das überall auf der Welt und laden ihre Wünsche einfach bei den Sportlern ab. Und wenn es nicht klappt, kommt der Rohrstock. Keine Lieferung, kein Geld. Ergo: In allen Ländern werden Athleten derart unter Druck gesetzt, dass sie sich auch weiterhin mit dem Teufel verbinden. Nur knapp über die Hälfte sind noch reinen Herzens. Oder anders ausgedrückt. Im Durchschnitt haben vor den Weltmeisterschaften 2011 in Daegu (Südkorea) 43,6 Prozent der Teilnehmer gedopt.
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Tatjana Tschernowa in Daegu 2011

Fotocredit: Getty Images

Das hat eine von der Weltdopingagentur (WADA) in Auftrag gegebene Studie der Universität Tübingen und der Harvard Medical School in Boston ergeben. Die Studie wurde jetzt erst mit erheblicher Verspätung veröffentlicht, weil der Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF), Sebastian Coe, bei einer Anhörung des Unterhauses sagte, sein Verband habe zwar kein Vetorecht, behalte sich aber vor, die Studie zu prüfen.
Im Klartext: Die Zahlen der Studie, die mit der wissenschaftlich anerkannten "Randomischen Antworttechnik" erarbeitet wurden, haben ihn mindestens besorgt gemacht, vermutlich sogar geschockt, denn sie machen auch die Ineffizienz der Dopingkontrollen der IAAF deutlich. Nur 0,5 Prozent waren in Daegu demnach positiv. Dabei sind bei Nachtests mittlerweile 14 Sportler überführt worden, sieben davon aus Russland, zwei Ukrainer, und je einmal Bulgarien, Weißrussland, Trinidad-Tobago und Moldawien.

Dopingsünder sind auch Opfer

Das geht ans Gemüt, trübt die Freude und ist mehr als nur besorgniserregend, auch weil ich weiß oder fürchte und auch annehme, dass Daegu noch immer existent ist. Das wird nicht besser geworden sein nach 2011. Wie auch, da wir immer nur nach Opfern suchen. Nach Dopingsündern. Und dann stellen wir uns alle hin, nachdem wir wieder einmal fündig geworden sind und zeigen mit dem Finger auf die bösen Sportler, auf die Betrüger, auf diejenigen, die Gevatter Zufall mal gerade herausgefischt hat aus dem Teich der faulen Fische.
Haben wir eine Ahnung von den Anforderungen, die an die Athleten gestellt werden? Sponsoren und Firmen fordern, Trainer fordern, Verbände auch und natürlich Ministerien. Der Staat also. Sorgen wir für entsprechende Rahmenbedingungen, anstatt ständig nur Druck auszuüben? Einfache Antwort: NEIN. Verbände werden nicht kontrolliert, obwohl auch sie längst Firmen sind mit Millionen-Umsätzen, die Weltantidopingagentur wird von der Politik grenzüberschreitend im Stich gelassen und von den nationalen Verbänden mitunter auch.

Wann liefern Politiker und Funktionäre?

Neutralität und freier Zugang zu allen Nationen und deren Athleten? Fehlanzeige. Immer und immer wieder wird versucht, die Kontrollmechanismen zu erschweren. Nachgewiesenes Staatsdoping und Vertuschung von Dopingproben wie in Russland wird vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC), das im Kampf gegen Doping eine bedeutende Rolle spielen könnte, scheinbar als Kavaliersdelikt gesehen.
Auch hierzulande fehlt es an Entschlossenheit, an neuen Strukturen. Derjenige, dem alle Last auf die Schultern geladen wird, ist letztlich der Athlet. Das soll nicht heißen, dass ich es goutiere, wenn gedopt wird. Ich fände es einfach nur erstrebenswert, dass alle Heuchler, die ständig nur fordern, sich mehr in die Lage der Sportler hineinversetzten. Den Aktiven muss man das Leben so leicht wie möglich machen, ihnen muss man Hilfestellungen geben beim Kampf gegen Doping und keine Hindernisse in den Weg legen. Es ist an der Zeit, ja längst überfällig, das Politik und Verbände endlich mal liefern. Und zwar allerhöchste Zeit.
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