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Tour de France 2022 - Drei Dinge, die auffielen: Geschke distanziert Vingegaard, Pogacar nicht

Felix Mattis

Update 20/07/2022 um 08:53 GMT+2 Uhr

Die erste Pyrenäen-Etappe der 109. Tour de France hat große Versprechungen für die kommenden zwei Tage gemacht: Die Radsport-Fans dürfen sich auf ein packendes Duell um den Tour-Sieg freuen, aber auch auf eine völlig unberechenbare Situation auf den Plätzen dahinter und einen deutschen Krimi ums Bergtrikot. Die Geschichte des Tages aber war die des Siegers: Hugo Houle. Drei Dinge, die auffielen.

Highlights: Pogacars Attacken prallen an Jumbo-Teamwork ab

Tadej Pogacar hat alles versucht und schon mal einen Vorgeschmack auf seine wohl anstehenden Attacken am Mittwoch und Donnerstag gegeben.
Doch der Slowene konnte Jonas Vingegaard am Port de Lers und der Mur de Péguère nicht abschütteln.
Dafür verschob sich die Gesamtwertung hinter dem Duo wieder in völlig andere Richtungen, als es die letzten Trends hatten vermuten lassen.
Große Leistungen zeigten aber vor allem auch Etappensieger Hugo Houle und der Freiburger Simon Geschke, der eindrucksvoll sein Bergtrikot verteidigte.
Drei Dinge, die beim Pyrenäen-Aufgalopp auffielen:

1.) Geschke legt wichtiges Polster zwischen sich und Vingegaard

Zwölf Punkte hat Simon Geschke am Dienstag für sein Bergtrikot gesammelt und seinen Vorsprung in der beliebten Sonderwertung damit auf 19 Zähler gegenüber dem Zweitplatzierten Louis Meintjes ausgebaut. Überhaupt: Von seinen acht ärgsten Verfolgern in der Bergwertung punktete auf der 16. Etappe kein einziger. Besser hätte es für Geschke somit kaum laufen können. Und trotzdem darf sich der Freiburger noch nicht zu sehr freuen.
"Es war ein großes Investment heute, aber wichtig war, dass es sich gelohnt hat – nicht wie in Mende, wo ich viel investiert und dann nur drei Punkte geholt habe", sagte Geschke nach der Etappe. "Heute waren es zwölf und das war auf jeden Fall ein wichtiger Schritt – wenn auch nur ein kleiner, wenn man sich die Profile von morgen und übermorgen anguckt."
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Geschke setzt alles aufs Bergtrikot: Wichtiger Coup am Port de Lers

Am Mittwoch nämlich sind bis zu 35 Punkte an drei Bergen der 1. Kategorie und einem Berg der 2. Kategorie zu ergattern. Am Donnerstag sind es dann sogar 55 – zweimal Ehrenkategorie, einmal 1. Kategorie. Möglich ist in der Bergwertung also noch alles und für Geschke geht es in erster Linie darum, seine ärgsten Gegner zu beschatten, wie er es am Dienstag machte, als Neilson Powless in die Gruppe ging.
"Neilson war heute der einzige Grund, warum ich in der Gruppe war", sagte er. "Ich versuche, meine schärfsten Kontrahenten nicht aus dem Auge zu lassen."
Der allerschärfste Kontrahent scheint leider allerdings keiner zu sein, dem Geschke bergauf folgen kann: Jonas Vingegaard. Der Mann im Gelben Trikot hat als Vierter der Bergwertung bereits 36 Punkte auf dem Konto.
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Geschke und sein Bergtrikot: So kann er es jetzt bis Paris tragen

Wenn er und Tadej Pogacar im Kampf um den Gesamtsieg bei den anstehenden Bergankünften in Peyragudes und Hautacam ernst machen, indem sie auch die Tagessiege abräumen, dann wird es sehr eng für Geschke. Dann muss er dringend vorher an den früheren Anstiegen der beiden Etappen in Ausreißergruppen selbst noch ordentlich punkten.
Umso wichtiger war, dass er auf der 16. Etappe nicht nur die zehn Punkte für Platz eins am Port de Lers (1. Kategorie) nach großem Kraftakt mitnahm, sondern auch an der Mur de Péguère noch verbissen bis zum Gipfel kämpfte. Die zwei Punkte dort nämlich sorgten dafür, dass Geschke nun 22 Zähler vor Vingegaard liegt. Ein Etappensieg bei der Ehrenkategorie-Ankunft in Hautacam allein würde dem Dänen so nämlich jetzt nicht mehr reichen, um Geschke das Trikot auszuziehen.

2.) Der Kampf um die Gesamtwertung brennt lichterloh - überall

Nein, es ist ganz vorne im Gesamtklassement in Foix nichts passiert. Tadej Pogacar attackierte zwar dreimal am Port de Lers, doch distanzieren konnte der slowenische Titelverteidiger Jonas Vingegaard nie.
Der Däne gab sich keine Blöße und verteidigte auf der ersten der drei Pyrenäenetappen souverän seinen Vorsprung von 2:22 Minuten. Doch Pogacar hat es versucht und der Slowene wird es auch am Mittwoch und Donnerstag weiter versuchen – mehrmals, mit Sicherheit.
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Analyse: Souveräner Vingegaard hat Pogacar-Attacken im Griff

"Ich freue mich auf die nächsten zwei Tage, denn es gibt dort mehr Chancen als heute", sagte Pogacar in Foix. Viel spannender könnte der Kampf um den Tour-Sieg gar nicht sein. Doch noch spannender ist es auf den Positionen hinter den beiden Überfliegern. Denn dort verschieben sich die Kräfteverhältnisse quasi täglich.
Insgesamt sah Geraint Thomas bislang wie die klare Nummer drei aus. Doch in der steilen Mur de Péguère war plötzlich Nairo Quintana besser als er und rückte auf Gesamtrang vier hinter Thomas vor, während David Gaudu leicht schwächelte, Adam Yates etwas mehr schwächelte und Romain Bardet einen wirklich schwarzen Tag erwischte. Innerhalb der Top 10 scheint in den kommenden Tagen noch alles möglich zu sein – in alle Richtungen.
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"Da stehst Du plötzlich vor einer Wand" - Ausblick auf Etappe 17

Auffällig war dabei, wie schon in Chatel oder Mende beziehungsweise bei der berüchtigten Turin-Etappe des Giro d'Italia in diesem Jahr, dass es gar nicht immer die als am schwersten eingestuften Bergetappen braucht, um richtig Bewegung ins Klassement zu bringen. Rampen wie die Mur de Péguère können, wenn sie gut liegen in Verbindung mit anderen Anstiegen einen manchmal größeren Schaden anrichten, als die viel berühmteren Hochgebirgsriesen der Tour-Historie.

3.) Hugo Houle siegt endlich für seinen Bruder

Es war die wohl schönste Siegergeschichte der bisherigen Tour: Hugo Houle feierte fast zehn Jahre nach dem tragischen Unfalltod seines drei Jahre jüngeren Bruders Pierrik seinen ersten Profisieg außerhalb Kanadas und widmete ihn ihm – ausgerechnet bei der Tour, die die Brüder früher jeden Sommer gemeinsam im Fernsehen verfolgten.
Schon vor der Tour 2021 hatte er verraten, dass es sein großer Traum sei, für seinen toten Bruder eine Etappe zu gewinnen. Im vergangenen Jahr kam er der Erfüllung dieses Traums nie wirklich nah, mit absoluter Top-Form hat es nun aber endlich geklappt.
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"Das ist für meinen verstorbenen Bruder": Große Emotionen bei Houle

Schon auf der 13. Etappe in Saint-Etienne gehörte er zum Trio, das um den Sieg sprintete, musste sich aber Mads Pedersen und Fred Wright geschlagen geben. Und auf dem Weg nach Foix nun passte alles zusammen – verrückterweise, obwohl das gar nicht der Plan gewesen war.
Als ich attackierte, wollte ich damit eigentlich Michael Woods helfen", schilderte er seinen Vorstoß am Fuß des Anstiegs zur Mur de Péguère. Doch niemand folgte, und so konnte Woods auch den geplanten Konterangriff nach dem Schließen der Lücke nicht mehr setzen. "Als ich gesehen habe, dass sie mich fahren lassen, bin ich All-In gegangen", so der aus Quebec stammende Houle, der jahrelang als reiner Zeitfahrspezialist galt – kein Wunder, liegen seine Wurzeln doch im Triathlon.
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Analyse des emotionalen Houle-Sieges: "Am Anfang war das nur ein Testballon"

Schwimmen, Radfahren und Laufen waren auch ein gemeinsames Hobby von Hugo und Pierrik Houle. "Wir haben damit gemeinsam angefangen – ich glaube als er neun und ich zwölf war. Er war am Anfang schneller als ich", sagte Hugo Houle im vergangenen Jahr dem US-amerikanischen Radsport-Magazin Peloton.
Am 21. Dezember 2012, Hugo Houle hatte gerade seinen ersten Vertrag bei einem europäischen Profiteam unterschrieben – er fuhr 2013 für Ag2r – geschah aber das Unfassbare: Pierrik Houle wurde beim Joggen von einem Auto erfasst und starb noch an der Unfallstelle. Hugo Houle fand seinen drei Jahre jüngeren Bruder leblos an der Straße.
Wie sich später herausstellte, war der Unfallverursacher betrunken gewesen und hatte Fahrerflucht begangen. Er wurde zu elf Monaten Freiheitsstrafe und einem dreijährigen Fahrverbot verurteilt.
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"It's for my brother, man" - Houle widmet Sieg verstorbenem Bruder

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