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Tour de France 2016: Chris Froome schlägt zu, Emanuel Buchmann glänzt, Tinkoff im Dilemma

Andreas Schulz

Update 10/07/2016 um 10:12 GMT+2 Uhr

Die 8. Etappe der Tour de France 2016 hatte es mächtig in sich: Wir nehmen den Auftritt von Chris Froome, Emanuel Buchmann & Co unter die Lupe und beleuchten auch das Abschneiden der Franzosen, die schwierige Situation um Alberto Contador, Rafal Majka und Peter Sagan im Tinkoff-Team und erinnern daran, dass auch ein deutsches Trio einst drei Wertungen der Tour anführte - wie jetzt die Briten.

Peloton, Tour de France 2016

Fotocredit: AFP

Froome schlägt zu: Im konkreten wie übertragenen Sinne hat der Titelverteidiger auf der ersten großen Bergetappe die Dinge in die Hand genommen.
Sportlich war es ein feiner taktischer Coup, der die Konkurrenz kalt erwischte. Ob diese Sekunden die Tour am Ende entscheiden oder Fußnote bleiben, ist noch völlig offen. Doch Froome hat gezeigt, dass er Überraschungseffekte als Waffe in seinem Repertoire hat und nicht nur die Standard-Attacke im Nähmaschinen-Modus bei der ersten Bergankunft.
Sein Auftritt erforderte Mut, Risikobereitschaft und technisches Können, der "Bruchpilot" von einst hat mit einer Abfahrt im Stil von Tony Martin gezeigt, dass er neue Register ziehen kann. Aber Achtung: Der stolze Kolumbianer Nairo Quintana dürfte eine schnelle Revanche anstreben und die Scharte schnell auswetzen wollen - was könnte da besser gelegen kommen als eine Bergankunft auf über 2200m Höhe...?
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Froome: Akrobatische Abfahrt zum Sieg

Die Aktion von Froome gegen den aufdringlichen Fan mit seiner Fahne wiederum war kein Ruhmesblatt, doch im Eifer des Gefechts zumindest nachvollziehbar. Wer von Zuschauern schon beschimpft und bespuckt wurde, hat auf ungefragten Nahkontakt mit Sturzrisiko wenig Lust, das kann ich bestens verstehen. Ok war der Schlag nicht, aber es war auch kein Tyson-Fury-Hieb.
Die Geldstrafe der Organisatoren war korrekt, einen Ausschluss wie beim Italiener Wladimir Belli im Giro 2001 zu fordern, ist übertrieben. Dessen gezielter Schlag ins Gesicht eines stehenden Fans war eine weitaus üblere Aktion.
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Rumms! Froome wird handgreiflich gegen Fan

Briten auf breiter Front: Gelb, Grün & Weiß - mit Froome, Cavendish und Yates führen die Briten gleich drei Sonderwertungen an. Doch noch ist der Vorsprung gering und dieses "Triple" nur eine nette Momentaufnahme fürs Jahrbuch des Verbandes.
Wie schnell sich das ändern kann, wissen viele deutsche Fans noch: Bei der Tour 2001 boten Jens Voigt, Erik Zabel und Jörg Jaksche am Start der 8. Etappe in Colmar auch ein schönes Bild, im Ziel waren Gelb & Grün dann aber schon weg. In Paris wiederum stand nur Zabel als Sieger einer Sonderwertung auf dem Podest.
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Tour de France 2001, Colmar: Erik Zabel, Jens Voigt, Jörg Jaksche

Fotocredit: Imago

Buchmann bei den Besten: Platz 15 in Bagnères de Luchon unterstreicht, dass der ruhige Ravensburger seinen Worten auch Taten folgen lässt und die Top 20 der Gesamtwertung keinesfalls reines Wunschdenken sind. Im Zentralmassiv hatte er noch fast doppelt so viel Zeit auf Quintana & Co verloren wie auf dieser 8. Etappe.
Aus meiner Sicht war das seine bislang beste Tour-Vorstellung, sie ist höher einzuschätzen als sein dritter Etappenplatz im Vorjahr in Cauterets. Denn diesen erkämpfte er als Ausreißer, jetzt aber fuhr er auf noch schwererem Parcours lange mit den absoluten Assen mit und konnte am Ende den Rückstand zu ihnen sehr achtbar begrenzen.
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Emanuel Buchmann, Tour de France 2016, Bora-Argon18

Fotocredit: Imago

Frankreich lässt Federn: Der gallische Hahn stolziert bei der Tour nach dieser 8. Etappe nicht mehr mit ganz so breiter Brust umher. Waren im Zentralmassiv die französischen Fahrer gleich als Quintett in der ersten Gruppe vertreten, fand sich nun nur noch der sehr starke Romain Bardet an der Seite der Podiumskandidaten wieder.
Sicher, Pierre Rolland hatte Pech mit seinem Sturz und konnte unter diesen Umständen den Rückstand noch begrenzen (+1:45), er hat wie Warren Barguil (+1:41) noch Kontakt zu den Top Ten in der Gesamtwertung. Julien Alaphilippe hingegen verlor über 25 Minuten und alle Hoffnungen in der Nachwuchswertung gleich mit.
Thibaut Pinot wiederum kann sich ab sofort auf den Kampf ums Bergtrikot und einen prestigeträchtigen Sieg am Ventoux oder in den Alpen konzentrieren: Über eine Viertelstunde Rückstand im Ziel nach seinem Ausreißversuch heute gibt ihm nun freie Fahrt. Seinen Teamkollegen übrigens gleich mit, die sich in der ersten Woche lange von allen Attacken fernhielten, um ihre Kräfte für den Kapitän zu sparen. Gerade auf Frankreichs Meister Arthur Vichot freue ich mich jetzt im Angriffsmodus.
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Thibaut Pinot (FDJ) und Rafal Majka (Tinkoff) bei der Tour 2016

Fotocredit: AFP

Tinkoff muss sich entscheiden: Das russische Team hat entschieden zu viele Bälle in der Luft. Alberto Contador kämpft weiter um ein gutes Gesamtergebnis und hat m.E. auch noch alle Chancen auf die Top 5, wenn er auf der Etappe nach Andorra wieder erfolgreich Schadensbegrenzung betreibt. Dabei bleibt er aber auf sich alleine gestellt, denn Roman Kreuziger (aktuell 12./+0:34) will man nicht zum Kapitän zurückbeordern - einen anderen starken Helfer für die Etappenfinals gibt es aber nicht.
Ganz nebenbei ist da noch Peter Sagan, dem ein weiterer Etappensieg und ein erneutes Grünes Trikot absolut zuzutrauen sind, der aber dabei auch nicht alles als One-man-show stemmen kann. Jetzt hat jedoch auch noch Rafal Majka das Bergtrikot übernommen und wird es höchst ungern wieder abgeben... Bilanz: Zwei Aspiranten fürs Gesamtklassement, zwei Anwärter auf Sonderwertungen.
Das alles in einem Team, das sich zum Jahressende auflöst und wo jeder versucht, einen neuen Vertrag zu möglichst attraktiven Konditionen zu ergattern - viel Spaß.
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