Kein schlampertes Genie: Neil Robertson hat die Pause gut genutzt

Mit einem nagelneuen Queue sofort ein Turnier zu gewinnen ist natürlich ein Traum. Das schafft Vertrauen in das neue Arbeitsgerät. Neil Robertson hat in Riga praktisch von Anfang an sehr selbstbewusst gespielt. Das ist mit einem neuen Queue nur möglich, wenn man vorher am Trainingstisch gut gearbeitet hat.

Neil, der ja oftmals als ein etwas schlampertes Genie gilt, muss die Sommerpause intensiv und gut genutzt haben. Damit hat er die Grundlagen gelegt, um optimistisch in die Saison gehen können. Dann sofort das erste Turnier zu gewinnen, sorgt dafür, wie er ja auch selber angemerkt hat, dass man die nächsten Wochen entspannter, aber auch mit mehr Selbstvertrauen angehen kann.

Unterschätzt wird auch oft die Konstanz von Robertson. Sicher: Es ist jetzt schon ein bisschen länger her, dass er einen der großen Titel gewonnen hat (UK Championship 2015). Dazu haben natürlich aber auch die hinreichend dokumentierten familiären Belastungen beigetragen. Aber die Zahlen lügen nicht: In vier der letzten sechs Jahre hat Neil das erste Saisonturnier gewonnen. Er scheint es also immer wieder zu schaffen, schon früh ein hohes Niveau zu erreichen.

Und: Seit 2006 hat er in jedem Jahr mindestens einen Titel geholt. Das sind 13 Jahre in Folge! Eine bemerkenswerte Erfolgsstrecke. Er hat es nach seinem neuerlichen Sieg ja selber gesagt: Er hat wieder sehr viel Lust zu spielen. Da hat er wirklich allen Grund, sich große, aber eben auch realistische Ziele zu setzen.

Zum unterlegenen Finalisten Jack Lisowski habe ich ja gestern in meinem Kommentar schon einiges gesagt: Ich glaube, dass wir ihn schon bald als Turniersieger feiern können. Und ich bin mir auch sicher, dass er bald in den Top 16 der Weltrangliste auftauchen wird.

Dass er das Potential dafür hat. war schon lange klar. Aber mittlerweile entwickelt er auch das Spiel, das man dafür braucht. Seine Scoring-Power hat er sich bewahrt (und das ist gut so). Aber sein Spiel ist runder und reifer geworden. Er spielt überlegter, geduldiger und hat gelernt, dass manchmal eine Safety die bessere Option ist. Das macht ihn noch gefährlicher.

Apropos Scoring-Power: Robertson hat in den sechs Matches, die er in Riga gespielt hat, sechs Centuries und 13 weitere Breaks von mehr als 50 Punkten geschafft. Bei Lisowski war es ein Century und gar 16 weitere Breaks von mehr als 50 Punkten.

Dabei haben sie sich mit dem verkrampften Finale ja sogar den Schnitt noch versaut. Vorher haben sie phasenweise ihre Gegner in Grund und Boden gespielt. Es haben also die beiden größten Offensiv-Künstler das Finale erreicht. Das ist auch nicht immer selbstverständlich.

Ein Wort noch zu Lukas Kleckers: Ich finde, sein Auftreten beim Riga Masters gibt Grund zu Optimismus. Gegen Robbie Williams hat er gezeigt, dass er auch mal ein enges Match gegen einen erfahrenen Kontrahenten gewinnen kann. Das war wichtig. Auch wenn es danach gegen Mark King nicht mehr reichte: Auf dieser Leistung kann er aufbauen, und wenn die Lernkurve weiter nach oben geht, dann hat er durchaus Chancen, in dieser Saison seinen Tour-Platz zu behaupten.