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Heinrich über Finale mit Bolt und Gatlin: Wer sich mit dem Teufel einlässt, wird in der Hölle landen

Sigi Heinrich

Update 07/08/2017 um 19:56 GMT+2 Uhr

Eurosport-Experte Sigi Heinrich blickt in seinem Blog auf das emotionale 100m-Finale bei der Leichtathletik-WM zurück. Der Zweikampf zwischen Usain Bolt und Justin Gatlin elektrisierte die Zuschauer in London, mit dem bei den meisten wenig populären Ende - dem Sieg des Dopingsünders Gatlin. Heinrich beleuchtet dabei das ungleiche Duell zwischen Gut (Bolt) und Böse (Gatlin).

Gatlin kniet nach eigenen Sieg vor Bolt nieder

Fotocredit: Getty Images

Es war ein bizarres Bild. Der Sieger, der Weltmeister im wohl prestigeträchtigsten Wettbewerb der Leichtathletik, dem 100m-Rennen, lag auf dem Boden und verstand die Welt nicht mehr.
Der nur Drittplatzierte hingegen wurde mit Sympathie geradezu überschüttet, lief eine Ehrenrunde, machte Selfies, schrieb Autogramme, küsste die Laufbahn, reckte sich für die Fotografen und sprach Liebesschwüre an das Publikum ins Stadionmikrofon. Zwei verkehrte Welten.
Justin Gatlin, der neue Champion wurde sinnbildlich fast mit den Füßen getreten, während Usain Bolt ein Schaumbad in der Menge nehmen durfte. Skurril wirkte das, wie ein Bild aus einem falschen Film, in dem der Regisseur die Hauptrollen einfach vertauscht.
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Gut gegen Böse, Bolt gegen Gatlin

Oder, wie in diesem Fall, die Konstellation belässt, wie sie seit Jahren bekannt ist. Das Gute oder der Gute (Bolt) gegen den Bösen oder das Böse (Gatlin). Und weil wir uns ja alle immer ein Happy End wünschen, waren wir in den letzten elf Jahren, als immer der jamaikanische Überflieger mit Fabelzeiten gewann, so glücklich. Der einzige Läufer der zehn schnellsten Sprinter aller Zeiten, der kaum mit Dopingvorwürfen in Berührung kam.
Gut, sein Kumpel und Staffelgefährte Nesta Carter wurde überführt und Bolt verlor damit seine Staffel-Goldmedaille von Peking. Doch das tangierte den Weltrekordmann über 100m und 200m wirklich nur am Rande. Das juckte ihn kaum und niemandem kam auch nur im entferntesten der Gedanke, dass Carter eine ansteckende Dopingkrankheit gehabt hätte. Bolt blieb der Saubermann.
Bolt musste der Saubermann bleiben, weil nur dadurch die Leichtathletik vor dem Supergau gerettet werden konnte. Unfassbare 40 Medaillen der Olympischen Spiele in Peking und London müssen mittlerweile neu vergeben werden. Das haben die Nachprüfungen der Dopingproben mit neuen Methoden ergeben. Vierzig!
Justin Gatlin war auch Olympiasieger. 2004 in Athen. Das darf er bleiben. Er wurde zweimal des Dopings überführt und hätte eigentlich lebenslang gesperrt werden müssen. Ein Weltrekord von ihm wurde aberkannt. Die ausgesprochene Sperre dann von acht Jahren wurde auf vier Jahre verkürzt, weil er sich als Kronzeuge zur Verfügung stellte.
Seit er nach Aufhebung seiner Sperre wieder laufen darf, war er dann der härteste Konkurrent von Usain Bolt bei den Olympischen Spielen in London, in Rio de Janeiro und bei den Weltmeisterschaften in Moskau 2013 und in Peking vor zwei Jahren. Er verlor immer. Ganz knapp mal in Peking 2015 mit nur 0,01 Sekunden Rückstand.
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Doping-Vergangenheit lastet auf Gatlin

Diesmal gewann er erstmals und wurde mit 35 Jahren (!) Weltmeister. Der älteste in der Geschichte. Es gibt Ansätze wissenschaftlicher Studien über die Langzeitwirkung von Doping, aber noch keine daraus anwendbaren Resultate. Gewiss: Justin Gatlin hat natürlich auch hart gearbeitet, hat gewissenhaft trainiert, doch seinen Ruf als Betrüger (auch und vor allem seinen Konkurrenten gegenüber) konnte er nie mehr loswerden.
Mit Recht lastet ein dicker Schatten über seiner Geschichte, seinen Zeiten und seinen Platzierungen. Auch mit dem Weltmeistertitel in London ist er die bösen Geister nicht losgeworden. Er hat sie selbst heraufbeschworen. Wer sich mit dem Teufel einlässt, wird in der Hölle landen. Nur ein geniales Kartenspiel kann das verhindern. Doch Gatlin hat kein gutes Blatt in der Hand. Die Zuschauer haben ihn gnadenlos ausgepfiffen.
Usain Bolt hat ihn umarmt und ihn getröstet. Menschlich verständlich. Sie haben viele Sträuße miteinander ausgefochten. Bolt konnte sich diese Geste erlauben. Generös, gerade so, als wäre er der Gottvater, der die Absolution erteilt. Doch vielleicht hat er der Leichtathletik damit gar einen Bärendienst erwiesen, denn Justin Gatlin ist der Weltmeister einer Generation, die schamlos gedopt hat.
Und somit ist er lediglich ein würdiger Vertreter des Bösen gewesen an diesem Abend, der weit entfernt war von gelöster Glückseligkeit. Sein Sieg war ein teuer erkaufter Sieg für seinen Sport.
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