Tour de France - Voigt-Kolumne: "Glaube an deutschen Etappensieg"

Jetzt haben wir schon zwei Wochen der Tour de France hinter uns gebracht und können uns immer noch nicht auf einen Sieger festlegen, weil die Zeitabstände im Gesamtklassement auch nach 17 Tagen zu gering sind. Dafür steht mit Slowenien bereits die Siegernation fest. Primoz Roglic und Tadej Pogacar werden den Ausgang der Frankreich-Rundfahrt unter sich ausmachen. Auf den Plätzen drei und vier folgen mit Rigoberto Uran und Miguel Ángel López zwei Kolumbianer.

Am spektakulärsten war bisher sicher die totale Explosion von Vorjahressieger Egan Bernal und Team Ineos Grenadiers. Diese Thematik hatte ich bereits vergangene Woche angeschnitten. In den vergangenen Tagen kristallisierte es sich dann immer mehr heraus, dass die gesamte Mannschaft einfach zehn Prozent schwächer ist als Jumbo-Visma.

Ich bin weit davon entfernt, Häme über Team Ineos auszuschütten. Die Jungs sind allesamt hervorragende Rennfahrer und Bernal als amtierender Champion ist natürlich immer noch eines der großen Talente im Peloton sowie ein ganz feiner Mensch, stets freundlich, höflich und korrekt. Daher fühle ich seinen Schmerz mit ihm.

In der britischen Mannschaft gilt es jetzt, die vergangenen drei Monate zu analysieren und die Fehler zu finden, die ganz offensichtlich in der Vorbereitung gemacht wurden. Des Weiteren muss Ineos seine Taktik umstellen. Vergesst das Gesamtklassement und versucht stattdessen, noch mindestens eine Etappe zu gewinnen. Kommt zurück und verdient Euch den Respekt und die Liebe der Fans - zeigt, dass ihr wahre Champions seid. Hinfallen ist erlaubt, Liegenbleiben wäre eine Schande.

Am anderen Ende der Gefühlsskala befindet sich Marc Hirschi mit einem kompletten Satz Podiumsplatzierungen bei dieser Tour. Welch ein Talent des Schweizer Radsports! Zudem befindet sich der 22-Jährige erst am Beginn seiner Karriere - in den nächsten Jahren wird er ganz sicher noch besser werden.

Team Sunweb fährt eine überragende Tour und es würde mich nicht überraschen, wenn es der Eidgenosse und seine Mannen auch noch auf das Bergtrikot abgesehen haben. Schließlich liegt er in der Bergwertung nur fünf Punkte hinter dem führenden Benoît Cosnefroy.

Etwas weniger knapp geht es in der Zwischenwertung des Grünen Trikots zu. Der Vorsprung von Sam Bennett auf Peter Sagan beträgt immer noch 45 Punkte und ich wage zu behaupten, dass der Bora-hansgrohe-Profi und dreifache Weltmeister die Punktewertung nur noch gewinnen kann, wenn Bennett Paris am kommenden Sonntag aus irgendeinem Grund nicht erreicht.

Der Kampf um das Weiße Trikot hingegen ist entschieden. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass Tadej Pogacar die Wertung des besten Jungprofis für sich entscheiden wird. Mein Topfavorit auf die Mannschaftswertung ist Team Movistar.

Unsere deutschen Radprofis fahren alles in allem eine gute Tour. Immer präsent, immer vorne mit dabei, am Ende hat bisher ein wenig mehr Stärke sowie das berühmte Quäntchen Glück gefehlt. Ich bin mir sicher, dass wir in den kommenden Tagen zumindest einen Etappensieg durch Emanuel Buchmann, Lennard Kämna, Max Schachmann oder Simon Geschke sehen werden.

Zudem haben unsere Topsprinter Max Walscheid und André Greipel in Paris noch eine reelle Chance auf den prestigeträchtigen Triumph auf den Champs-Élysées.

Ich freue mich auf spannende Tage und ein grandioses Finale in Paris.

Euer Jens Voigt