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Uwe Seeler bewegte die Welt: DFB-Ehrenspielführer wurde zur HSV-Ikone und schrieb Geschichte

Eurosport
VonEurosport

Publiziert 21/07/2022 um 19:14 GMT+2 Uhr

Seine bescheidene Art, sein Einsatz auf dem Platz und ein "Nein" machten aus dem Fußballer ein Denkmal. Nun ist "Uns Uwe" im Alter von 85 Jahren gestorben. Der Hamburger prägte eine gesamte Generation, avancierte sowohl beim Hamburger SV als auch in der deutschen Nationalmannschaft zur Ikone. Seeleres Name verbreitete bei den Gegnern Angst und Schrecken - und bleibt für ewig in Erinnerung.

Uwe Seeler starb im Alter von 85 Jahren

Fotocredit: Imago

Es regnete, als Uwe Seeler im April 1961 zur Legende wurde. Typisches Hamburger Wetter. Also ging er nach dem Training hastig zu seinem Ford 12 M und fuhr in seiner "blauen Badewanne" die paar Kilometer vom Rothenbaum zum Hotel Atlantic, damals Hamburgs feinste Adresse.
In einer Suite im ersten Stock, mit Blick auf die Alster, wartete Helenio Herrera, damals bester Trainer der Welt, schon auf Uwe, damals einer der besten Stürmer der Welt. Herrera wollte Uwe zu Inter Mailand holen. Mit aller Macht.
Eine Million Mark sollte es allein als Prämie für die Vertragsunterschrift geben - das Handgeld lag in einem Aktenkoffer unter dem Tisch. Dazu 500.000 Mark Jahresgehalt netto, eine Villa, ein Auto, die deutsche Schule für die Kinder.
"Das Angebot war sensationell", sagte Seeler einmal dem "SID", "aber Herrera wäre sicher noch höher gegangen." Er hätte nur seinen Namen kritzeln müssen und wäre ein gemachter Mann gewesen, mit 25 Jahren. Zwei Tage lang wurde verhandelt - doch am Ende schüttelte Uwe den Kopf und schickte den Mann mit dem schicken italienischen Anzug und dem Geldkoffer nach Hause.

"Ein außergewöhnlicher Mensch": Der Fußball verabschiedet sich von Seeler

Hamburg stand kopf, Deutschland feierte Seeler. Den Star, der allen gehörte. Den man anfassen konnte. Der auf traumhaften Reichtum verzichtete und damit zum Idol aufstieg. "Uns Uwe" war jetzt nationales Eigentum, Vorbild und moralischer Kompass. "Mehr als ein Steak am Tag kann man nicht essen. Und wenn ich heute Bilanz ziehe, war diese Entscheidung goldrichtig", sagte Seeler rückblickend.
Es gibt keine Geschichte, die diesen Mann besser beschreibt: Nun ist das Idol im Alter von 85 Jahren gestorben. Und der Fußball verneigt sich in tiefer Trauer vor einem ganz Großen.
"Uwe Seeler war ein außergewöhnlicher Fußballer, vor allem aber ein außergewöhnlicher Mensch", sagte Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball-Liga (DFL): "All dies, gepaart mit einer Bescheidenheit, die ihresgleichen suchte, hat ihn zu einem Idol und zu einem Vorbild für Millionen Menschen werden lassen."
Die deutschen Fußballerinnen laufen im EM-Viertelfinale gegen Österreich am Donnerstag in Gedenken an Seeler mit einem Trauerflor auf. Das gab der Deutsche Fußball-Bund (DFB) rund drei Stunden vor Anpfiff des K.o.-Duells in London bekannt. Die Stadt Hamburg verabschiedete sich auf ihrer Webseite von ihrem Ehrenbürger: "Mit Uwe Seeler verliert die Hansestadt Hamburg einen Ausnahme-Fußballer und besonderen Menschen. Tschüs, Uwe!",
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Uwe Seeler schrieb in Hamburg Geschichte

Fotocredit: Imago

Keine Skandale, ehrlicher Fußball: Seeler schießt sich in die Fan-Herzen

Zwischen 1953 und 1972 verbreitete Seelers Name bei den gegnerischen Abwehrspielern Angst und Schrecken. Er war nicht elegant, aber er hatte unendliche Kraft. Uwe krempelte die Ärmel hoch, er arbeitete Fußball, er kämpfte, wühlte, biss, wollte. Er warf sich in den Dreck und verkörperte die Werte der jungen Bundesrepublik nach dem Krieg - Einsatz, Fleiß und ehrliche Arbeit.
Was für die deutsche Industrie das "Made in Germany" war, das war "Uwe" für den deutschen Fußball. Dafür schlossen sie ihn auf ewig in ihre Herzen ein. "Warum hätte ich abheben sollen? Nur weil ich ein bisschen besser kicken konnte?", sagte Seeler, "so bin ich nicht erzogen worden."
Uwes Art war das direkte Ergebnis der Lehren seines Vaters Erwin. Der war Schutenfüher im Hafen, ein Knochenjob, und predigte die Dreifaltigkeit im Hause Seeler: Bleib anständig, arbeite hart und respektiere deine Mitmenschen! Es gab kein Gespräch mit Uwe, in dem er nicht davon erzählte. "Das Schönste ist doch, normal zu sein", sagte er. Und das war er - erfrischend normal.
Seit 1959 war Seeler ohne Skandale mit seiner geliebten Ilka verheiratet, er fuhr nie die größten Autos und schätzte Steckrübeneintopf, Kartoffelsuppe und Grünkohl. Seit 1958 wohnte Seeler im selben Bungalow in Ochsenzoll. Trug er Hut, griff er zum Elbsegler, der proletarisch angehauchten Kopfbedeckung für Hanseaten, weniger fein als die Prinz-Heinrich-Mütze, die Wahl des verstorbenen Altkanzlers Helmut Schmidt.

Schweden und England: Zwei unvergessliche DFB-Momente

Trotz seiner unzähligen Tore für den HSV und die Nationalmannschaft bleiben besonders zwei Spiele für immer mit Uwe Seeler verbunden. Nur sechs Monate nach einem Achillessehnenriss im Februar 1965 schoss der "Dicke" Deutschland gegen Schweden (2:1) zur WM nach England. Und bei der WM in Mexiko 1970 erzielte er seinen legendärsten Treffer - gegen England mit dem Hinterkopf. Weltmeister wurde er dennoch nicht, wie 1966, als er im sagenumwobenen Finale gegen England auf dem Platz stand.
Nur einmal traf "Uns Uwe" eine unglückliche Entscheidung, als er sich 1995 zum Präsidenten seines HSV wählen ließ. Finanzskandale und sportliche Misserfolge kratzten an seinem bis dahin makellosen Image. Enttäuscht von alten Weggefährten trat er 1998 zurück. Als Fehler bezeichnete er seine Entscheidung rückblickend nicht, selbstverständlich auch nicht seine Absage an Herrera.
Am 1. Mai 1972 endete die große Laufbahn von "Uns Uwe". Am Tag der Arbeit. Nun endete das Leben eines außergewöhnlichen Menschen - und Fußball-Deutschland trauert.
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