WM 2019 | Rolf Kalb exklusiv im Interview zu Favoriten und persönlichen Highlights

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VonEurosport

Update 17/04/2019 um 20:38 GMT+2 Uhr

Ab dem 20. April geht es im Crucible Theatre wieder um den WM-Titel. Für Eurosport-Kommentator Rolf Kalb ist die Weltmeisterschaft das Highlight im Kalender. Im Exklusiv-Interview mit Eurosport blickt der Snooker-Experte auf die Favoriten und teilt dabei die Einschätzung von Ronnie O'Sullivan. Kalb erklärt zudem, weshalb die deutschsprachigen Spieler noch nicht mit der Weltelite mithalten können.

Eurosport Snooker-Kommentator Rolf Kalb

Fotocredit: Eurosport

Das Interview führte Marian Kern
Über 150 Stunden Snooker-WM live unterstreichen den Stellenwert, den Snooker bei Eurosport genießt. Welche Faszination übt die Sportart auf Dich aus?
Rolf Kalb: Snooker ist gerade für das Fernsehen wie erfunden. Im Idealfall ist Snooker eine Kette kleiner und mittlerer Dramen, die sich am Ende zu einem grandiosen Spannungsbogen vereinigen können.
In diesem Jahr sind bereits einige Turniere gespielt worden, doch jetzt steht das große Highlight, die WM, vor der Tür. Wer zählt zu den Favoriten des Turniers?
Kalb: Nach den Saisonleistungen muss man natürlich sagen, dass Ronnie O'Sullivan einer der glasklaren Topfavoriten ist. Für O'Sullivan selbst gibt es genau drei Kandidaten, die den Turniersieg unter sich ausmachen werden: Neben seiner Person zählt er Neil Robertson und Judd Trump zu den Topfavoriten. Das ist eine Einschätzung, die ich absolut teile. Judd Trump hat in der laufenden Saison bereits bewiesen, dass er in der Lage ist Ronnie O'Sullivan auch in großen und langen Matches zu schlagen. Neil Robertson hat momentan einfach einen großartigen Lauf. In den letzten vier Turnieren, die er gespielt hat, stand er jeweils im Finale und hat zwei davon gewonnen. Auch er ist einer der absoluten Topfavoriten.
Gibt es aus Deiner Sicht weitere Spieler, die aus dem Schatten der Großen heraustreten könnten, um bei dem Turnier zu überraschen?
Kalb: Das gibt es durchaus. Barry Hawkins ist in den letzten Jahren bei der Weltmeisterschaft Mr. Konstanz in Person. In der Regel hat er immer das Halbfinale erreicht. Warum sollte er daher nicht für einen Titel infrage kommen? Kyren Wilson hat im letzten Jahr bereits als Halbfinalist an die Tür geklopft. Auch ihn sollte man auf dem Schirm haben. Die Weltmeisterschaft ist ein kräfteraubender 17-Tage-Marathon, der eine eigene Dynamik entwickelt und damit auch eigene Geschichten schreibt. Was da passiert, ist schlichtweg unvorhersehbar und macht auch einen Großteil der Faszination des Turniers aus.
Richten wir einmal den Blick auf die deutschen Spieler. Was fehlt den deutschen bzw. deutschsprachigen Spielern sich dauerhaft im Konzert der Großen zu behaupten?
Kalb: Es fehlt in erster Linie eine gewisse Matchhärte. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Leistungsdichte von Snooker im deutschsprachigen Raum ein relativ kleiner Teich ist. Wer in diesem Teich ein großer Fisch ist und in den großen Teich, der Heimat des Profisports wechselt, entdeckt schnell, dass er dort zu den ganz kleinen Fischen zählt. Dort gibt es eine große Menge gieriger Raubfische.
Was macht die Faszination Crucible Theatre aus? Gibt es Unterschiede zu anderen Veranstaltungen?
Kalb: Zum einen ist es natürlich die Tradition, die damit verbunden ist. Seit 1977 wird im Crucible Theatre gespielt. Karrieren im Snooker definieren sich über Erfolge oder Misserfolge bei der Weltmeisterschaft und eben im Crucible Theatre. Der zweite Punkt ist sicherlich diese Kompaktheit. Die Zuschauer sind ganz nah dran. Das Publikum in den ersten Reihen könnte den Spielern theoretisch ins Queue fassen. Das zieht einen persönlich dann noch mehr in die Atmosphäre rein. Gleichzeitig steigen die Ränge relativ steil an, sodass es für die Spieler gleichzeitig eine klaustrophobische Atmosphäre schafft. Irgendwie ist es auch ein charmanter Anachronismus, denn das Crucible Theatre bietet Platz für etwa 980 Zuschauer. Bei dem Interesse, das bei der Weltmeisterschaft herrscht, könnte man die Spielstätte jeden Tag fast sechs Mal ausverkaufen. Das macht es natürlich für die Glücklichen, die ein Ticket ergattert haben, zu einer ganz besonderen Erfahrung.
Was bedeutet die WM speziell für dich?
Kalb: Die WM ist in jedem Jahr der Höhepunkt der Snookersaison. Diesem ganz besonderen Kribbeln, das damit verbunden ist, kann ich mich nie entziehen. Spätestens mit Beginn der Qualifikation setzt es bei mir ein. Gleichzeitig ist es meine alljährliche Frühjahrsdiät, da bei drei Sessions pro Tag kaum noch Zeit zum Essen bleibt.
Gibt es etwas/jemanden, auf den Du Dich persönlich sehr freust?
Kalb: Lukas Kleckers wird einen Tag bei mir zu Gast sein und ebenfalls für weitere Inhalte bei Eurosport sorgen. Da freue ich mich ganz besonders. Wir kennen uns schon Jahre lang, aber zusammen kommentiert haben wir noch nie. Das wird ein ganz besonderes Highlight, weil Lukas auch aus erster Hand erzählen kann, wie es auf der Main Tour zugeht und gleichzeitig auch über seine weiteren Pläne berichten kann. Beinahe große Tradition hat es bereits, dass in der zweiten Woche Bundestrainer Thomas Hein bei mir zu Gast sein wird und wir gemeinsam den Rest des Turniers kommentieren werden. Auch das ist eine jahrelange Freundschaft, die uns verbindet und eine Zusammenarbeit, die bei vielen Fans beinahe schon Kultstatus besitzt.
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Lukas Kleckers in Action

Fotocredit: Imago

Unter dem Hashtag #147sf kommunizierst Du auf Twitter über die Saison hinweg mit Snookerfans. Ist der Austausch während der WM besonders intensiv?
Kalb: Natürlich! Bei der WM ist das Interesse besonders groß, da auch die gelegentlichen Snooker-Fans zu diesem Zeitpunkt auftauchen. Es ist deutlich mehr Betrieb als bei anderen Turnieren. Aber das ist auch gut so und unterstreicht auch den Stellenwert der Weltmeisterschaft. Ich genieße diese Rückmeldung, die ich dadurch habe. Ich genieße den Austausch mit den Fans und sehe, wo der Schuh drückt. Der Beruf des Kommentators ist ja eigentlich eine einsame Angelegenheit. Man sitzt am Mikrofon und versucht das Geschehen so gut wie möglich zu transportieren. Aber es fehlt natürlich ein unmittelbares Feedback. Ob man wirklich die Bedürfnisse der Zuschauerinnen und Zuschauer trifft, erfährt man nicht unmittelbar. Bei mir ist es anders. Auch wenn diese Community nicht repräsentativ ist, habe ich dadurch ein unmittelbares Feedback. Ich erfahre, wo der Schuh drückt und welche Fragen die Leute bewegen. Das ist für mich auf jeden Fall eine Bereicherung als Kommentator. Auf der anderen Seite finde ich es auch klasse, dass es gelungen ist eine Community aufzubauen, die zusammenhält. Neue Leute, die eine Vielzahl an Fragen haben, sind hier gut aufgehoben, da nicht nur ich die Fragen beantworte, sondern auch andere User, die mich hier unterstützen.
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Mark Williams bei seinem Titelgewinn im Crucible Theatre 2018

Fotocredit: Getty Images

Was sind Deine persönlich schönsten WM-Momente?
Kalb: Da gibt es sehr viele und es ist unmöglich den einen, besonderen Moment herauszupicken. Ein ganz besonderer Moment war natürlich der Titel 2005 von Shaun Murphy, den damals niemand auf der Karte hatte. Murphy wollte eigentlich nach der Weltmeisterschaft seine Karriere beenden und wurde dann allerdings plötzlich Weltmeister. Es war ebenfalls ein sehr schöner Moment als Stuart Bingham, der wirklich ein Sympathieträger ist, seinen WM-Titel holte. Der Sieg von Ronnie O'Sullivan nach einem Jahr Pause war auch etwas ganz Bemerkenswertes. Und wir brauchen auch nicht lange zurückdenken. Das WM-Finale im letzten Jahr zwischen Mark Williams und John Higgins war ein ganz Großes. Diese plötzliche Wiederauferstehung von Mark Williams, der nach langer Zeit plötzlich seinen dritten WM-Titel holte, hatte schon etwas märchenhaftes.
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