Lewis Hamilton betritt nach Abschied von Mercedes neue Dimension - Hans-Joachim Stuck ordnet Ferrari-Wechsel ein
Update 12/12/2024 um 10:06 GMT+1 Uhr
Mit dem Grand Prix von Abu Dhabi ist nicht nur die Saison 2024 zu Ende gegangen, sondern auch eine der erfolgreichsten Epochen der Formel-1-Geschichte. Nach elf gemeinsamen Jahren verabschiedet sich Lewis Hamilton von Mercedes. "Ich bin mir sicher, dass er sehr schnell merken wird, dass Ferrari eine andere Welt ist", blickte Motorsport-Legende Hans-Joachim Stuck im exklusiven Interview voraus.
Lewis Hamilton fährt ab 2025 für Ferrari in der Formel 1
Fotocredit: Getty Images
Mit sieben WM-Titeln im Gepäck zum erfolgreichsten Konstrukteursteam der vergangenen 74 Jahre - einen größeren Deal hat es in der Königsklasse des Motorsports nicht gegeben.
Lewis Hamilton gibt sich nach elf Jahren bei den Silberpfeilen die Ehre und wechselt zu Ferrari. Dabei lastet besonderer Druck auf seinen Schultern.
"Das ist eine andere Welt", merkte der ehemalige Formel-1-Pilot Hans-Joachim Stuck im exklusiven Interview mit Eurosport an. "Bei Ferrari geht es eben nicht nur ums Fahren, da zählt noch so viel mehr dazu."
Während Hamilton bei Ferrari nach den Sternen greift, kommt auf Max Verstappen mit der Geburt seines ersten Kindes abseits der Rennstrecke eine neue Verantwortung zu. Dabei nimmt sich Stuck einen alten Mythos zur Brust - und gewährt einen bewegenden Einblick in seine Karriere.
Herr Stuck, die Saison 2024 ist zu Ende – was war Ihr persönliches Highlight?
Stuck: Der Sieg von Max Verstappen beim Grand Prix von Brasilien. Da hat er bewiesen, dass er ohne jeden Zweifel der Beste ist. Das hat er sich verdient und darauf kann er stolz sein. Verstappen ist ein Highlight-Fahrer in jeglicher Hinsicht.
McLaren hat sich im letzten Rennen der Saison die Konstrukteursweltmeisterschaft gesichert, Ferrari scheiterte hingegen wieder einmal auf den letzten Metern zu seinem ersten Titel seit 16 Jahren.
Stuck: Zum ersten Mal seit einer langen Zeit hatten wir eine spannende Saison. McLaren hat bewiesen, was man mit einer guten Teamführung und einer vernünftigen Entwicklung in der Formel 1 zustande bringen kann.
Ohne Oscar Piastri wäre dieser Titel nicht möglich gewesen. Der Australier hat alle 1444 Runden der Saison 2024 komplettiert und ist erst der vierte Fahrer in der Geschichte nach Michael Schumacher (2002), Lewis Hamilton (2019) und Max Verstappen (2023), dem das gelingt. Und das in seinem zweiten Jahr. Was darf man sich von ihm in Zukunft erwarten?
Stuck: Da wächst ein ganz Großer heran. Piastri hat es einfach drauf und weiß darüber hinaus, wie er sich in dieser Welt zu benehmen hat. Wenn McLaren so weitermacht, ist Piastri in Zukunft nicht nur ein Anwärter auf einen WM-Titel, sondern wird auch einmal zu den Größen der Formel 1 aufsteigen.
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Oscar Piastri und Lando Norris
Fotocredit: Getty Images
Welchen Einfluss hat das auf die Dynamik zwischen ihm und Lando Norris bei McLaren?
Stuck: Konfliktpotenzial gibt es meiner Meinung nach nicht. McLaren hat die Burschen völlig im Griff. Zudem kommen Piastri und Norris gut miteinander aus, das hat man bereits in dieser Saison auf der Strecke gesehen. Das ist die perfekte Grundlage für die Zukunft und ein Glücksfall für den Rennstall.
Ein Glücksfall für das Team war in den vergangenen Jahren auch die Paarung Lewis Hamilton und George Russell bei Mercedes. Hamilton zog in den letzten Kurven der Saison an seinem Teamkollegen vorbei und sorgte noch einmal für Gänsehaut. Wie kann man die Ära von Hamilton bei den Silberpfeilen zusammenfassen?
Stuck: Die Zeit von Hamilton bei Mercedes ist mit den Äras von Ayrton Senna bei McLaren, Michael Schumacher bei Ferrari oder Sebastian Vettel bei Red Bull gleichzusetzen. Hamilton und Mercedes – das war eine Einheit. Man hat gesehen, wie nahe es ihm ging. Ich bin mir sicher, dass er sehr schnell merken wird, dass Ferrari eine andere Welt ist und bin gespannt, ob er das packt. Bei Ferrari geht es eben nicht nur ums Fahren, da zählt noch viel mehr dazu. Ein Fahrer hat bei Ferrari einen völlig anderen Stellenwert, als es mit Hamilton bei Mercedes der Fall war. Dort kam er mit Toto Wolff gut zurecht, hat sich von unten nach oben gearbeitet und wusste, dass das Team immer zu 100 Prozent hinter ihm steht. Es wird eine der spannendsten Geschichten des kommenden Jahres, wie sich Hamilton bei Ferrari zurechtfindet.
Trauen Sie ihm zu, mit Ferrari ganz vorne anzugreifen?
Stuck: Fahrerisch ohne jeden Zweifel. Aber dafür muss er zuerst das Team hinter sich bringen. Bei den Silberpfeilen war Hamilton super aufgehoben. Wenn er einmal geniest hat, wussten die Mechaniker sofort, was sie tun müssen. Das ist bei Ferrari anders. Ob er mit diesem System zurechtkommt, wird sich zeigen. Das ist eine andere Welt. Es fängt schon damit an, dass sie in Italien sind. Da muss er seinen Hauptwohnsitz wohl dorthin verlegen (lacht). Für Ferrari zu fahren ist ein Traum. Wer nicht für Ferrari fahren will, ist für mich kein Rennfahrer. Aber man darf nicht vergessen, dass man dort eine komplett neue Dimension betritt.
Carlos Sainz meinte einst, dass nicht jedem Fahrer das Rot steht…
Stuck: Absolut! Zudem trifft Hamilton auf Charles Leclerc, der ebenso ein herausragender Pilot ist. Wie kommen die beiden miteinander zurecht? Wir werden nach den ersten Testfahrten im neuen Jahr ein erstes Gefühl dafür bekommen.
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Leclerc enthüllt Beteiligung an Hamilton-Wechsel: "Sehr transparent"
Quelle: Perform
Wie kann Mercedes den Abgang eines Rekordweltmeisters kompensieren?
Stuck: Das ist schwierig (lacht). Mercedes ist aber eine eingeschworene Truppe, die Verantwortlichen wissen, wie der Hase läuft. Die Talentförderung ist dort auf einem guten Stand. Wenn sie das richtige Material haben, können sie das direkt in Leistung umsetzen. Davon bin ich überzeugt.
Hamilton zu Ferrari, Sainz zu Williams oder Antonelli zu Mercedes - die Formel zeigt sich 2025 in einem neuen Gewand. Von welcher Kombination erwarten Sie sich in der kommenden Saison den größten Impact?
Stuck: Adrian Newey und Aston Martin! Sie haben bereits eine gute Basis und mit einem Superhirn wie Newey, darf man viel erwarten. Fahrerisch sind sie ohnehin gut besetzt. Da kann etwas Großes entstehen.
Wäre es zu vermessen zu behaupten, dass Aston Martin bereits in der kommenden Saison einen riesigen Schritt nach vorne macht?
Stuck: Auf spektakuläre Ergebnisse können wir uns schon jetzt mal gefasst machen. Ob es für den Titelkampf reicht… dafür müssen wir zunächst die Entwicklung abwarten. Da spielt auch der Cost Cap eine große Rolle.
2025 wird Nico Hülkenberg erneut der einzige Deutsche in der F1 sein, Mick Schumacher hat sich von der Formel 1 vorerst komplett verabschiedet. Wie war Ihre Reaktion darauf?
Stuck: Für Mick ist das einerseits natürlich sehr schade. Audi wäre für ihn aber definitiv der falsche Platz gewesen. Nichts gegen Audi, aber man muss davon ausgehen, dass dort am Anfang nicht viel zu holen ist. Und nach den saudummen Aussagen von Günther Steiner, die Schumacher in der Öffentlichkeit demoliert haben, hätte er in dieser Situation eine große Bürde mit sich getragen. Das hätte ihm sicherlich geschadet. Vielleicht schafft er noch einmal den Sprung zurück in die Formel 1. Nach dem Vorleben, das ihm Steiner versaut hat, wäre er bei Audi aber an falscher Stelle.
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Nico Hülkenberg ist der einzige deutsche Fahrer in der Formel 1
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Wie steht es um den Nachwuchs? Gibt es in deinen Augen Hoffnung auf ein weiteres deutsches F1-Cockpit in naher Zukunft?
Stuck: Nein. In Deutschland ist zurzeit nichts im Busch. In Österreich gibt es mit Thomas Preining aber einen jungen Fahrer in der DTM, den ich gerne mal bei einer Testfahrt in der Formel 1 sehen würde.
Max Verstappen hat vor wenigen Tagen verkündet, dass er Vater wird. Zwar hat er seine Aussage von früher, dass er nach der Geburt eines Kindes zurücktreten würde, revidiert - aber was macht die Geburt eines Kindes mit einem Rennfahrer? Ein Jahr nach der Geburt Ihres ersten Sohnes haben Sie immerhin zum zweiten Mal Le Mans gewonnen. Ist an dem Mythos, dass man langsamer wird, etwas dran?
Stuck: Diese Meinung habe ich auch für einige Jahre vertreten, da man plötzlich deutlich mehr Verantwortung hat. Andererseits bin ich dann an einen Punkt gelangt, wo es mich richtig beflügelt hat. Als Johannes erstmals bei meinen Rennen dabei sein durfte, war es schon etwas Besonderes, zu sehen, dass er Spaß an meiner Leidenschaft und mitgefiebert hat. Das ist aber natürlich von Pilot zu Pilot verschieden.
Der Beruf Rennfahrer birgt aber auch ein gewisses Risiko…
Stuck: Und damit stellt sich die Frage, wie man solche Gedanken abstellen kann. Während meiner Karriere mussten wir auch einige Piloten zu Grabe tragen, bei dem ein oder anderen Unfall war ich sogar hautnah dabei. Das hat mich schon beschäftigt. Aber sobald der Motor lief, waren die Gedanken weg. Während der Rennen musste ich nie daran denken – und das war auch gut so. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich das nicht gekonnt hätte. Beim Tod von Josef Gartner in Le Mans 1986 wusste ich zunächst nicht, dass es Jo erwischt hat. Nachdem wir eine Stunde hinter dem Pacecar gefahren waren, kam ich an die Box. Dort wurde mir schließlich mitgeteilt, dass Jo gestorben ist. Daraufhin meinte ich, dass ich nicht mehr weiterfahre, wofür mir mit dem Rauswurf gedroht wurde. Mit gemischten Gefühlen stieg ich wieder ins Cockpit. Als ich drinsaß, war das mulmige Gefühl aber plötzlich weg. Ein Wunder. Der Schalter hat sich bei mir immer von selbst umgelegt.
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Quelle: Eurosport
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