Bundesliga-Kolumne - LIGAstheniker: Der Hamburger SV ist zurück in der Bundesliga und wird dem Oberhaus nach dem Aufstieg guttun
Update 12/05/2025 um 11:57 GMT+2 Uhr
Der Hamburger SV ist zurück in der Bundesliga. Der Dino steigt aus der 2. Bundesliag auf, die erste Liga bekommt ein absolutes Urgestein zurück. Der LIGAstheniker schaut auf die Zweitliga-Zeit des HSV mit Pleiten, Pech und Pannen und riskiert einen kurzen Blick in die Zukunft der Rothosen. Und auf einen möglichen brisanten zweiten Aufsteiger der Liga. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.
Der Hamburger SV ist zurück in der Bundesliga
Fotocredit: Getty Images
Liebe Fußballfreundinnen und Freunde,
Der schönste Satz des Fußball-Wochenendes stammt diesmal aus Hamburg: Es komme ihm vor, als hätte einer sieben Jahre lang eine große Champagnerflasche geschüttelt und heute hat endlich der Korken geknallt. Sprach Stefan Kuntz, Sportvorstand des HSV, wenige Minuten nachdem klar war, dass die Hamburger nach sieben langen Jahren wieder erstklassig sind.
Das aber, was sich nach dem Schlusspfiff gegen Ulm im Volkspark entlud, hatte nichts mit gediegener Champagner-Soiree zu tun, vielmehr offenbarte der HSV ungeahnten St. Pauli-Anarchismus.
Zehntausende stürmten das Feld, rissen Rasenstücke heraus, zerlegten die Tore und verletzten sich beim Sprung auf den Rasen.
Solche regressiven Impulse kann man als erwachsener Mensch natürlich leicht affig finden, wenn man aber gesehen hat, mit welcher ideenlosen Formelhaftigkeit der FC Bayern seine Meisterschaft mal wieder im Weißbier ertränkt hat, dann freue ich mich jetzt schon auf diesen geperlten Schampus-HSV – Willkommen zurück!
HSV: Der lange Weg zurück ins Oberhaus
Wenn man weiß, wieviel Geld ihr Haus- und Hofmilliardär Michael Kühne, angeblich der reichste Deutsche, in den Verein gesteckt hat, dann kann man natürlich sagen, dass die Hamburger erste Liga sein müssen. Immerhin waren sie ja auch Gründungsmitglied ehe sie 2018 das erste Mal in ihrer Geschichte abgestiegen waren. Seitdem versuchten sie alles, um so schnell wie möglich zurück in die 1. Liga zu kommen.
Zweimal scheiterten sie in der Relegation, 2023 schien der direkte Aufstieg endlich geglückt, dann erzielte der direkte Konkurrent Heidenheim in der gefühlt längsten Nachspielzeit der Fußballgeschichte ein Tor und wieder nix. Selbst vor einer Verpflichtung von Felix Magath scheuten sie nicht zurück, für den Prince Boateng die Mannschaft aufstellte; Horst Hrubesch wurde reaktiviert, Steffen Baumgart verpflichtet; es gab mit Mario Vuskovic einen Dopingfall, mit Jonas Boldt einen Manager, dessen jahrelange Erfolgslosigkeit in Hamburg heute noch Tresentalk ist.
Und weil das alles noch nicht Pleiten, Pech und Pannen genug waren, starb 2022 erst Klubikone Uwe Seeler und dann spielten ausgerechnet die beiden prekären Dorfklubs vor der eigenen Nase, die verhassten St. Pauli und Holstein Kiel in der Bundesliga, während man selbst in der zweiten Liga herumeierte. Aus HSV-Sicht konnte man nicht mehr gedemütigt werden (Okay, Schalke beweist bis heute, dass man noch viel mehr gedemütigt werden kann, weil sie in diesem Jahrzehnt wohl keinen Aufstieg mehr hinkriegen, aber vielleicht noch einen Abstieg).
Interessanter Coach: Merlin Polzin
Das alles ist Geschichte. Dass der HSV kein Schalke wurde, haben sie ihrem jungen Coach zu verdanken, der so ganz anders ist als die prominenten Schwergewichte der Vergangenheit und der lieber Bier trinkt als Champagner: Merlin Polzin, 34 Jahre alt, aus dem Stadtteil Bramfeld, ein Junge aus der Nordkurve, der mit 21 Jahren das erste Mal als Trainer im Nachwuchsleistungszentrum des HSV arbeitete, wie der "Spiegel" wusste.
Ende des letzten Jahres, als Baumgart scheiterte, kam Polzin, der aus dem höchsten Etat und dem größten Personalaufwand der zweiten Liga (dank Kühne) eine Mannschaft formte. Die anderen Gesichter dieser Mannschaft, etwa Oldiegoalgetter David Selke (22 Saisontore), Mittelfeldtreiber Daniel Elfadil oder Torwart Daniel Heuer Fernandes werden nun zeigen müssen, ob sie auch erste Liga können. Bei Selke hat das in der Vergangenheit ja nicht so wahnsinnig gut geklappt. "Der geilste Verein Deutschlands ist wieder da", unkt Selkes Sturmpartner Robert Glatzel. Ob sie da auch bleiben werden oder etwa zur Fahrstuhlmannschaft verkommen – wer weiß das heute schon.
Die DFL lechzt nach Hamburg & Köln
Für die Liga selbst ist der HSV natürlich ein Lottogewinn. Man tritt Holstein Kiel sicher nicht zu nahe, wenn man sagt, dass der Klub von der Förde in der Bundesliga fehl am Platz war, weil er den Glauben einiger unverbesserlicher Romantiker an den ursprünglichen Zweck des Spiels adressierte. Aber die Bundesliga ist schon lange nichts mehr für Gefühlsdusler. Insofern bedient der HSV mit seiner prolligen Mischung aus Krawall und Kühne, Geld und Tradition die Entertainmentbedürfnisse eines milliardenschweren Produkts namens Deutsche Fußball-Liga.
Und so wird diese DFL am kommenden Sonntag beim Heimspiel des 1. FC Köln gegen Kaiserslautern (15:30 Uhr im Liveticker) ziemlich unter den Achseln schwitzen in der Hoffnung, dass mit dem "Effzeh" noch ein Klub aus der chaoscharismatischen Spieltheorie den Sprung in die Eliteliga schafft. Und eben nicht der SV Elversberg, der Dorfklub aus der saarländischen Provinz, der kleinste Fußballklub (5471 Mitglieder), der je die 1. Bundesliga erreichen könnte. Das muss nun unbedingt verhindert werden.
Kommentare bei Eurosport.de geben stets ausschließlich die Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
ZUR PERSON: THILO KOMMA-PÖLLATH
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog als das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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