Jewgeni Klimow: Vom Kombinierer-Flop zum Skisprung-Top

Eigentlich war Jewgeni Klimow als Wintersportler erledigt. Ausgerechnet bei Heim-Olympia 2014 in Sotschi wurde er als Kombinierer noch 45. und Letzter - nachdem er im Springen Platz drei belegt hatte. Welch' eine Schmach!

Doch Klimow gab nicht auf, stellte alles auf den Prüfstand, besann sich auf seine eigentliche Stärke und wurde Schanzen-Spezialist. Mit durchschlagendem Erfolg: Viereinhalb Jahre nach seinem Olympia-Desaster ist Klimow erster Skisprung-Weltcupsieger in Russlands Geschichte.

"Das ist absolut perfekt gelaufen, dieser Sieg ist eine riesige Ehre", sagte der 24-Jährige nach seinem Auftaktcoup in Wisla, der einerseits überraschend, aber doch irgendwie auch mit Ansage kam. Trotz Kamil Stoch, trotz Andi Wellinger, trotz Stefan Kraft: Klimow, der als Weltcup-Führender am Wochenende im finnischen Kuusamo antritt, ist das derzeit heißeste Ding im internationalen Skispringen. Er sagt:

Bis zum Sommer war der Schlaks aus Perm, der östlichsten Millionenstadt Europas, bestenfalls eine Randerscheinung im Skisprung-Zirkus. Gut, im Januar 2017 sprang er bei der Vierschanzentournee in Innsbruck auf Platz drei, das ließ sich aber in einem bei widrigsten Bedingungen nach einem Durchgang abgebrochenen Wettkampf als Zufallstreffer abhaken - zumal er in der gesamten Saison 2017/18 einen 19. Rang als bestes Ergebnis zustande brachte.

Doch dann kam der Sommer 2018, dann kam Klimow: Im Matten-Grand-Prix war der russische Außenseiter eine Klasse für sich, beherrschte die versammelte Weltspitze, gewann ein Springen, landete fünf weitere Male auf dem Podium und war in zehn Wettbewerben nie schlechter als Fünfter. Aus "Jewgeni wer?" wurde "der Jewgeni!". Der Ex-Soldat sagte:

Nun hatte das russische Skispringen eine Motivationsspritze auch bitter nötig. Freilich, die Sowjets brachten einen Olympiasieger in grauer Vorzeit hervor - 1968 gewann Wladimir Beloussow in Grenoble. Danach hatte eigentlich nur noch Klimows mittlerweile 38 Jahre alter Teamkollege Dimitri Wassiljew für Aufsehen gesorgt. Mit acht Podestplatzierungen im Weltcup, dem weitesten Skiflug der Geschichte (254,0 m 2015 in Vikersund, allerdings nicht gestanden) - und als bislang einziger überführter Dopingsünder des Skispringens (zwei Jahre Sperre ab 2001).

Dass Klimow aber seine Form von der Matte in den Schnee retten konnte, ist keineswegs selbstverständlich, schließlich hält es das Sommer-Skispringen wie der Hallenfußball: Mitunter nett anzuschauen, aber eigentlich ein Lückenfüller ohne Aussagekraft - vor Klimow hatte zuletzt 2007 der Österreicher Thomas Morgenstern als Grand-Prix-Gesamtsieger auch den Weltcup-Auftakt gewonnen. Morgenstern marschierte damals zum Winter-Gesamtsieg durch. Ist das auch Klimow zuzutrauen?

"Er war auf jeden Fall sehr stark", sagte Stephan Leyhe, der in Wisla bei seinem besten Karriereresultat Zweiter geworden war. Dem russischen Wintersport würde angesichts der ellenlangen Skandalliste der Langläufer und Biathleten ein erfolgreicher Skispringer und damit mutmaßlich völlig dopingfreier Nordisch-Athlet durchaus gut zu Gesicht stehen. Obwohl: Springen und Doping - Wassiljew hat es damals hinbekommen.