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IOC-Urteil gegen Russland: Ein Kommentar von Sigi Heinrich

Sigi Heinrich

Update 06/12/2017 um 18:25 GMT+1 Uhr

Eurosport Olympia-Kommentator Sigi Heinrich beleuchtet in seinem Blog das Urteil des Internationalen Olympischen Komitee, das russische Team von den Winterspielen in PyeongChang auszuschließen. Dabei kommt er zu der Erkenntnis, dass die Entscheidung "wachsweich" ausgefallen ist und beileibe nicht alle Beteiligten trifft. Aber: Heinrich kann dem IOC-Urteil auch einen positiven Aspekt abgewinnen.

Thomas Bach und Samuel Schmid

Fotocredit: Getty Images

Einzelfälle? 36 Sportlerinnen und Sportler aus Russland hat der Schweizer Denis Oswald mit seiner IOC-Kommission bisher auf Individualebene überführt. Sie sind vorerst lebenslang an der Teilnahme bei Olympischen Spielen gesperrt. Für viele ist das nicht mehr so dramatisch, da sie, wie etwa die drei Biathletinnen der Silberstaffel von Sotschi - Romanova, Viluchina und Zaitseva - nicht mehr aktiv sind.
Der Ausschluss trifft sie persönlich also nicht mehr. 36. Eine Zahl, bei der jeder gesunde Menschenverstand ahnt, ja weiß, dass ein System dahinter stecken musste. 36 verschleiern nicht gleichzeitig Doping und lassen sich auf dubiose Tricks ein, um mit Dreck am Stecken doch zu einer sauberen Weste zu gelangen. Alles wäre ja gut gegangen. Das russische Dopingsystem, das für Sotschi geschaffen wurde, um die Wintersport-Nation Nummer eins zu werden, wofür schließlich auch Milliarden ausgegeben wurden, hat funktioniert.

Betrugsmaschinerie von oberster Stelle gedeckt

Die Russen haben bei ihrer Betrugsmaschine an alles gedacht. Nur nicht daran, dass plötzlich einer ihrer wichtigsten Betrüger, Grigori Rodschenkow, die Seiten wechselt. Der ehemalige Leiter des Moskauer Dopinglabors setzte sich in die USA ab und liefert seitdem immer wieder neue Beweise einer letztlich auch menschenverachtenden Dopingpolitik in Russland ab. In ihrem Ausmaß muss allen auch klar sein, dass diese Betrugsmaschinerie von oberster politischer Stelle gedeckt sein musste.
Erste, klare Konsequenzen vom IOC (Internationalen Olympischen Komitee) für Rio de Janeiro 2016 blieben aus. Dieses schob die Verantwortung an die Fachverbände ab. Die Meisten machten die Augen zu. Nur die Leichtathleten sprachen ein generelles Startverbot aus. Auch jetzt ist dem IOC der ganz große Wurf nicht gelungen, um deutlich zu machen, dass es den Kampf gegen Doping mit entschiedenster Härte führt.

Es bleibt eine Chance

Das hätte nur ein bedingungsloser Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen in PyeongChang deutlich gemacht. Nun ist es eine wachsweiche Entscheidung geworden. Das NOK (Nationale Olympische Komitee) Russlands ist ausgeschlossen. Somit wird kein russisches Team bei der Eröffnungsfeier einmarschieren. Dennoch werden Athletinnen und Athleten aus Russland dabei sein. Unter neutraler Flagge und gewissen Auflagen des IOC dürfen sie starten.
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IOC schließt Team Russland von PyeongChang 2018 aus

Eine Entscheidung, die man indes im Sinne der Aktiven auch goutieren kann. Ich greife ein Beispiel heraus. Die Eiskunstläuferinnen Alina Zagitova und Evgenia Medvedeva. Beide sind Kandidatinnen für die Goldmedaille. Sie waren in Sotschi gerade 12 beziehungsweise 13 Jahre alt und haben mit dem perfiden Dopingsystem der russischen Funktionäre und Ärzte sicher nichts zu tun. Ihnen bleibt die Chance, sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Und das ist gut so.

Die Schuld wird bei anderen gesucht

Uns nimmt man dennoch nicht den Argwohn, der russische Athleten weiterhin begleiten wird. Vor allem nicht bei jenen, die in Sotschi für Russland siegten und in PyeongChang erneut an den Start gehen dürfen, weil ihre Individualschuld noch nicht nachgewiesen ist oder nicht nachgewiesen werden konnte, da ja der Austausch der Dopingproben ziemlich perfekt funktionierte (manche sind immer noch fleißig im Weltcup unterwegs).
Ich werde russische Medaillen, sollten sie zustande kommen in Südkorea, garantiert nicht mit Euphorie und Begeisterung begleiten, zumal aus Russland selbst keine Zeichen kommen, dass es besser werden soll. Im Gegenteil. Die russischen Funktionäre und Politiker suchen die Fehler bei allen anderen, ja haben gar die Chuzpe, ein Komplott aus dem Westen gegen sie ins Feld zu führen. Das alles ist politisch motiviert. In Russland ist man sich keiner Schuld bewusst, gibt nicht zu, dass man belogen und betrogen hat, trotz längst stichhaltiger und mehrfach überprüfter Beweise dafür. McLaren-Report, Schmid-Kommission, Oswald-Kommission.
Die Anstrengungen, die die RUSADA (Russische Anti-Doping-Agentur) unternommen hat, um wieder eine Akkreditierung zu erhalten, sind zudem krachend gescheitert. Russland hat sich mit Lügen und Intrigen ins Aus manövriert. Dass möglicherweise unschuldige Sportler darunter nicht gänzlich zu leiden haben, ist der einzige positive Aspekt der IOC-Entscheidung.
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