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EM 2016: Stefan Kuntz über Mario Gomez, Bastian Schweinsteiger und die Zukunft von Mats Hummels

Carsten Arndt

Update 01/07/2016 um 15:23 GMT+2 Uhr

EM 2016: Stefan Kuntz, Europameister von 1996, spricht vor dem Viertelfinale gegen Italien am Rande des kickerTalk im Eurosport-Interview über die Situation von Mario Gomez im DFB-Team und Parallelen zu seiner eigenen Karriere. Bastian Schweinsteiger stärkt er den Rücken, den Wechsel von Mats Hummels zum FC Bayern kann er verstehen. Kuntz glaubt nicht, dass es dem Ex-Dortmunder ums Geld geht.

Stefan Kuntz bei der EM 1996 im Finale gegen Tschechien

Fotocredit: Imago

Eurosport: Zum Zeitpunkt der EM 1996 standen Sie wie Mario Gomez heute bei Besiktas Istanbul unter Vertrag. Was bringt es einer Mannschaft, wenn einige Spieler im Ausland aktiv sind und dort Erfahrungen gesammelt haben?
Stefan Kuntz: "Mario Gomez spielt jetzt vielleicht nicht wie die meisten anderen in Topligen, aber speziell in seinem Fall ist es so, dass er Besiktas mit wahnsinnig vielen Toren zur Meisterschaft geschossen hat. So etwas ist für das Selbstvertrauen unerlässlich. Bei mir war damals Christoph Daum mein Trainer und er hat mir in den letzten Wochen vor der EM ermöglicht, Zusatzeinheiten einzulegen, so dass ich körperlich sehr fit zur EM gekommen bin. Das könnte bei Gomez ähnlich gewesen sein. Er betont ja immer wieder, dass er sich körperlich in einem ausgezeichneten Zustand befindet. Und - was man nicht vergessen darf - man bekommt so unglaublich viel Liebe von den türkischen Fans. Dieses Gefühl nimmt man sicherlich auch mit."
Eurosport: Gomez hat des Öfteren erwähnt, dass er mittlerweile gelassener geworden ist. Kommt das einfach in einem gewissen Alter oder spielen bei ihm auch die schwierigen letzten Jahre seiner Karriere eine Rolle?
Kuntz: "Wenn du in einer Krise steckst ist sie natürlich nicht schön. Danach ist es aber die schönste Zeit überhaupt, weil du aus Krisen und Tiefen einfach am meisten lernst. Und er hat offensichtlich gelernt. Er bringt jetzt genau die Erfahrung mit und macht sich nicht mehr so sehr verrückt. Dieses Tor auf Vorlage von Draxler war sensationell, wenn man sieht, was er vorher alles macht, um dort hinzukommen. Der Verteidiger hat keine Chance gehabt vor ihn an den Ball zu kommen. Dann noch sauber den Fuß hinhalten, das hat einfach Klasse. Das ist die große Klasse von Mario Gomez. Man sollte ihn nicht ständig mit irgendjemandem vergleichen. Wir haben Mario Gomez und da sollten wir stolz drauf sein."
Eurosport: Mats Hummels hätte dem Vernehmen nach auch ins Ausland gehen können, hat sich aber für Bayern München entschieden. Hat er den bequemen Weg gewählt?hat sich aber für Bayern München entschieden. Hat er den bequemen Weg gewählt?
Kuntz: "Ich habe die ersten drei Jahre meiner Profi-Karriere in Bochum gespielt, dann in Uerdingen - und ich war richtig froh, als ich wieder nach Hause in diesem Fall zum 1.FC Kaiserslautern (Anm.d.Red.: Kuntz kommt aus Neunkirchen, 40 Kilometer von Kaiserslautern entfernt), kommen durfte. München ist ja auch die Heimat von Mats Hummels und das war sicherlich ein wesentlicher Faktor. Auf mich macht Hummels auch nicht den Eindruck, als würde es ihm ums Geld gehen. Er setzt seine Schwerpunkte nicht nur im finanziellen Bereich. Aus sportlicher Sicht spielt er in der Champions League garantiert wieder mindestens ums Halbfinale, hat die Chance in Deutschland Meister zu werden und spielt dort beim mit Abstand besten Verein. Wo hätte er denn noch hingehen können? Da kommen mir nicht mehr viele Vereine in den Sinn wo man sagen kann: Da hätte er hingehen müssen."
Eurosport: In den letzten Wochen und Monaten wird viel über Bastian Schweinsteiger diskutiert. Wäre ein gewonnenes EM-Finale womöglich ein guter Zeitpunkt für ihn seine Karriere im Nationaltrikot zu beenden?
Kuntz: "Wir dürfen uns nicht anmaßen darüber zu spekulieren. Ein Spieler weiß und fühlt ganz genau, wann etwas zu Ende geht. Manche verdrängen das dann noch etwas und man sagt im Nahhinein, dass sie mal lieber früher aufgehört hätten. Aber bei Bastian Schweinsteiger bin ich mir zu hundert Prozent sicher, dass er genau weiß, wann für ihn in welchem Bereich etwas zu Ende geht. Und dann wird er das auch rechtzeitig mitteilen."
Eurosport: 1996 haben Sie im Halbfinale den Ausgleich gegen die Engländer gemacht und damit deren Aus eingeleitet. Nun ist England mal wieder früh bei einem großen Turnier gescheitert. Woran liegt es, dass sie seit Jahren der Musik hinterherlaufen?
Kuntz: "Ich denke grundsätzlich, dass die jungen einheimischen Spieler nicht so viel Spielzeit bekommen wie beispielsweise in der Bundesliga. Speziell bei diesem Turnier sind sie mit einer der jüngsten und unerfahrensten Mannschaften angetreten und dass hat man gerade beim Ausscheiden gegen Island deutlich gemerkt. Es war ein Kopfproblem zu erkennen, selbst einfachste Dinge wie Rooneys Pässe oder Freistöße sind nicht mehr angekommen. Da hat der Kopf einfach nicht mehr mitgespielt."
Eurosport: In den englischen Medien wurde die Mannschaft und Trainer Roy Hodgson mehr als nur scharf kritisiert. Zu Recht?
Kuntz: "Ich glaube nicht, dass diese Häme und der Spott aus der Heimat die Spieler wirklich weiterbringen. Wenn England mal etwas verbessern will, dann sollten sich einige die darüber schreiben überlegen, wie sie das tun. Wahrscheinlich haben einige Spieler wie Hart oder Rooney schon während des Spiels die Schlagzeilen vor sich gesehen und in Gedanken schon im Reisebüro angefragt, ob sie nicht direkt von Frankreich aus in den Urlaub fliegen können. Am besten gleich für vier Monate."
Eurosport: Zum Abschluss noch eine Frage zu Ihrer persönlichen Zukunft. Wann sehen wir Sie wieder im Fußballgeschäft und in welcher Funktion?
Kuntz: "Es gibt viele Anfragen, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich nach zehn Jahren nonstop im Job wirklich mal diese Pause genieße. Das tut dem Körper und dem Geist gut. Ich kann wieder Dinge erleben, die man im Job normalerweise vergisst oder vernachlässigt. Ich merke, wie gut mir das tut. Ich bin noch in der Phase der Selbstreflexion in der ich mich frage was gut war und was weniger. Wenn diese Phase abgeschlossen ist kommt sicherlich der Moment indem ich für mich feststelle, was ich in den nächsten Jahren erreichen will. Als Person und Arbeiter. Aber dieser Prozess ist bei mir noch nicht abgeschlossen und von daher genieße ich die Zeit und schaue, was auf mich zukommt."
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