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Tour de France - Geschichte(n): Wilde Stürze von Lance Armstrong, Jan Ullrich und Jens Voigt

Andreas Schulz

Update 19/07/2023 um 14:58 GMT+2 Uhr

Die Geschichte der Tour de France steckt voller Highlights, Dramen, Tiefpunkte: Wir blicken in unserer täglichen Serie zurück auf besondere Momente, die sich am 21. Juli jähren und deren Bilder uns oft noch vor Augen sind - und auf spezielle Tour-Höhepunkte aus deutscher Sicht. Heute u.a. mit Marcel Kittel, Jens Voigt, Lance Armstrong, Cadel Evans, Andy Schleck und Jan Ullrich.

Tour de France 2003, Luz-Ardiden: Lance Armstrong, Iban Mayo, Jan Ullrich

Fotocredit: Getty Images

Der 21. Juli - kein Tour-Tag wie jeder andere:
Der dramatische Höhepunkt einer packenden Tour de France 2003 ist der 21. Juli - die letzte Bergankunft steht an. Lance Armstrong geht mit 15 Sekunden Vorsprung auf Jan Ullrich in die 15. Etappe mit drei schweren Bergen. Im Schlussanstieg nach Luz-Ardiden kommt es dann zum berühmt gewordenen Zwischenfall:
Zu nah fährt Armstrong an den Zuschauern vorbei, er bleibt mit seinem Lenker in der Schlaufe eines Beutels hängen und stürzt. Auch Iban Mayo, der direkt hinter ihm fährt, kommt zu Fall, Ullrich kann gerade noch ausweichen und kurbelt in ruhigerem Tempo weiter.
Schnell ist Armstrong wieder auf dem Rad, jagt den Konkurrenten hinterher, die von Tyler Hamilton zum Warten gedrängt werden. Dabei rutscht der Texaner aus dem Pedal und vermeidet einen erneuten Sturz nur mit Glück. Nachdem sich die Favoriten wieder Seite an Seite befinden, dauert es nicht lange bis zur nächsten Attacke - die geht Armstrong mit, lässt Ullrich stehen und nimmt ihm weitere 40 Sekunden ab: Die Tour stand auf der Kippe, nun ist sie entschieden.
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2003 - Tour de France, Luz-Ardiden: Lance Armstrong stürzt

Fotocredit: Imago

Auf den Tag genau zwei Jahre davor bewegt schon einmal ein Sturz mit den gleichen Hauptdarstellern die Fans. Auch 2001 geht es durch die Pyrenäen, die 13. Etappe zur Bergankunft am Pla d'Adet führt über fünf weitere berühmte Pässe. In der Abfahrt vom Peyresourde kommt es dann zum "Ausritt" von Jan Ullrich, der an der Leitplanke vorbei im Grünen verschwindet.
Der Schreck währt nur kurz, der Deutsche Meister taucht wenig später wieder mit seinem Rad am Straßenrand auf, wo Teamkollege Kevin Livingston auf ihn wartet. Gewartet hat auch Armstrong, der Texaner hat vier Minuten Vorsprung auf den Telekom-Kapitän und es ist noch weit ins Ziel (wo er Ullrich eine weitere Minute abnehmen wird).
Tour de France 2001: Jan Ullrich
Armstrong zum Dritten - seine Geschichte wäre nicht komplett ohne den 21. Juli 1995. Denn bei allem, was der Weltmeister von 1993 dem Sport angetan hat, er hat ihm auch einen unvergesslichen Gänsehaut-Moment beschert.
Drei Tage nach dem tödlichen Sturz seines jungen italienischen Teamkollegen Fabio Casartelli geht Armstrong mit in die große Ausreißergruppe auf dem Weg nach Limoges. Auf den letzten der 166 Kilometer setzt sich der Motorola-Profi dann ab - und zeigt im Ziel gen Himmel: Dieser Sieg ist nicht für ihn, sondern für Fabio.
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Lance Armstrong gedenkt bei der Tour de France 1995 in Limoges seines Teamkollegen Fabio Casartelli

Fotocredit: Getty Images

Krönung in der Dämmerung: Den Schlusspunkt unter eine überragende Tour setzt Marcel Kittel am 21. Juli 2013: Bei der ersten abendlichen Ankunft auf den Champs Elysées krönt er seine Auftritte mit dem vierten Etappensieg und beendet die 100. Tour so, wie er sie auf Korsika begonnen hatte: Mit einem Sprintsieg.
André Greipel sorgt für einen deutschen Doppelerfolg, Mark Cavendish, so oft schon der Triumphator auf dem Prachtboulevard, muss sich geschlagen geben.
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Tour de France 2013: Marcel Kittel gewinnt in Paris auf den Champs Elysées

Fotocredit: Getty Images

Einen echten Krimi auf einer Schlussetappe gibt es 1968: Erstmals kommt die Tour dort im Velordom "La Cipalle" am Bois de Vincennes am Stadtrand von Paris an. Nach der morgendlichen Kurzetappe führt Herman Van Springel hauchdünn, doch acht weitere Fahrer haben noch Siegchancen.
Denn am Nachmittag wartet ein Zeitfahren über 55,2km. Der Belgier ist favorisiert, doch er wird auf einem anspruchsvollen und windanfälligen Kurs noch abgefangen. Der Niederländer Jan Janssen siegt mit 54 Sekunden Vorsprung, macht in der Gesamtwertung aus 16 Sekunden Rückstand damit 38 Sekunden Vorsprung und gewinnt jene erste Tour, in der Dopingkontrollen stattfinden.
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Gesamtsieger Jan Janssen und Herman van Springel am Ende der Tour de France 1968

Fotocredit: Getty Images

Wieder eine besondere Schlussetappe erlebt der 21. Juli 1974. Letztmals kommt die Tour im Velodrom an, ab dem Folgejahr liegt das Ziel auf den Champs Elysées. Dass es auch unter Freunden und Landsleuten keine Geschenke gibt, zeigt Patrick Sercu: Der Belgier sprintet in grenzwertigem Stil als Erster über die Linie, doch die Jury stuft ihn später auf Rang drei zurück.
Eddy Merckx kann sich freuen: Damit gewinnt er nun nicht nur die Gesamtwertung, sondern rückt als Tagessieger nach und hat so wie 1970 nicht weniger als acht Etappenerfolge vorzuweisen. Trost für Sercu: Im Kampf um das Grüne Trikot bleibt er um wenige Zähler vor Merckx.
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Tour de France 1974: Eddy Merckx, Raymond Poulidor, Patrick Sercu in Paris

Fotocredit: Getty Images

Eine der größten Etappen der jüngeren Tour-Geschichte erleben die Fans am 21. Juli 2011, nicht nur, weil erstmals am Galibier auf 2645m Höhe eine Bergankunft stattfindet. Sondern vor allem, weil die Favoriten diese 200 Kilometer über Angel und Izoard zum Alpen-Riesen zu einem Spektakel machen. Andy Schleck setzt mit einer Attacke schon am vorletzten Berg alles auf eine Karte, holt die Ausreißer ein und kämpft sich dann hinauf zum Ziel.
Dahinter will Thomas Voeckler im Gelben Trikot die Verfolgung nicht übernehmen - das überlässt er lieber Favorit Cadel Evans. Und der hält sich nicht mit taktischen Spielchen auf, sondern setzt sich an die Spitze der Verfolgergruppe und kurbelt den ganzen Schlussanstieg von der Spitze weg.
Am Ende werden beide Hauptdarsteller belohnt: Schleck mit einem Solo-Sieg, über zwei Minuten vor den anderen Top-Fahrern. Evans wiederum wahrt seine Chancen in der Gesamtwertung, weil er im Klassement den Rückstand auf weniger als eine Minute begrenzt - was er im Zeitfahren locker aufholen wird. Und Voeckler rettet Gelb um wenige Sekunden.
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Col du Galibier: Höchste Tour-Bergankunft und Ullrichs Schicksalsberg

Den Atem hält die Tour am 21. Juli 2009 an, als Jens Voigt auf der 16. Etappe auf der Abfahrt vom "Kleinen Sankt Bernhard" stürzt.
Bange Minuten vergehen, in denen der Mecklenburger reglos kurz hinter der Passhöhe auf dem Asphalt liegt. Saxo-Teamchef Bjarne Riis ist sofort bei ihm, umgehend wird der verletzte Routinier ärztlich versorgt. Dann endlich kommt die Entwarnung - Voigt hat sich zwar viele Verletzungen zugezogen, keine davon aber ist ernsthaft bedrohlich.
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Jens Voigt nach seinem schweren Sturz bei der Tour de France 2009

Fotocredit: Getty Images

Eine vermeintliche Heldengeschichte wird 2007 am 21. Juli geschrieben: Der schwer gestürzte Tour-Favorit Alexander Winokurow meldet sich mit einem Sieg im Zeitfahren rund um Albi zurück, über eine Minute nimmt er den Rivalen ab und rückt im Gesamtklassement dem Gelben Trikot bis auf fünf Minuten nahe.
Fans und Journalisten feiern den Kasachen für seinen Kampfgeist, doch keine Woche später verlassen er und sein ganzes Astana-Team die Tour mit Schimpf und Schande, nachdem sein positiver Test auf Blutdoping bekannt wird.
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Tour de France 2007: Alexander Winokurow (Astana) gewinnt das Zeitfahren in Albi

Fotocredit: Getty Images

Bei knappen Zeitfahrergebnissen und der Tour denkt man immer erst an Laurent Fignons Drama bei der Tour 1989. Dabei hat er 1984 bei seinem zweiten Toursieg auch einmal hauchdünn Grund zu jubeln in einem Kampf gegen die Uhr - trotz eines Defekts. Am vorletzten Tag stehen 51,5 Kilometer nach Villefranche en Beaujolais auf dem Programm - doch nach über 67 Minuten Fahrtzeit trennen den Franzosen und Sean Kelly (Irland) gerade einmal 5/100 Sekunden, einmalig bei einer solchen Distanz.
Fignon gewinnt die Tour aber nicht knapp, sondern überlegen mit mehr als zehn Minuten Vorsprung auf Hinault.
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Laurent Fignon, Tour de France 1984

Fotocredit: Getty Images

Abschließend noch Ehre, wem Ehre gebührt: Am Montag, den 21. Juli 2008 holt die Tour noch einmal Atem beim zweiten Ruhetag in Cuneo. Das ist wichtig, weil die italienischen Dopingfahnder sich an jenem Tag eine DNA-Probe von Alejandro Valverde holen, mit der sie ihn als Fuentes-Kunden überführen werden. Aber es ist auch der Tag, an dem Cadel Evans bei seiner großen Pressekonferenz Flagge zeigt - im wahrsten Sinn des Wortes. Den Journalisten, die vom knapp enttrohnten Gelben Trikot eine Einschätzung der nächsten Etappen wollen, zeigt er dezent seine Überzeugungen:
Auf seinem Unterhemd prangt nicht irgendein Sponsorenschriftzug, sondern die Fahne Tibets mitsamt klarer Botschaft. Was im Rennen oft kaum oder schwer zu erkennen ist, kann nun jeder lesen.
Das ist nicht so banal wie es klingt - denn wenige Wochen vor Olympia in Peking wagt kaum ein Topsportler eine solche Positionierung.
Evans schon: Er macht nicht viele Worte darum, aber er trägt die Farben der besetzten Provinz auf seiner Brille und unter seinem Trikot durch die ganze Tour.
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Tour de France 2008, Cadel Evans mit Tibet-Botschaft unter dem Gelben Trikot

Fotocredit: Getty Images

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