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Olympia 2018 - Sigi-Heinrich-Blog: Von Erdbeben und fahrenden Diskotheken

Sigi Heinrich

Update 12/02/2018 um 08:59 GMT+1 Uhr

Olympia 2018 in Pyeongchang ist in vollem Gange. Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich ist in Südkorea vor Ort und erlebt alles hautnah. Neben den sportlichen Highlights, wie den Goldmedaillen der Biathlon-Stars Laura Dahlmeier und Arnd Peiffer, hält Olympia auch weniger schöne Überraschungen bereit. Neben dem eisigen Sibirien-Wind hat der Kommentator zudem mit einem Erdbeben zu kämpfen.

Olympia 2018: In Pyeongchang herrschen eisige Bedingungen

Fotocredit: Getty Images

Der tägliche Blick aus dem Fenster macht am Morgen erst mal richtig gute Laune. Die Sonne scheint. Blauer Himmel. Auf geht's. Hinaus in das olympische Leben.
Aber schon beim ersten Schritt aus der Zimmertür in die ewig langen Hotelgänge ahne ich, dass es wieder ein schwieriger Tag wird. Ein sausendes Geräusch empfängt mich, und beim Öffnen der Außentür geht der stürmische Wahnsinn weiter. Der Nordwind aus Sibirien hält die Olympischen Spiele in seinem eisernen Griff. Es hagelt Absagen und Verschiebungen, die vor allem logistische Probleme mit sich bringen.
Dort, wo die Abfahrer untergebracht waren, sollten jetzt die Damen ihr Beautycase abstellen. Angesichts der #Metoo-Debatte muss man mit diesem Thema jetzt vorsichtig umgehen, vor allem im österreichischen Lager, wo ehemalige Skirennläuferinnen mit Vorwürfen gegen ihre damaligen Trainer die Öffentlichkeit aufschrecken. Zurückhaltung und Vorsicht ist also geboten in jedweder Hinsicht.

Die Schrecken der Nacht

Derweil, gebe ich zu, geht bei mir ein wenig die Angst um. Vor zwei Tagen, ich lag mal wieder lange wach, weil sich mein Biorhythmus einfach nicht auf südkoreanische Breitengrade einstellen will, wackelte plötzlich mein Bett.
Bitte jetzt keine falschen Schlüsse ziehen. Es kam wie aus heiterem Himmel. Mein erster Gedanke hat sich später bestätigt. Es war ein Erdbeben. Das Zentrum mit der Stärke 4,6 lag nahe der Küstenstadt Pohang, etwa 200 Kilometer südlich von Pyoengchang entfernt. 20 Menschen sollen verletzt worden sein.
Zur Beruhigung sagte ein Sprecher des Organisationskomitees, dass die olympischen Sportstädten so gebaut worden sind, dass sie Erdstössen bis 7.0 aushalten würden. Ich meine, 4,6 ist jetzt davon so weit nicht mehr entfernt, und ob die riesige Hotelanlage, ich der ich mein längst weißes Haupt täglich bette, auch so erdbebensicher gebaut wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Ich hoffe es.

Goldige Biathleten

Erdbeben ganz anderer Art finden derweil an der Sportstätte statt, in der ich täglich aufschlage. Im Alpensia-Biathlon-Center wirbeln die deutschen Teilnehmer nach Lust und Laune die Konkurrenz durcheinander. Erst gewann Laura Dahlmeier vor allem dank einer cleveren Leistung am Schießstand Gold im Sprint, und einen Tag später legte Arnd Peiffer goldig nach.
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Eiskalt & supercool: So holte Laura Dahlmeier Gold im Sprint

Und das, obwohl er vorher nur Pech hatte. Erst vergaß er den Schlüssel zum Waffenschrank, dann brach eine halbe Stunde vor dem Rennen der Schlagbolzen an seinem Gewehr, und dann flog er im Wachkabinentrakt auch noch die halbe Treppe hinunter und schlug sich den Ellenbogen an. Jeden anderen Athleten hätte das an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht. Natürlich nicht Peiffer, den in sich ruhenden Pol im deutschen Team.
Er steckte das alles weg und behielt die Nerven mit einer perfekten Einstellung. "Der Wind war eigentlich gut für mich", sagte Arnd Peiffer. Diese Meinung teilten vor allem die großen Favoriten nicht unbedingt. Der Franzose Martin Fourcade und der junge Norweger Johannes-Tignes Boe wurden vom Nordwind im Sprint auf die hinteren Plätze geweht.

Die fahrende Diskothek

Derweil fiel Felix Loch, der deutsche Rodler, in eben ein solches. Emotional gesehen. Auf dem Weg zum Sieg krachte er in Kurve neun an die Bande. Dahin war der Speed und futsch die schon sicher geglaubte Goldmedaille.
Ich habe das auf dem Rückweg vom Biathlon ins Hotel sehen können. Im Bus. Kein Witz. Denn diese Busse sind der Wahnsinn. Oberhalb des Fahrers ist ein derart großer Bildschirm angebracht, dass ich mir immer Sorgen mache, ob der Fahrer noch die Strasse sieht.
Um ihn herum ist heimelige Atmosphäre. Brokatbordüren in goldenen Farben zieren die Fenster. Das Lenkrad ist mit einer orangefarbenen Hülle umgeben. Auf der Ablage vor dem Fahrer, der natürlich Handschuhe trägt, sind künstliche Blumentöpfe angebracht. Festgeklebt natürlich, damit sie in den Kurven auch halten. Von der Decke strahlen LED-Leuchten in vielen Farben. Eine gut ausgestattete Diskothek ist ein Armenhaus gegen diese Omnibusse.
Ich stelle mir dann immer vor, dass ich gar nicht mehr aussteige, dass ich an einem Ruhetag einfach irgendwo einsteige, den ganzen Tag herumfahre (ich habe ja freie Fahrt mit meiner Akkreditierung). Hinunter zur Küste zu den Eiskunstläufern. 80 Kilometer Fernsehschauen. Live. Und zurück das Gleiche nochmal.
Ich verpasse nichts und bin doch unterwegs und vielleicht sogar auf der sicheren Seite, falls die Erde hier noch einmal beben sollte. Und außerdem ist immer warm im Bus und auch nicht windig.
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