Olympia-Attentat: SteBundespräsident Frank-Walter Steinmeier bittet Opferfamilien um Vergebung

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Update 10/09/2022 um 10:23 GMT+2 Uhr

Die Hinterbliebenen der Opfer des Olympia-Attentats von 1972 erfahren nach 50 Jahren die angemessene Anerkennung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bittet im Namen Deutschlands um Vergebung. "Wir können nicht wiedergutmachen, was geschehen ist, auch nicht, was Sie an Abwehr, Ignoranz und Unrecht erfahren und erlitten haben. Das beschämt mich", sagte Steinmeier in Fürstenfeldbruck.

Frank-Walter Steinmeier bittet Opferfamilien des Olympia-Attentats um Vergebung

Fotocredit: Getty Images

50 Jahre mussten sie kämpfen, nun endlich, am 50. Jahrestag des Attentats auf die israelische Olympiamannschaft bei den Spielen 1972 in München, haben die Familien der elf Ermordeten die längst überfällige Anerkennung erfahren. Bei der offiziellen Gedenkveranstaltung am Fliegerhorst Fürstenfeldbruck bei München bat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Beisein von Israels Staatspräsident Isaac Herzog bei den anwesenden Hinterbliebenen für die Fehler und Versäumnisse Deutschlands um Entschuldigung.
"Wir können nicht wiedergutmachen, was geschehen ist, auch nicht, was Sie an Abwehr, Ignoranz und Unrecht erfahren und erlitten haben. Das beschämt mich", sagte Steinmeier, "ich bitte Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepublik Deutschland um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten damals bei den Olympischen Spielen in München und für die mangelnde Aufklärung danach; dafür, dass geschehen konnte, was geschehen ist."
Das palästinensische Terrorkommando "Schwarzer September" hatte am 5. und in den Morgenstunden des 6. September 1972 elf Sportler, Trainer und Kampfrichter der israelischen Olympiamannschaft ermordet. Zudem kam bei der missglückten Befreiungsaktion in Fürstenfeldbruck ein deutscher Polizist ums Leben. Mit seiner offiziellen Entschuldigung kam Steinmeier einer der Hauptforderungen der Hinterbliebenen nach. Sie hatten andernfalls mit einem Boykott der Gedenkveranstaltung gedroht.
"Es ist meine Pflicht und mein Bedürfnis, unsere deutsche Verantwortung zu bekennen – hier und heute und für die Zukunft. Möge der heutige Tag dazu führen, dass Sie, die Angehörigen, sich wahrgenommen fühlen in Ihrem Schmerz, dass Sie spüren, dass es uns ernst ist mit unserer Verantwortung", sagte Steinmeier an die Opferfamilien gerichtet. Angeführt von ihrer Sprecherin Ankie Spitzer, Witwe des ermordeten Fechttrainers Andrei Spitzer, hatten sie jahrelang um diese Anerkennung gekämpft.

Spitzer: "Werde nie aufhören, darüber zu reden"

Ankie Spitzer wandte sich am Montag in einer überaus emotionalen Rede an die Liebe ihres Lebens. "Ich werde nie aufhören, darüber zu reden. Vergib mir bitte, Andrei, dass es solange gedauert hat. Nach 50 Jahren haben wir unser Ziel erreicht. Aber du bist immer noch weg", sagte sie. Andere verstünden "nicht, dass man dieses Kapitel nie schließen kann. Dieses Loch in meinem Herzen wird nie heilen. Aber du, Andrei, kannst nun in Frieden ruhen. Und ich kann es auch, bis wir uns wiedersehen."
Herzog dankte Steinmeier für seine "mutige, historische Rede" und seine "großartigen Anstrengungen". Dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) warf er "Gleichgültigkeit" vor. Dessen heutiger Präsident Thomas Bach bezeichnete den 5. September 1972 als "dunkelsten Tag der Olympischen Geschichte", der "barbarische Angriff" sei auch ein "Anschlag auf die Olympischen Spiele und die Olympischen Werte" gewesen.

Steinmeier: "Eine große Verantwortung"

Der Gedenkfeier vorausgegangen waren in den vergangenen Wochen intensive Gespräche mit den Angehörigen der Opfer. Dabei ging es vor allem um die Höhe einer "angemessenen" Entschädigungssumme. Diese soll nach Informationen von "AFP", "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung" bei 28 Millionen Euro liegen. "Ich kann sagen, es ist eine angemessene Summe", sagte Spitzer vor der Gedenkveranstaltung.
Steinmeier begrüßte es außerdem "ausdrücklich", dass die Bundesregierung die Einsetzung einer israelisch-deutschen Historikerkommission vorschlägt. "Ich hoffe, dass es der Kommission gelingen wird, mehr Licht in dieses dunkle Kapitel zu bringen. Voraussetzung ist, dass sie möglichst umfassenden Zugang zu Dokumenten erhält und dass sie nach Kräften in ihrer Arbeit unterstützt wird", sagte er. Auch die Einsicht aller Akten war den Hinterbliebenen bisher verweigert worden.
Den Experten beider Länder komme dabei "eine große Verantwortung" zu, sagte Steinmeier: "Ihre Arbeit wird vielleicht schmerzhafte, unbequeme Wahrheiten zutage fördern, auch zutage fördern müssen. Aber wir müssen die Geschichte von München '72 aufarbeiten – und im Übrigen auch die Geschichte der Nichtaufarbeitung." Nur wenn die Wahrheit ans Licht komme, "wenn wir uns zu unseren Fehlern und Versäumnissen bekennen, kann die Wunde, die auch unser Rechtsstaat 1972 davongetragen hat, kann diese Wunde heilen".
(SID)
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