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Fragen zum Fall Chris Froome: Der positive Doping-Test und die Folgen

Andreas Schulz

Update 13/12/2017 um 16:49 GMT+1 Uhr

Der positive Doping-Test von Chris Froome wirft viele Fragen auf: Welche Strafe droht dem Kapitän von Team Sky, warum wurde der Fall erst jetzt bekannt, welche Möglichkeiten zu seiner Entlastung hat Froome jetzt, wie lange wird es bis zum Abschluss der Affäre dauern und welche ähnlichen Fälle hat es im Radsport gegeben? Eurosport.de gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen!

Chris Froome (Team Sky)

Fotocredit: Getty Images

Warum wurde der positive Doping-Test von Chris Froome erst jetzt bekannt?
Weil die Presse Wind von der Sache bekommen hat. "Le Monde" aus Frankreich und "The Guardian" in England sind dem positiven Test auf die Spur gekommen und erst durch diese Recherchen und die Veröffentlichung der Artikel am 13. Dezember sahen sich der Radsport-Weltverband UCI und Team Sky zu Pressemitteilungen gezwungen.
Da es sich bei Salbutamol laut Reglement der Welt-Antidopingagentur WADA um eine "spezifische Substanz" handelt, ist es regelkonform gewesen, vor der abschließenden Klärung des Falles die Öffentlichkeit nicht zu informieren.
Die Urin-Probe wurde am 7. September nach der 18. Etappe der Vuelta genommen, am 20. September wurde Froome über das positive Ergebnis informiert. Am selben Nachmittag gewann Froome bei der Rad-WM Bronze im Einzelzeitfahren.
Warum ist Froome nicht automatisch gesperrt worden?
Weil es sich formal gesehen nicht um einen Dopingfall handelt, auch wenn A- und B-Probe ein über dem Grenzwert liegendes Ergebnis erbracht haben. Froomes Testresultat ist ein "abweichendes Analyseergebnis", für das Fahrer und Team eine stichhaltige Erklärung liefern müssen. Gelingt dies, ist der Fall beendet. Bleibt eine überzeugende Begründung aus, kommt es zu einer Sanktion und erst diese muss laut Regularien öffentlich gemacht werden. Diesen diskreten Ablauf haben in diesem prominenten Fall die recherchierenden Journalisten an die Öffentlichkeit gebracht.
Welche Strafe droht Chris Froome jetzt?
Das hängt davon ab, welche Erklärung Froome und Sky vorbringen können. Von einer Verwarnung bis hin zu einer zweijährigen Sperre ist formal alles möglich. Den Grenzwert von 1000ng/ml hat Froome laut Angaben seines Teams um das Doppelte überschritten - es wird schwierig, dafür eine stichhaltige Begründung zu finden.
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Chris Froome nach der Vuelta in Madrid

Fotocredit: SID

Erste Sky-Erklärungsansätze wie Dehydrierung wirken wenig überzeugend, denn die Urin-Dichte wird direkt beim Test überprüft und ggf. eine weitere Probe veranlasst. Allein durch zusätzliche Dosen seines Inhalators dürfte Froome kaum eine so große Menge Salbutamol inhaliert haben, um auf ein solches Testergebnis zu kommen. Allerdings kann die Substanz auch per Injektion, Tablette oder Zäpfchen aufgenommen werden. Dann aber handelt es sich in jedem Fall um ein Dopingvergehen.
Der Stoffwechsel jedes Menschen ist unterschiedlich und es liegt jetzt an Froome zu beweisen, dass es eine natürliche Erklärung für das Ergebnis gibt.
Sicher scheint, dass Froome um seinen Vuelta-Sieg sehr bangen muss, auch sein dritter Platz bei der WM wackelt. Als Vuelta-Sieger würde der Italiener Vincenzo Nibali (Team Bahrain-Merida) nachrücken. Keine Sorgen muss sich Froome um seinen vierten Tour-Sieg aus dem Juli 2017 machen, denn dieser liegt vor dem positiven Test.
Ob Froome wie geplant im Mai 2018 den Angriff auf seinen ersten Giro-Sieg starten kann, ist völlig offen.
Wie kann Froome sich noch entlasten?
Das Reglement verlangt nach einem "von der Norm abweichenden Analyseergebnis" (darum handelt es sich formal bislang), dass der Athlet anhand einer kontrollierten Studie nachweist, dass "dieses Ergebnis die Folge der Anwendung einer therapeutischen Dosis (durch Inhalation) bis zu der oben genannten Höchstdosis war", so die WADA.
Zu bedenken ist auch, dass Froome als Spitzenreiter der Vuelta sicher wusste, dass er nach jeder Etappe getestet werden würde. Er muss sich also entweder sicher gewesen sein, innerhalb der Regeln zu handeln - oder extrem dreist agiert haben.
Sky soll laut "Guardian" seit der Information über den Test bereits seit Wochen Anwälte und Wissenschaftler damit beauftragt haben, das Analyseergebnis zu hinterfragen bzw. eine stichhaltige Erklärung für den extrem hohen Wert zu liefern.
Im Fall von Froomes Teamkollegen Sergio Henao war es Sky 2016 gelungen, eine Suspendierung des Kolumbianers erfolgreich aufheben zu lassen. Die auffälligen Werte in Henaos Blutpass wurden nach der Bereitstellung zusätzlicher Erklärungen durch den Fahrer von den Experten nicht länger als sanktionswürdig beurteilt.
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Sergio Henao, Team Sky

Fotocredit: Eurosport

Welche vergleichbaren Fälle gibt es im Radsport?
Dopingfälle mit Salbutamol sind im Radsport keine Seltenheit; das Reglement auf nationaler und internationaler Ebene hat sich dabei aber in den letzten Jahrzehnten mehrfach verändert. Für Miguel Indurain hatte 1994 eine positive Kontrolle bei einem kleinen französischen Rennen letztlich keine Folgen. Auch sein spanischer Landsmann Igor Gonzalez de Galdeano blieb 2002 bei der Tour de France im Gelben Trikot, obwohl er eine Probe abgegeben hatte, die über dem Grenzwert lag.
Anders erging es Sprinter Alessandro Petacchi 2007, der damals für das deutsche Team Milram aktiv war: Ihm wurden wegen Salbutamol-Missbrauch seine fünf Etappensiege beim Giro d'Italia aberkannt und eine mehrmonatige Sperre auferlegt. Ähnlich lautete das Urteil 2015 für den Italiener Diego Ulissi, ein Testergebnis von 1920ng/ml kostete ihn zwei Giro-Etappensiege und brachten und ihm neun Monate Sperre.
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Milram - Alessandro Petacchi 2007

Fotocredit: Eurosport

Wie geht es jetzt weiter - wann wird die Affäre geklärt sein?
Es gibt keinen formal festgelegten Zeitpunkt bis zu dem die jetzt laufenden Untersuchungen abgeschlossen sein müssen. "Le Monde" zitiert eine Quelle aus dem Umfeld der UCI, die auf einen langwierigen Prozess hindeutet: Beide Seiten sollen hochkarätige Experten zur Untermauerung ihrer Positionen verpflichtet haben, die sich nun einen Schlagabtausch auf wissenschaftlicher und juristischer Ebene liefern werden.
Das Beispiel von Alberto Contador und seinem positiven Dopingtest bei der Tour de France 2010 zeigt, wie lange ein Experten- und Rechtsstreit sich ziehen kann: Damals dauerte es über anderthalb Jahre, bis ein endgültiges Urteil feststand.
Froome zumindest wirkte bei seinen öffentlichen Auftritten, etwa bei der Präsentation der Tour de France 2018 im Oktober, nicht beunruhigt.
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Froome über die Tour 2018: "Jeder Aspekt ist gefordert"

Was sagt Chris Froome zu dem Testergebnis?
In einer Pressemitteilung zitiert Team Sky seinen Kapitän wie folgt:
Es ist wohlbekannt, dass ich Asthma habe und ich kenne die Regeln genau. Ich verwende ein Spray, um meine Beschwerden zu behandeln (stets innerhalb der erlaubten Grenzen) und ich weiß sicher, dass ich jeden Tag getestet werde, wenn ich das Spitzenreitertrikot trage. Mein Asthma hat sich während der Vuelta verschlimmert, also bin ich dem Rat unseres Teamarztes gefolgt und habe meine Salbutamol-Dosis erhöht. Wie stets habe ich mit größter Sorgfalt darauf geachtet, dass ich nicht mehr als die erlaubte Dosis verwende. Ich nehme meine Rolle als Leader meines Sports sehr ernst. Die UCI hat völlig Recht, das Testergebnis zu untersuchen und ich werde, zusammen mit dem Team, ihr jedwede Information bereitstellen.
Was bringt Salbutamol als Dopingsubstanz?
Als Therapie bei asthmatischen Beschwerden ist Salbutamol ein weit verbreitetes, wirksames Arzneimittel. Bei Nicht-Asthmatikern verbessert es die Sauerstoffaufnahme und in hohen Dosen hat die Substanz eine anabole Wirkung, sorgt also für Muskelwachstum und Fettverbrennung. Darum verwenden auch Bodybuilder das Medikament, allerdings eben nicht per Inhalator.
Eine "medizinische Ausnahmegenehmigung" ist für Salbutamol seit 2010 bei Inhalation nicht mehr notwendig, Sportler können die eigentlich verbotene Substanz also frei verwenden, solange sie weniger als 1600 Mikrogramm Salbutamol innerhalb 24h (bzw. 800 Mikrogramm/12h) inhalieren.
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