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Ski Alpin: Weltcup-Auftakt in Sölden als Testlauf für die Zukunft

Sigi Heinrich

Update 16/10/2020 um 12:12 GMT+2 Uhr

Die neue alpine Skisaison steht unmittelbar vor der Tür. Doch anstatt Vorfreude herrscht Unbehagen im Fahrerlager. Schließlich wird der Weltcup-Auftakt sofort ein Gradmesser für den gesamten Sportbetrieb. Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich blickt auf den Start in Sölden voraus und fragt sich, wer nach dem Ausscheiden von Viktoria Rebensburg aus DSV-Sicht nun in die Bresche springen könnte.

Chistian Walder in Sölden - Sigi-Heinrich-Blog

Fotocredit: Imago

… und plötzlich ist er da, der Winter. Zwar noch nicht kalendarisch, aber terminlich. Das erste Skirennen steht schon wieder ins Haus. Schön, dass uns die Natur noch flott eine Kaltfront geschickt hat, um uns auf die ungemütliche Jahreszeit einzustellen. Die warmen Jacken sind jetzt griffbereit, die dazugehörigen Schuhe stehen parat. Es kann losgehen. Stapfen wir also - noch etwas unsicher - hinein in ein neues Abenteuer. Denn ein solches erwartet uns. Corona nämlich ist allgegenwärtig.
Wenn die ersten Schwünge auf dem Gletscherkurs in Sölden in den Schnee gezeichnet worden sind, gibt es vermutlich erst einmal vorsichtige Entwarnung. Hoffentlich. Dann wissen wir: Es wird ihn also geben, den alpinen Skiwinter und mit ihm wohl auch die meisten anderen winterlichen Sportarten. Doch sicher ist dies keineswegs. In Südtirol wurde der Slopestyle-Wettbewerb auf der Seiser Alm längst ein Klassiker abgesagt und auch der Skicross-Wettkampf in Innichen ist bereits gestrichen.
Das finanzielle Risiko in diesen unsicheren Zeiten war den Verantwortlichen zu groß. Deshalb haben die beiden Riesenslaloms am Wochenende am Rettenbach-Ferner in jeder Beziehung eine ungeheure Signalwirkung. Sicherheit, Hygiene, Abstandsregeln (bloß nicht zu viel zur Bestzeit): Alles steht auf dem Prüfstand, denn nach dem Corona-Hotspot Ischgl im letzten Winter weiß jeder Nordtiroler und vielleicht sogar jeder Österreicher, dass nichts, aber auch gar nichts schiefgehen darf. Gesund ankommen, lautet die Devise. Und auch wieder abreisen. Das gilt für alle.

Sölden ist nur ein Testlauf für alles

Seien wir ehrlich.
Jetzt Mitte Oktober ist das einfach nur ein Test nach einer für alle ziemlich schwierigen Vorbereitung, weil nichts so war wie in den letzten Jahren. Nervig war vor allem die Suche nach guten Trainingsbedingungen in Corona-Zeiten. Und es wird auch nichts mehr so sein wie gewohnt. Wir müssen uns auf viel Neues einstellen. Vom Ablauf her aber auch von den sportlichen Erwartungen.
Die deutsche Mannschaft etwa muss sich gänzlich neu orientieren. Der Platz auf dem Siegertreppchen ist keine Option mehr, weil die einzige dafür mögliche Kandidatin, Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg, für alle überraschend, auch für die Verantwortlichen des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), aufgehört hat. Der Schock darüber sitzt noch immer tief.
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Viktoria Rebensburg

Fotocredit: Getty Images

Das ist den Pressemitteilungen des Verbandes deutlich zu entnehmen. Man sucht förmlich nach Erklärungen und streut die üblichen Durchhalteparolen aus. Natürlich soll jetzt der berühmte Nachwuchs ran. Doch der ist auch schon 29 Jahre alt. Lena Dürr (SV Germering) ist die einzige verbliebene Konstante im DSV-Team.
Auch wenn es jetzt weh tut: Aber es wäre schon eine Überraschung, wenn eine der vier Starterinnen aus Deutschland im zweiten Durchgang des ersten Riesenslaloms dabei wäre. Das würde der um Argumente nie verlegene Alpine Sportdirektor Wolfgang Maier bereits als Erfolg vermelden.
Bei den Männern hat er es leichter. Stefan Luitz (SC Bolsterlang) und Alexander Schmid (SC Fischen) sind bereits anerkannte Größen und durchaus in der Lage, den steilen Kurs in Sölden auch zweimal in Angriff zu nehmen. Und dann ist da ja auch noch das Abfahrtsteam um Thomas Dressen und Josef Ferstl.
Doch die starken Schlussfahrer müssen sich noch gedulden. Was indes grundsätzlich fehlt, ist der Glamourfaktor auf der nach oben offenen Richterskala. Stars, die auch den Boulevard neben den Nachrichten im Sportteil beglücken, fehlen derzeit.

Schwierige Zeiten kommen auf alle zu

Es kommen schwierige, wenn nicht gar düstere Zeiten auf die Ski-Elite und deren großen Verband, den Internationalen Ski-Verband (FIS) zu. Verunsicherte Veranstalter. Keine Rennen in Übersee. Ein neuer Kalender mit plötzlich doch weniger Parallelrennen, die auf einmal eine besondere Bedeutung erhalten sollten trotz intensiver Proteste der Athleten.
Eine Blase, wie sie bei Hallensportarten (Basketball oder Volleyball) gegeben hat, ist so nicht umsetzbar im Skisport. Techniker, Athleten, Trainer, Physiotherapeuten, Streckenposten, Startrichter, Liftpersonal und Medien.
Es ist eine ganze Armada, die sich da plötzlich in einem Ort und an einem Berg, an einem Hang sogar, wiederfindet. Man sollte sich eigentlich aus dem Weg gehen und muss doch zusammenstehen. Es ist fast so, als müsse das Rad neu erfunden werden. Und natürlich muss man zunächst auf Zuschauer verzichten. Und weil die Infektionszahlen überall steigen, wird das sicher noch länger so bleiben.

Eine Zäsur ist unerlässlich

Jeder Sport, auch der alpine Skisport natürlich, erlebt jetzt eine Zäsur, einen tiefen Einschnitt. Das Überleben, auch finanziell, ist schwieriger geworden, weil die Winter-Sponsoren und auch die Skifirmen jeden Cent umdrehen.
Aktive, Verbände und Fans. Alle, die involviert sein wollen, werden lernen müssen, dass auch Bescheidenheit eine Tugend sein kann. Nach Jahren stetigen Wachstums ist dies aber auch eine Chance zur Zukunftssicherung. Das Virus weist uns jetzt den Weg. Auch zwischen den Slalomtoren.

Zur Person Sigi Heinrich:

Der renommierte Sportjournalist, Buchautor und vielfach ausgezeichnete Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich widmet sind in seinen Blogs der gesamten Vielfalt des Sports inklusive der komplizierten Mechanismen der Sportpolitik. Mal sehr ernsthaft, mal mit einem verschmitzten Augenzwinkern und manchmal auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle was dabei sein.
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