Tour-Debütant Emanuel Buchmann im Interview: "Alpe d´Huez wird eine geile Sache"

Das muss ein 22-Jähriger Neu-Profi erst einmal verarbeiten: Tour-de-France-Nominierung und der deutsche Meistertitel innerhalb weniger Tage. So richtig glauben kann Emanuel Buchmann vom deutschen Team Bora - Argon 18 das alles selber noch nicht. Eurosport.de sprach vor seinem Tour-Debüt mit dem Shootingstar über seinen Meister-Coup, Tour-Vorfreude und Kapitän Dominik Nerz.

Der neue deutsche Meister: Emanuel Buchmann

Fotocredit: Imago

Als Eurosport im Herbst 2014 vor Bora-Teamchef Ralph Denk wissen wollte, welcher Youngster aus seinem Team Fans und Fachleute zukünftig überraschen könnte, war die Antwort eindeutig: Emanuel Buchmann. "Dem traue ich ganz viel zu", so der erfahrene Talenteförderer seinerzeit in Raubling. Jetzt ist sein Schützling plötzlich deutscher Meister und einziger Neoprofi im Tour-Feld - Grund genug für ein Interview mit dem Bergspezialisten:
Erst die Tour-Nominierung, dann der Sieg bei der deutschen Meisterschaft - alles innerhalb einer Woche. Haben Sie das schon wirklich verarbeitet?
Emanuel Buchmann: Nein, so richtig realisiert habe ich das noch nicht. Schon die Tour-Nominierung war ein Traum und dort im deutschen Meistertrikot zu fahren, ist der Wahnsinn. Ich werde es erst glauben können, wenn ich in Utrecht am Start stehe.
Ihr Sieg bei der deutschen Meisterschaft kann als Coup bezeichnet werden. Im Vorfeld sagten Sie noch, dass der Kurs eigentlich für Sie zu flach sei. Wie überrascht waren Sie selber von Ihrem Sieg?
Buchmann: Ich hatte damit ehrlich nicht gerechnet. Unsere Taktik und meine Aufgabe war es, das Rennen ab der Hälfte richtig schwer zu machen. Damit wollten wir einen Sprint vermeiden, denn gegen John Degenkolb und André Greipel wäre es schwer geworden. Unser Ziel war es, mit einer kleinen Gruppe ins Ziel zu kommen. Dass es am Ende für mich reicht, hätte ich nicht gedacht. Natürlich war auch etwas Glück dabei, aber unverdient war es sicher auch nicht.
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Emanuel Buchmann bei seinem Sieg der deutschen Meisterschaft

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Was bedeutet es für Sie, mit dem deutschen Meistertrikot zur Tour zu fahren?
Buchmann: Das ist ein Riesending für mich und noch nicht fassbar. Ich werde damit sicherlich ein wenig mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen und kann mich nicht mehr verstecken.
Mit 22 Jahren sind Sie nicht nur sehr jung, sondern auch der einzige Neo-Profi, der in diesem Jahr zur Tour fährt. Kam das für sie unerwartet oder hatte sich das schon länger in Gesprächen mit der Teamleitung angebahnt?
Buchmann: Zu Saisonbeginn war die Tour für mich nicht eingeplant. Ich bin dann ganz gut beim Giro del Trentino und bei Lüttich-Bastogne-Lüttich gefahren und anschließend wurde in den Gesprächen erstmals angedeutet, dass die Tour möglich ist. Nachdem ich auch bei der Dauphiné recht stark unterwegs war, zeichnete sich ein Start langsam ab.
Haben Sie sich schon mit der diesjährigen Tour-Route befasst?
Buchmann: Im Einzelnen habe ich mir die Etappen noch nicht genauer angesehen, aber kurz drübergeschaut habe ich natürlich schon. Abgefahren bin ich jedoch keine Etappe.
Sie gelten als ausgewiesener Bergfahrer. Welche Ziele haben Sie bei der Tour?
Buchmann: Bei meiner ersten Tour möchte ich natürlich durchkommen und Paris erreichen. Ansonsten will ich mir aber noch keine konkreten Ziele setzen. Während der Tour wird meine Aufgabe sein, unseren Kapitän Dominik Nerz in den Bergen so gut es geht zu unterstützen.
Was kann Dominik Nerz bei der Tour erreichen?
Buchmann: Das ist schwierig zu sagen. Wenn er die erste Woche übersteht, ist schon einiges möglich. Aber an einem genauen Ergebnis will ich das nicht festmachen. Bislang hat ihm in der Saison ein bisschen das Glück gefehlt, allerdings kommt er so langsam in Form und macht einen guten Eindruck. Ich bin die vergangenen Rennen mit ihm gefahren und er hat sich immer mehr gesteigert. Bei der Dauphiné sah er echt stark aus, nur leider ist er auf der Königsetappe schwer gestürzt und hatte wieder kein Erfolgserlebnis. Er ist aber auf einem guten Weg.
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Emanuel Buchmann beim Critérium du Dauphiné

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Sie sind ja in gewisser Weise jemand, der als Zuschauer aus dem Vorjahr nun plötzlich mittendrin ist im Tour-Zirkus. Worauf freuen Sie sich ganz besonders bei ihrer Premiere?
Buchmann: Die Etappen nach Alpe d´Huez sind als Zuschauer immer sehr spektakulär gewesen, da im Rennen hochzufahren wird schon eine geile Sache. Da freue ich mich auf jeden Fall schon drauf. Ansonsten die Bergetappen im Allgemeinen, wo immer eine richtig gute Stimmung herrscht und viele Zuschauer vor Ort sind. Das wird ein richtiges Erlebnis.
Spüren Sie denn Aufregung vor Ihrer Premiere oder sind sie eher entspannt und voller Vorfreude?
Buchmann: So langsam kommt schon etwas die Aufregung, aber ich denke, wenn ich erst einmal in Holland bin, wird das noch ein wenig mehr werden.
Beim Critérium du Dauphiné haben Sie im Juni Ihre erste WorldTour-Rundfahrt bestritten. Wie groß war die Umstellung für Sie, verglichen mit Rennen im Vorjahr mit dem Drittdivisionär-Team rad-net ROSE? Immerhin haben Sie sich sehr beachtlich geschlagen (Buchmann wurde 32. der Gesamtwertung)?
Buchmann: Es ist schon was ganz anderes, bei einem richtigen Profirennen dabei zu sein. Das ist ein Riesenunterschied und es läuft wesentlich professioneller ab. Die Leistungsdichte ist noch einmal viel höher. Wenn früher richtig schnell ein Berg gefahren wurde, waren vielleicht noch 20 Fahrer da, hier sind aber immer noch 80 Fahrer im Feld. Auch wie auf der 6. Etappe bei Regen gefahren wurde, war schon krass. Ich habe mich aber nicht überfordert gefühlt und hatte das Gefühl, dass ich gut mithalten kann.
Wie sehen bei Ihnen die letzten Tage vor dem Start der Tour de France aus?
Buchmann: Ich bin zunächst noch zu Hause (Ravensburg, Anm. d. Red) und fliege am Mittwoch nach Utrecht. Da haben wir dann volles Programm und werden nicht mehr viel zur Ruhe kommen - wirkliches Training wird da nicht mehr stattfinden.
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Das neue Meistertrikot von Emanuel Buchmann

Fotocredit: Eurosport

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