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Herbe Kritik vor Formel-1-Premiere in Saudi-Arabien: "Besorgniserregende Menschenrechtsbilanz"

Eurosport
VonEurosport

Update 02/12/2021 um 16:57 GMT+1 Uhr

Saudi-Arabien ist der nächste Staat mit viel Geld und schlechtem Ruf, der sich dank der Formel 1 in einem strahlenden Licht präsentieren darf. Amnesty International erkennt eine "äußerst besorgniserregende Menschenrechtsbilanz". Die Duldung von Homosexualität, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung seien "stark gefährdet bis nicht vorhanden". Dennoch ist die Bindung der F1 zum Emirat eine enge.

Prinz Khalid bin Sultan al-Faisal, Präsident des saudi-arabischen Motorsportverbandes

Fotocredit: Getty Images

Das erste Formel-1-Rennen in Saudi-Arabien wurde sogar zur Story für die "Washington Post". "Singe nicht für die Mörder meines geliebten Jamal", flehte Hatice Cengiz, die Verlobte des 2018 umgebrachten Journalisten Khashoggi, in einem Gastbeitrag an die Adresse von Justin Bieber. Der Kanadier ist eine von mehreren Musikgrößen, die vom hochumstrittenen Königreich eingekauft wurden, um dem bislang größten Sportereignis des Landes noch mehr Glanz zu verleihen.
An Kritik mangelt es keineswegs, wenn die Formel 1 nach dem Katar-Abstecher weiterzieht zum vorletzten und womöglich WM-entscheidenden Saisonrennen in Dschidda (Sonntag, 18:30 Uhr MEZ im Liveticker). Amnesty International weist auf die "äußerst besorgniserregende Menschenrechtsbilanz" Saudi-Arabiens hin, beklagt das Vorgehen gegen Aktivisten - und natürlich die "berüchtigte Ermordung" des Regimekritikers Khashoggi.
2019 zählte die Organisation 184 Hinrichtungen, teils öffentlich vollstreckt. Hinzu kommt die Unterdrückung von Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten und Geistlichen. Die Duldung von Homosexualität, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung seien "stark gefährdet bis nicht vorhanden". Wanderarbeitnehmer berichteten von Missbrauch und Ausbeutung. Wie passt das zur Formel 1, die sich bei jedem Rennen mit dem Slogan "We Race As One" für Gleichheit einsetzt?
Die Verträge der Rennserie mit Katar und Saudi-Arabien enthielten Garantien, dass die Länder die Menschenrechte in allen Aspekten ihrer Verbindung mit dem Sport respektieren müssten, sagte Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali unlängst der "BBC". Bei Missachtung habe man das Recht, den Vertrag aufzuheben. Jedoch, betonte der Italiener, werde "das Rampenlicht, das wir mitbringen, für den Willen und die Wünsche zur Veränderung von Vorteil sein".

Hamilton will Aufmerksamkeit

"Der Sport kann die Aufmerksamkeit für Menschenrechte in diesen Ländern erhöhen", sagte Weltmeister Lewis Hamilton am Donnerstag in Dschidda. Auf die Frage, ob er sich wohl fühle, in Saudi-Arabien zu fahren, äußerte er allerdings: "Ich kann das nicht wirklich sagen. Ich habe aber nicht die Wahl getroffen, hier zu sein. Der Sport hat das getan." Klar sei, dass sich etwas verändern müsse, auch der Sport müsse "mehr tun".
Hamilton kündigte an, wie schon in Katar einen Helm im Pride-Look tragen. Sebastian Vettel zeigte sich in Schuhen im Regenbogen-Design, der Ex-Champion bestritt ein Kartrennen mit saudischen Frauen - diese dürfen erst seit 2017 am Steuer sitzen.

Hersteller brauchen arabischen Markt

Zudem verprellt die Formel 1 ungern zahlungskräftige Kundschaft. Unter Bernie Ecclestone war das so, bei Liberty Media (seit 2017) hat sich daran nichts geändert. Auch die Hersteller möchten gerne Autos in diesen Märkten verkaufen.
Die Verbindung der Formel 1 zu Saudi-Arabien ist sogar besonders eng. Anfang 2020 wurde ein hochdotierter Deal mit dem Staatskonzern Aramco geschlossen. Das Unternehmen ist der größte Ölkonzern der Welt - und gilt als einer der größten CO2-Emittenten des Planeten.
Kurz danach folgte die Einigung auf einen Grand Prix, und zwar schon 2021, obwohl es noch keine adäquate Rennstrecke gab.
2023 werden es dafür zwei sein: Der unter Hochdruck fertiggestellte Kurs in Dschidda, auf dem am Sonntag sowie am 27. März 2022 gefahren wird, sowie die noch spektakulärere Strecke, die derzeit gemeinsam mit dem Mega-Unterhaltungskomplex Qiddiya vor den Toren Riads hochgezogen wird.

F1 erhält wohl 800 Millionen Euro

Die Formel 1 hat einen Zehnjahresvertrag mit Saudi-Arabien über angeblich 800 Millionen Euro geschlossen. Damit sind hohe Einnahmen für die Rennserie gesichert, und auch das Königreich darf sich über regelmäßige TV-Präsenz in positivem Kontext freuen.
Die Rallye Dakar, der spanische und der italienische Fußball-Supercup, Wrestling-Veranstaltungen, Formel E oder Weltmeisterschaftskämpfe im Boxen (Joshua vs. Ruiz II, "Clash on the Dunes") waren schon im Land.
Sportwashing nennen das Kritiker, Prinz Abdulaziz bin Abdullah Al Saud allerdings sagt mit Verweis auf die angeblich milliardenschwere Investition des Königshauses in die "Vision 2030": "Die Regierung hat verstanden, dass der Sport eine sehr wichtige Rolle für die Zukunft der Jugend spielt."
Das Land will unabhängiger vom Öl zu werden, die Wirtschaft diversifizieren und auch Touristen anlocken. Die Bilder von rasenden Formel-1-Rennwagen bei Urlaubswetter entlang des Roten Meeres dürften helfen.
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(SID)
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