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UK Championship - Heftige Diskussion um Murphy-Aussagen: Wann sind Amateure Amateure und wer darf mitspielen?

Rolf Kalb

Update 27/11/2021 um 10:09 GMT+1 Uhr

Für die heftigste Diskussion in der ersten Runde der UK Championship hat Shaun Murphy gesorgt. Nach seiner Niederlage gegen Si Jiahui meinte der Magician, Amateure hätten bei Profiturnieren nichts zu suchen. Schließlich würden die Profis unter großem Druck stehen, weil sie für ihren Lebensunterhalt spielen würden, während die Amateure locker losspielen könnten. Für sie ginge es ja um nichts.

Shaun Murphy

Fotocredit: Getty Images

Vorweg: Ich schätze Shaun Murphy sehr, als Mensch, als Persönlichkeit und als Profi. Das habe ich ja auch oft genug erläutert. Aber hier sind wir nicht einer Meinung. Für die Amateure, die bei der UK Championship (oder den anderen Turnieren) spielen können, geht es sehr wohl um viel. Auch für sie nämlich geht es darum, wirtschaftlich Boden unter den Füßen zu behalten, und darum, ihr Ziel zu verfolgen.
Um das zu erläutern, muss ich ein bisschen ausholen. Es gibt das klassische Verständnis von Amateuren, die einen Sport aus Vergnügen und zu ihrer Muße betreiben. Das hat historische Wurzeln. Zum Beispiel in der Zeit der Industrialisierung betrieben Sport Menschen, welche die Zeit und die finanziellen Mittel dazu hatten. Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die so genannten "normalen Menschen", hatten weder die Zeit dazu (die mussten sich den ganzen Tag abrackern, um zu Essen zu haben) noch die Möglichkeiten.
Für die Upper Class war es damals verpönt, materielle Interessen mit dem Sport zu verbinden (und das blieb lange so; viele werden sich noch an die Diskussionen in den 1970er-Jahren erinnern, ob „Profis“ an Olympischen Spielen teilnehmen dürfen). Es ging einfach auch darum, zu zeigen, dass man es sich leisten kann. Es war also auch ein Mittel der sozialen Abgrenzung. Übrigens auch beim Snooker in den Zeiten, als Snooker der Zeitvertreib in Offizierskasinos war.
Die Snooker-Amateure von heute, um die es geht, haben aber nichts mit den sporttreibenden Müßiggängern zu tun. Dass man sie Amateure nennt, ist eine rein formale Trennung. Aber auch ein Si Jiahui, ein David Lilley und die anderen betreiben Snooker halb-professionell, wenn nicht sogar als Vollprofis. Sie haben Ehrgeiz, sie investieren viel, und sie haben Ziele. Sie spielen vielleicht (noch) nicht so gut, wie ein Shaun Murphy in Top-Form. Aber warum soll ihr Engagement weniger wert sein als das eines Shaun Murphy. Diese Amateure haben sich ja schließlich auch erst durch sportliche Leistungen als möglicher Nachrücker qualifiziert.

Wirtschaftlicher Druck ist noch größer

Und der wirtschaftliche Druck bei den sogenannten Amateuren ist sogar noch größer als bei einem Shaun Murphy oder den anderen Top-Spielern. Für die geht es nämlich, auch angesichts geringer Möglichkeiten, Preisgeld zu gewinnen, wirklich darum, den nächsten Monat irgendwie zu überstehen. Ein Murphy kann es dagegen locker verschmerzen (zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht), wenn er ohne Preisgeld aus York heimkehrt.
Und was wäre gewesen, wenn man bei der UK Championship das Feld nicht aufgefüllt hätte (es gibt in dieser Saison ja nur 122 statt der üblichen 128 Maintour-Profis): Dann hätten einige Top-Spieler in der ersten Runde ein Freilos und sich in der zweiten Runde vielleicht darüber beschwert, dass ihre Gegner schon eingespielt und dank eines Sieges auf dem Konto mit Selbstbewusstsein und ohne Druck seien. Ich höre schon den Aufschrei: „Unfair!“

Das nennt man Sport

Dass sogenannte Amateure an Profi-Wettbewerben teilnehmen, gibt es häufiger im Sport, nicht nur im Snooker. Golf und Tennis sind da nur zwei Beispiele, selbst im Fußball mischen sich zumindest in den Pokalwettbewerben Profis und Amateure. Shaun Murphy selbst ist ja sogar schon einmal als Amateur bei einem professionellen Golf-Turnier an den Start gegangen, weil er es einfach mal ausprobieren wollte. Die sogenannten Snooker-Amateure dagegen wollen es nicht nur probieren, sondern sie wollen in ihrem Sport nach oben kommen. Das macht einen großen Unterschied.
Ich sehe also keinen Grund, warum nicht die Felder bei Profi-Turnieren mit sogenannten Amateuren aufgefüllt werden sollten. Und wenn sie dann einmal einen vielleicht ja auch indisponierten Top-Spieler schlagen (Murphy berichtete ja auch von gesundheitlichen Problemen), dann ist das so; das nennt man Sport.
Herzliche Grüße
Ihr / Euer Rolf Kalb
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