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Heinrich-Blog: Olympia-Gold für Thomas Dreßen? Es prickelt schon ein bisschen...

Sigi Heinrich

Update 24/01/2018 um 19:21 GMT+1 Uhr

Nach dem Sensationserfolg von Thomas Dreßen auf der legendären Streif in Kitzbühel regen sich in Duetschland bereits leise Hoffnungen auf eine goldenen Abfahrtsmedaille bei den Olympischen Winterspielen in PyeongChang. Eurosport-Experte Sigi Heinrich erklärt, wie der plötzliche Erfolg der DSV-Abfahrer zustande kam, und wie die Piste in Südkorea beschaffen ist.

Künftiger Olympia-Sieger? Ski-Rennläufer Thomas Dreßen

Fotocredit: SID

Ich habe ja Glück: Ich werde in Pyeongchang sein. Auch am 11. Februar. Natürlich schon weit vorher, um die Eröffnungsfeier vorzubereiten (nein, ich tanze nicht mit und ich singe auch nicht, das machen jetzt ja u. a. auch die Mädels aus Nordkorea, persönlich ausgewählt von Kim Jong-un).
Es gibt ja immer, so war das zumindest bisher, einen sogenannten "Test" bevor es ernst wird im eiskalten Stadion, das extra nur für diese Feier, für die Schlussfeier auch und für die Siegerehrungen aufgebaut wurde. Es wird nach den Spielen abgerissen. Im Sommer wächst dann dort fein gemähtes Gras für flotte Golfschwünge. Und diese Vorstellung schaue ich mir immer an, damit ich wenigstens in etwa weiß, was da auf uns zukommt (wir erfahren freilich nicht, wer das Feuer entzündet, wobei ich stark auf Kim Yuna tippe, die Olympiasiegerin im Eiskunstlauf von Vancouver).
Warum aber jetzt der 11. Februar plötzlich so wichtig geworden ist (die Eröffnungsfete ist europäischer Zeit um 11.50 Uhr am 9. Februar) liegt an einem jungen Mann aus Mittenwald, der jüngst in Kitzbühel die Skiwelt ordentlich durcheinander wirbelte. Thomas Dreßen gewann die Streif und plötzlich ist natürlich alles möglich. Auch ein Olympiasieg. Warum denn nicht?

Falsche Bescheidenheit

Wir Deutschen sind da ja schnell bei der Hand und können aus anfänglicher Skepsis von heute auf morgen ungebremste Euphorie kreieren. Jahrelang hat uns nämlich der Deutsche Skiverband (DSV) immer wieder eingeredet, dass "wir", also wir in Deutschland, einfach so wahnsinnig benachteiligt sind.
Ich kann mich persönlich an solche Worte von Wolfgang Maier erinnern, der jetzt eine Führungsposition im DSV einnimmt und der dereinst ja auch mal Trainer war.
Zu kleine Berge, zu kleines Land. Und die Reisen im Sommer in die südliche Hemisphäre zum Training zu teuer. Armer Verband halt. Und ich habe mir verwundert die Augen gerieben. Was ist mit Garmisch-Partenkirchen? Die Kandahar? Legendär doch oder täusche ich mich?
Das Problem natürlich ist die Bereitstellung einer Abfahrt für den Leistungssport. Für die paar wilden Hunde, die da ungebremst runterfahren wollen. Die Piste wird für die Touristen benötigt. Auch verständlich, irgendwie.

Österreichisches Knowhow

Also Slalom und Neureuther. Auch schön. Zum Glück - und das wiederum hat Maier prima gemacht - hat der DSV den Österreicher Mathias Berthold erneut verpflichtet und der wiederum hat seinen Landsmann Christian Schwaiger, den famosen Techniktrainer, zu den Abfahrern delegiert.
Und Schwaiger hat im Grunde das geduldig in ein paar Jahren umgesetzt, was im Lehrbuch des rasenden Schussfahrers steht: Wennst keine Kurven fahren kannst, dann kannst auch nicht Schuss fahren. Und für die Riesenslalomschwünge reichen sogar die Berge in Deutschland.
Ich sehe Dreßen vor meinen Augen (natürlich habe ich mir Kitzbühel neben dem Biathlon in Antholz angeschaut). Man sagt gerne, dass Stephan Eberharters Fahrt 2007 die bislang perfekte Abfahrt in Kitzbühel war. Ich stelle Dreßens Ritt auf eine Stufe mit Eberharter.
Nicht, weil er gewann. Sondern weil die Art und Weise, wie er alle Schlüsselstellen meisterte, die Ausbildung von Berthold und Schwaiger krönte. Es war das Meisterstück. Für alle. Es war ein ganz und gar rauschendes Erlebnis.
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Momente für die Ewigkeit: Wie Streif-Held Dreßen die Sportwelt aus den Angeln hob

Erinnerung an Wolfgang Bartels

Gut, jetzt kommen vor den Olympischen Spielen noch ein paar Rennen aber dennoch: Im Terminkalender werden wir jetzt plötzlich den 11. Februar 2018 und 2.50 Uhr rot ankreuzen. Herrenabfahrt. Mit Thomas Dreßen. Vielleicht, ja vielleicht, wer weiß…
Bislang hat es noch nicht so arg viele Medaillen bei olympischen Abfahrten gegeben. Um genau zu sein: Eine Bronzemedaille. Wolfgang Bartels gewann sie 1964 in Innsbruck hinter Egon Zimmermann aus Österreich und dem Franzosen Leo Lacroix, der dann 1968 in Grenoble den olympischen Eid für die Athleten sprach.
Bartels war nach seiner Karriere einer der erfolgreichsten deutschen Trainer, was leider in Vergessenheit geraten ist. Er formte Sepp Ferstl, Michael Veith und auch Rosi Mittermeier. Es ist schön, dass wir durch Dreßen und im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Pyeongchang Wolfgang Bartels wieder entdecken, der 2007 mit erst 66 Jahren starb.

Russis Kurvenlabyrint

Die Abfahrt in Jeongseon hat Bernhard Russi gezeichnet. Mit den Möglichkeiten, die ihm gegeben waren.
Es gibt kein Steilstück, es gibt keine Gleitpassagen. Aber es gibt viele Kurven. Genau das haben die deutschen Abfahrer in den letzten Jahren so lange trainiert, bis sie jetzt Gewissheit haben, dass sie auf allen Strecken dieser Welt bestehen können.
Es wird eine spannende Nacht werden am 11. Februar. Für alle, die zu Hause in Europa sind. Ich habe da schon wieder Glück, denn wenn es meine Zeit erlaubt (an diesem Tag ist auch der Sprint der Männer im Biathlon) werde ich mir die deutschen Abfahrer vor Ort anschauen. Und ehrlich gesagt: Es prickelt jetzt schon ein bisschen.
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